19.06.2012

Schweizer Uralt-AKW Beznau
Riß im Reaktordeckel?

AKW Beznau auf Aare-Insel Zürich (LiZ). Der Schweizer Strom-Konzern AXPO, Betreiber des AKW Beznau, räumte eine "Unregelmäßigkeit" an der Innenseite des Reaktordeckels ein. Bei dem Schweizer Atomkraftwerk handelt es sich um das derzeit älteste der Welt. Einer der beiden Reaktoren ist mittlerweile seit 43 Jahren in Betrieb.

Da Atomkraft-GegnerInnen seit Jahrzehnten auf das wachsende Risiko von Rissen infolge der durch Neutronenbeschuß zunehmende Versprödung des Reaktormaterials hinweisen, vermeidet AXPO tunlichst den Begriff "Riß" und weicht auf den unkonkreten Begriff "Unregelmäßigkeit" aus. Auch die Schweizer Atomaufsichts-Behörde ENSI äußerte sich nicht präziser: "Ein Riß, der durch die Wand geht, ist das nicht." Vermutlich war dies als Beruhigung gemeint. Über Länge und Tiefe der "Unregelmäßigkeit" wurden keine Informationen herausgegeben. Die "Unregelmäßigkeit" soll nun durch eine zusätzliche Schweißung verstärkt werden.

Die Überschweißung eines Risses gilt in den Kreisen der Atom-Industrie als international anerkanntes Reparaturverfahren. Vermutlich dürfte dies nicht ganz billig sein, da hierzu SpezialistInnen aus den USA in die Schweiz eingeflogen werden müssen. Immerhin scheint AXPO ein gewisses Risiko erkannt zu haben: Bereits vor einiger Zeit wurden neue Reaktordeckel für das AKW Beznau bestellt. Die aufwendige Herstellung eines über 80 Tonnen schweren Reaktordeckels in Einzelanfertigung benötigt allerdings zwei Jahre. Zudem muß für den Austausch der Reaktordeckel das Reaktorgebäude aufgeschnitten werden. Jürg Joss, Automationstechniker und Vorstandsmitglied von 'Fokus Anti-Atom' erachtet dies als "nicht unproblematisch bei über vierzigjährigem Beton und Stahl". Nach Angaben von AXPO würden die Reaktordeckel ausschließlich aus präventiven Gründen ausgewechselt - sie seien nicht defekt. Zugleich aber räumt AXPO ein, daß "Ermüdungserscheinungen" in "vergleichbaren Anlagen" festgestellt wurden.

Angesichts des Eiertanzes, der um die Vermeidung einer präzisen Auskunft über die Qualität der "Unregelmäßigkeit" veranstaltet wird, erklärt Axel Mayer vom Umweltverband BUND: "Beznau ist keine Wurstfabrik, sondern das älteste und eines der gefährlichsten Atomkraftwerke der Welt. Die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt erlaubt sich den gefährlichen Luxus, in Beznau und Mühleberg uralte AKW zu betreiben. Bei Rissen im Reaktordeckel geht es nicht zuletzt um die Sicherheit der Menschen in einem Radius von weit über 50 Kilometern um das AKW."

Erstaunlich sei, daß die "Unregelmäßigkeit" angeblich "erst jetzt" entdeckt wurde, die Bestellung der neuen Reaktordeckel aber schon länger zurückliegt. "Waren die Probleme und Risse schon länger bekannt?", fragt Mayer. Viele Monate Weiterbetrieb mit gravierenden Risiken an sicherheitsrelevanten Teilen seien weder für die Schweizer noch für die deutschen AnwohnerInnen der Region um das grenznahe AKW Beznau zumutbar. Das altersschwache Atomkraftwerk müsse schnellstmöglich stillgelegt werden. "Ein Auto im Zustand der beiden Uralt-Reaktoren des AKW Beznau und des ebenfalls über 40 Jahre alten Reaktors des AKW Mühleberg wäre von Schweizer Behörden schon lange aus dem Verkehr gezogen worden," so Mayer. Der BUND fordert konkrete Informationen über den Zustand des AKW und über die Risse.

 

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Anmerkungen

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