30.03.2014

Fragen zum WIPP-Unfall:
Ursachen, Betroffene, Folgen...

Atommüll-Deponie WIPP, Carlsbad
Carlsbad (LiZ). Nachdem das US-Energieministerium zunächst am 16. Februar behauptet hatte, keiner der 139 Arbeiter der Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) sei beeinträchtigt worden, wurde dies am 27. Februar offiziell korrigiert: 13 Arbeiter wurden bei dem Unfall radioaktiv kontaminiert. Dennoch bleiben etliche Fragen offen.

Das Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) - zu deutsch: Versuchsanlage zur Müll-Isolierung - liegt in einem Salzstock unter der Wüste bei Carlsbad im US-Bundesstaat New Mexico. Es ist die einzige unterirdische Atommüll-Deponie der USA. Seit 1999 werden im Auftrag des US-Energieministeriums, das auch für die Atomwaffen zuständig ist, hier Transurane wie Plutonium und Americium aus der Atomwaffen-Produktion eingelagert. Für hochradioaktiven Atommüll aus den abgebrannten Brennstäben der Atomkraftwerke ist das WIPP nicht genehmigt. Nach wie vor existiert auch in den USA kein "Endlager" für diesen Atommüll - das entsprechende Projekt im Yucca Mountain ist spätestens im Jahr 2009 gescheitert (Siehe unseren Artikel v. 9.03.09).

Auf der Suche nach einem "Endlager" in den USA meinten einige ExpertInnen, Salz sei möglicher Weise eine geeignete Lagerstätte. Vergessen scheint, daß noch vor wenigen Jahren Salz als Wirtsgestein für ein Atommüll-"Endlager" in den USA offiziell ausgeschlossen wurde. Doch nun setzt sich etwa die Geologin und Vorsitzende der Atomaufsichts-Behörde NRC, Allison M. Macfarlane, vehement für das WIPP als "Endlager" für kommerziellen Atommüll ein. Es sei ja nun mal vorhanden und die Akzeptanz der Bevölkerung müsse nicht mehr erarbeitet werden.

Etliche lokale PolitikerInnen und Kirchengemeinden propagieren den Ausbau der WIPP mit der Aussicht auf einen wirtschaftlichen Aufschwung der umliegenden Gemeinden. Auf Staatsebene sind die PolitikerInnen jedoch mehrheitlich gegen den Ausbau, weil die Gegend reich an Öl und Gasvorkommen ist und durch zukünftige Bohrungen und Fracking die Radioaktivität zu Tage treten kann.

Bei der WIPP handelt es sich um eine Versuchs-Deponie. Die Einlagerung der radioaktiven Abfallstoffe wurde in all den Jahren kaum getestet - die Zustände auf dem Arreal der Hanford Site im US-Bundesstaat Washington sind eine schleichende Katastrophe (Siehe hierzu: Info-Serie Atomenergie - Folge 8).

Von der Anti-AKW-Bewegung werden zudem die häufigen Atommüll-Transporte (im Durchschnitt 16 pro Woche) kritisiert, die hauptsächlich Material aus dem Atomwaffen-Komplex Los Alamos National Laboratory anliefern. Diese Atommüll-Transporte stellen ein beträchtliches Risiko dar und werden über viel befahrene Landstraßen durch Reservationen indigener Völker und vorbei an Schulen gelenkt.

Am 16. Februar wurde ein Stahlen-Alarm auf dem Gelände der WIPP publik. Mittlerweile wurde bekannt, daß die erhöhten Radioaktivitäts-Werte sogar rund eine halbe Meile von der WIPP entfernt gemessen wurden. Doch zunächst hieß es in der Verlautbarung des US-Energieministeriums, keiner der 139 Arbeiter der WIPP sei beeinträchtigt worden, da sich alle außerhalb der Stollen befunden hätten (Siehe unseren Artikel v. 16.02.14). Es wurden auch keine Zahlen zum Ausmaß der radioaktiven Freisetzung genannt. Erst elf Tage darauf wurde offiziell eingeräumt, daß 13 Arbeiter radioaktiv kontaminiert wurden (Siehe unseren Artikel v. 27.02.14).

