17.01.2010

Kundus-Massaker:
Die Lügen des Oberst Klein
Wie lange kann sich zu Guttenberg
noch halten?

Der Krieg als Marionette Berlin (LiZ). Immer mehr Informationen aus dem - noch - geheimen NATO-Untersuchungs- bericht zum Kundus-Massaker dringen an die Öffentlichkeit: In dem rund 500 Seiten umfassenden Bericht wird der für das Massaker verantwortliche deutsche Oberst Georg Klein zitiert, der vor den NATO- Ermittlern zugab, bewußt mit Lügen über einen bevorstehenden Angriff und direkte Feindberüh- rung die US-amerikanischen Bomberpiloten getäuscht zu haben. Die Piloten wurden strafversetzt, Oberst Klein jedoch wird nach wie vor von Kriegsminister zu Guttenberg gedeckt. Der NATO-Bericht enthält zudem alle Details, die zu Guttenberg angeblich erst nach dem vor dem 6. November vorlagen. Zu diesem Zeitpunkt hatte zu Guttenberg noch öffentlich behauptet, die Bombardierung am 4. September sei als "militärisch angemessen" zu bewerten.

Bei der Bombardierung zweier Tanklaster in der Nähe von Kundus waren am 4. September bis zu 178 Menschen - darunter eine große Anzahl ZivilistInnen und Kinder - zu Tode gekommen. Der deutsche Kriegsminister hatte die Einschätzung seines am 27. November zurückgetretenen Vorgängers Franz Josef Jung, die Bombardierung der Tanklaster sei "militärisch angemessen", auch nach dem 6. November öffentlich vertreten, nachdem er den Verteidigungsausschuß des Bundestages über den NATO-Bericht informiert hatte. Erst vier Wochen danach revidierte er diese Bewertung mit der Begründung, ihm seien Unterlagen vorenthalten worden. Welche Informationen für seine Neubewertung entscheidend gewesen sein sollen, vermochte er jedoch seitdem nicht darzulegen. Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert hatten auf Druck zu Guttenbergs bereits am 26. November zurücktreten müssen. Schneiderhan wies inzwischen mehrmals öffentlich darauf hin, daß im NATO-Bericht alle wesentlichen Informationen enthalten gewesen seien und verwahrte sich gegen die Behauptung, Informationen zurückgehalten zu haben.

Mittlerweile wurde auch bekannt, daß sich der Kommandeur des afghanischen Regionalkommandos Nord in Masar-i-Sharif, Brigadegeneral Jörg Vollmer, gegenüber den NATO-Ermittlern darüber beschwert hatte, daß Oberst Georg Klein mit unwahren Informationen an die Piloten die Bombardierung auslöste. Die Piloten hatten mehrfach Bedenken geäußert und nachgefragt, ob tatsächlich eine akute Bedrohung vorliege. Die von Oberst Klein behauptete "Feindberührung", die zwingende Voraussetzung für das Eingreifen der Bomber-Piloten gewesen wäre, war jedoch nur vorgeschoben. Die Bedingung für eine Luftnahunterstützung (Close Air Support) war daher real nicht gegeben.

Die beiden an der Bombardierung beteiligten US-Piloten wurden schon wenige Tage nach dem Vorfall vom Einsatz abberufen und strafversetzt. Damit reagierte ISAF-Kommandeur Stanley McChrystal auf die Mißachtung von Einsatzregeln. McChrystal hatte auch die Abberufung von Oberst Klein gefordert, war dabei aber am Widerstand des deutschen Kriegsministers gescheitert.

Inzwischen sickerte aus militärischen Kreisen die Einschätzung durch, es sei zum Zeitpunkt der Bombardierung völlig unwahrscheinlich gewesen, daß sich bei den Tanklastern noch Aufständische aufhielten. Es wird dabei auf die weithin bekannte Tatsache verwiesen, daß sich afghanische Aufständische niemals lange an einem Ort aufhalten. Im weiteren wird auch ein Buch Erwin Rommels erwähnt, das an der Führungsakademie in Hamburg, an der Oberst Klein geschult wurde, zur Pflichtlektüre gehörte. In diesem Buch Rommels werde dargelegt, daß kriegserfahrene Kämpfer sich niemals stundenlang auf freier Fläche aufhalten, um dort als perfektes Ziel für die Artellerie zu dienen. Im übrigen wird daran erinnert, daß - jahreszeitlich bedingt - am 4. September auch nachts mit einer Vielzahl von ZivilistInnen zu rechnen gewesen sei, die sich zu den festgefahrenen Tanklastern begeben hatten.

Nach offiziellen Angaben prüfte die deutsche General- bundesanwaltschaft bislang, ob Oberst Klein mit seinem Befehl gegen das Völkerstrafrecht verstoßen hat. Laut einem Bericht der 'Süddeutschen Zeitung' ist die Entscheidung aber bereits gefallen und die Generalbundesanwaltschaft wird kein Verfahren gegen Oberst Klein einleiten. Die oberste Anklagebehörde werde sich nach Informationen der 'Süddeutschen' auf das Völkerrecht berufen. Der Afghanistan-Einsatz werde als nicht-nationaler bewaffneter Konflikt eingestuft, wonach bei der Beurteilung der Bombardierung das humanitäre Völkerrecht angewandt werden müsse. Danach sei ein militärischer Angriff gegen "Konfliktgegner" zulässig. ZivilistInnen verlören daher ihren Schutzanspruch vorübergehend, wenn sie sich - wie bei den Tanklastzügen - in eine Konfliktsituation begäben.

 

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