29.02.2012

Schweizer AKW Beznau
jetzt ältestes Atomkraftwerk der Welt

AKW Beznau auf Aare-Insel Bern (LiZ). Nachdem in diesem Monat der 45 Jahre alte britische Atom-Reaktor Oldsbury I still- gelegt wurde, ist nun das Schweizer AKW Beznau das Älteste der Welt. Entsprechend dem von der Schweizer Regierung im vergangenen Jahr verkündeten "Atom-Ausstieg" sollen die 1969 und 1971 in Betrieb genommenen Reaktoren des AKW Beznau bis 2019 und 2021 am Netz bleiben. Mit dem AKW Leibstadt ginge das letzte Schweizer Atomkraftwerk im Jahr 2034 vom Netz.

Der "jüngere" der beiden Magnox-Reaktoren des AKW Oldsbury, der im April 1968 ans Netz ging, wurde bereits Ende Juni 2011 stillgelegt - angeblich aus Kostengründen. Mit dem nun im Februar stillgelegten Reaktor (Inbetriebnahme: November 1967) bleiben in Großbritannien nur noch 8 Atomkraftwerke mit insgesamt 17 Reaktoren am Netz. Stillgelegt wurden in Großbritannien nunmehr insgesamt 26 Atom-Reaktoren. Offiziell bekundeten sämtliche britische Regierungen der vergangenen Jahre, von der unter Premierminister Antony Blair (1997 bis 2007) über die unter Gordon Brown (bis 2010) bis zur heutigen unter David Cameron, an der Atomenergie festhalten zu wollen. Dennoch wurden in den Jahren 2000 bis 2010 deutlich mehr Atom-Reaktoren pro Jahr stillgelegt als etwa in Deutschland.

Das AKW Beznau liegt am Fluß Aare kurz vor dessen Einmündung in den Rhein und damit in Grenznähe zu Deutschland. Im Mai 2011 attestierte das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) dem Atomkraftwerk etliche Sicherheitsmängel, die jedoch angeblich durch Nachbesserungen des Betreiber-Konzerns Axpo behoben werden konnten. Der ältere der beiden Atom-Reaktoren des AKW Beznau wird im Juli dieses Jahres bereits 42 Jahre am Netz sein. Von Seiten der Anti-Atom-Bewegung wird seit Langem darauf hingewiesen, daß die Gefahr durch das Verspröden der Reaktordruckbehälter im Laufe der Jahre exponentiell zunimmt. Hinzu kommt, daß das AKW Beznau über keinen nennenswerten Schutz gegen Flugzeugabstürze und Terrorangriffe verfügt. Es liegt in der Anflugzone des Züricher Flughafens. Kritisiert werden auch - insbesondere nach den Erfahrungen mit dem Super-GAU von Fukushima - die unzuverlässige Notstromversorgung und Risse im Reaktordeckel.

Eine besondere Gefährdung ist durch die Lage des AKW gegeben, das auf einer Insel in der Aare errichtet wurde. Damit ist es einem Hochwasser stärker ausgeliefert als andere Atomkraftwerke, wie sich nicht zuletzt im Falle des US-amerikanischen AKW Fort Calhoun im Juli vergangenen Jahres dramatisch zeigte. Um die konkrete Gefahr abschätzen zu können, mußte der Betreiber-Konzern Axpo umfangreiche Sicherheitsberechnungen vorlegen. Nach genauer Analyse der Axpo-Daten kritisierte die Schweizer Anti-Atom-Bewegung: Die Annahmen, die den Berechnungen zugrunde liegen, sind unvollständig und zu optimistisch. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI jedoch bewertete das AKW Beznau weiterhin als sicher.

Erneut forderten auch Schweizer Umweltschutz-Organisationen in diesem Monat die Stilllegung des AKW Beznau. Der Betreiber-Konzern Axpo wies die Kritik zurück. Der Reaktordeckel habe zwar keine Risse; dennoch werde dieser aber vorsorglich in nächster Zeit ausgetauscht. Axpo verweist darauf, daß in den vergangenen Jahren 1,6 Milliarden Franken (umgerechnet rund 1,3 Milliarden Euro) in die Sicherheit des Reaktors investiert worden seien; weitere 700 Millionen Franken (580 Millionen Euro) seien bereits fest eingeplant.

Wenig glaubwürdig sind die Verlautbarungen der "grün-roten" Landesregierung in Baden-Württemberg. Während diese den Weiterbetrieb der beiden Atom-Reaktoren in Neckarwestheim bei Heilbronn und Philippsburg bei Karlsruhe bis zum voraussichtlichen Ende ihrer Amtszeit im Jahr 2016 gewährleistet, fordert sie das Abschalten des AKW Beznau. "Da die deutsche Bevölkerung im Grenzgebiet durch die Reaktoren gefährdet ist, setzt sich Baden-Württemberg folgerichtig für eine rasche Stilllegung der grenznahen Kernkraftwerke in der Schweiz ein," erklärte ein Regierungssprecher. "Folgerichtig" müßte sich die Landesregierung unter dem pseudo-grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann erst recht für die Stilllegung der Atom-Reaktoren im "Ländle" einsetzen.

Völlig zurecht verwies die Landesregierung auf die Gefahr durch Terroranschläge mit Verkehrsflugzeugen und die dünne Betonschale über den Reaktordruckbehältern, die nur mit der des im Jahr 2005 abgeschalteten AKW Obrigheim zu vergleichen sei. Doch auch dies berührt einen wunden Punkt in der Karriere des heutigen baden-württembergischen Ministerpräsidenten. Die "rot-grüne" Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder hatte die Stilllegung des AKW Obrigheim für 2002 angekündigt. Und Kretschmann hatte noch im Jahr 2002 getönt, eine Verlängerung der Betriebsdauer "wäre politischer Selbstmord."

Und um die Peinlichkeiten zu komplettieren, erläuterte der pseudo-grüne baden-württembergische "Umwelt"-Minister Franz Untersteller, auf den Fall einer nuklearen Katastrophe im AKW Beznau vorbereitet zu sein: "Beim Regierungspräsidium Freiburg gibt es daher Katastrophen-Einsatzpläne." Dies beweist ein weiteres Mal, daß die Drähte zur Anti-Atom-Bewegung seit langem gekappt sind. Denn diese hatte schon vor vielen Jahren aufgezeigt, daß solche - früher nicht ohne Grund geheim gehaltenen - Katastrophen-Einsatzpläne im Falle eines Super-GAU völlig wertlos sind.

 

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Anmerkungen

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