Am 5. Februar hatte sich ein Unfall mit einem LkW in einem der unterirdischen Stollen ereignet. Dieser hatte anscheinend Feuer gefangen. Sechs Arbeiter wurden nach Einatmen von Rauch medizinisch behandelt. Das US-Energieministerium gab hierzu nur sehr vage Informationen heraus. Ein Zusammenhang mit dem Stahlen-Alarm vom 15. Februar wird offiziell in Abrede gestellt.

Am 20. Februar reichte die Lokalpresse eine Anfrage per FOIA (Freedom of Information Act) ein. Daraufhin veröffentlichte das US-Energieministerium die angeblich gemessenen Werte. Als mögliche Ursachen nannte es einen teilweisen Einsturz der Decke in einer der Kammern, die gerade mit Atommüll-Fässern gefüllt wurden. Eines der Fässer sei möglicherweise durch den Einsturz geborsten und so könne Radioaktivität durch das Lüftungssystem nach draußen gelangt sein. Es ist vorgesehen, daß die Decken der einzelnen Lagerkammern im Salzstock irgendwann einstürzen und die Atommüll-Fässer so mit einem Salzmantel eingeschlossen werden.

Am 27. Februar wurde bekannt, daß 13 (später korrigiert auf 17, ann auf 21) Arbeiter bei dem Unfall mit Americium kontaminiert wurden, das sie während ihres Aufenthaltes im Salzstock inhaliert hatten. Die Isotope Americium-241 (Halbwertszeit: 432 Jahre) und Americium-243 (Halbwertszeit: 7.370 Jahr) sind Alpha-Strahler und können daher schon beim Einatmen von wenigen Nanogramm Lungenkrebs erzeugen.

Am 5. März berichtete das umweltpolitische Online-Magazin 'La Jicarita' aus New Mexico über den Stand der Dinge und warf einige Fragen auf, die nach wie vor ungeklärt sind:

  • Was war die Ursache des Unfalls?
  • Wieviel Radioaktivität wurde freigesetzt?
  • Wieviel gelangte in die Umwelt?
  • Wo lagerten sich diese radioaktiven Materialien ab?
  • Welcher Menge Radioaktivität waren die Arbeiter ausgesetzt?
  • Wie hoch ist deren Risiko zu erkranken?
  • Welche Dekontaminations-Maßnahmen sind notwendig - im Salzstock, auf dem WIPP-Gelände und in der Umgebung?
  • Im Falle einer erneuten Öffnung der WIPP: Welche Änderungen im Betrieb, Monitoring und in der Sicherheitskultur werden implementiert?

Keine dieser Fragen ist bis heute beantwortet.

Mittlerweile wurde publik, daß am 11. März erneut erhöhte Strahlungswerte gemessen wurden. Offiziell ist deren Ursache unbekannt.

Bekannt wurde allerdings, daß der Brand des LkW am 5. Februar hätte vermieden werden können, wenn durch regelmäßiges Reinigungen brennbares Material von der Ladefläche entfernt worden wäre. Offenbar hatte zu dem Unfall beigetragen, daß ein automatisches Feuerlösch-System des Lastwagens deaktiviert war.

Im März lehnte die Bundesregierung New Mexicos eine vorläufige Genehmigung auf Erweiterung der Atommüll-Einlagerungen in der WIPP in weiteren Stollen des Salzstocks ab. Sie begründete dies damit, daß zunächst die Sicherheitsmaßnahmen verbessert werden müssten. In dem Erweiterungs-Antrag war vorgesehen, neben den Transuranen aus der Atomwaffen-Produktion auch verstrahlte Materialien wie etwa Arbeitskleidung einzulagern.

Der vorläufige Betriebsstopp der WIPP hat Rückwirkungen auf die Produktionsstätten der US-amerikanischen Atomwaffen - so etwa auf die Savannah River Site in South Carolina, von wo aus für Ende des Jahres eine Plutonium-Lieferung in die WIPP geplant war. Die Leitung der WIPP hatte zugesagt, bis September 2014 insgesamt 4000 Kubikmeter Atommüll anzunehmen.

Als Folge einer längeren Schließung der WIPP ist damit zu rechnen, daß sich der Druck der US-Bundesstaaten erhöht, in deren Atomforschungszentren (National Laboratories) sich der Atommüll aus der Atombomben-Produktion anhäuft. Denn diese wollen den Atommüll loswerden. Es stellt sich die Frage: Wohin mit dem ständig zunehmenden Atommüll? Für das Ansinnen, die WIPP in die Auswahl eines "Endlagers" für abgebrannte Brennstäbe zu nehmen, bedeutet der Betriebs-Stop erst einmal einen enormen Rückschlag. Zugleich steht nun im Raum, das "Endlager"-Projekt Yucca Mountain zu reaktivieren. Hiergegen formiert sich bereits starker Protest im betreffenden US-Bundesstaat Nevada.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unseren Artikel:

      Asse II darf absaufen
      Hendricks outet sich als Atom-Ministerin
      in der Nachfolge von Franz Josef Strauß (4.03.14)

      WIPP-Unfall doch gravierender:
      13 Arbeiter radioaktiv kontaminiert (27.02.14)

      USA: Strahlen-Alarm
      in unterirdischer Atommüll-Deponie (16.02.14)

      CASTOR-Transport nicht nach Gorleben?
      Zielbestimmung für Atommüll bis Ostern (15.02.14)

      "Das geht gar nicht"?
      Eine Antwort auf Kotting-Uhls "Einladung" (4.02.14)

      Festival gegen "Endlager"-Projekt
      im französischen Bure (1.09.13)

      Greenpeace, BUND und Robin Wood nehmen
      an Endlager-Kommission nicht teil (19.08.13)

      Gericht verwirft Genehmigung
      für Zwischenlager am AKW Brunsbüttel
      Endlager-Such-Gesetz obsolet
      Stop aller 9 Atom-Reaktoren in Deutschland? (19.06.13)

      "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" einigt sich
      auf Endlager-Such-Gesetz
      Ziel bleibt Gorleben (14.06.13)

      Französische Regierung treibt Endlager-Projekt
      in Bure voran (7.06.13)

      "Nein Danke" zu Altmaiers Einladung
      Anti-AKW-Gruppen lehnen
      Perversion der Bürgerbeteiligung ab (29.05.13)

      Atommüll im Ärmelkanal
      und in den Weltmeeren (11.04.13)

      Niedersachsen: "Rot-Grün" bricht
      Wahlversprechen zu Gorleben (25.03.13)

      "Rot-Grün" in Niedersachsen
      Ist das "Nein" zu Gorleben glaubwürdig? (8.02.13)

      Niedersachsen bleibt schwarz
      Kein Lichtblick für Gorleben (20.01.13)

      Atommüll-Zug in Südfrankreich entgleist
      Bestimmungsort ist möglicherweise Deutschland (22.01.13)

      "Schwarz-Gelb" schafft Grundlage für Atommüll-Export
      AtomkraftgegnerInnen kritisieren Dammbruch (4.01.13)

      Bundes-Atom-Minister Altmaier sagt:
      "Ich stoppe Gorleben!" (30.11.12)

      Bau-Stop in Gorleben
      Bürgerinitiative feiert Sensation (13.11.12)

      Greenpeace: Gorleben als Endlager
      genügt nicht einmal behördlichen Sicherheitsstandards
      (26.09.12)

      Im Salz unter Gorleben
      wird illegal weitergebaut (20.08.12)

      BI Lüchow Dannenberg warnt
      vor neuem Endlagersuchgesetz (29.07.12)

      Transparente Schweizer Endlager-Suche?
      Illusion um Benken geplatzt (2.07.12)

      Gorleben: Atomarer Irrweg wird fortgesetzt
      Weitere CASTOR-Transporte angekündigt (7.06.12)

      "Versuchs-Endlager" Asse II
      Rückholung des Atommülls weiter verzögert
      BfS bereitet stattdessen Flutung vor (31.05.12)

      War Röttgen ein deutscher Umweltminister?
      Die Rolle politischer Illusionisten (16.05.12)

      BUND fordert Transparenz bei Endlagersuche
      Transparenz bei einer Farce? (22.02.12)

      Endlagersuche in der Schweiz
      20 "Standortareale" - ein Ziel: Benken (19.01.12)

      Röttgen verplappert sich:
      Illegaler Bau im Gorlebener Salzstock (2.01.12)

      Geologe warnt
      vor geplantem "Endlager" Gorleben (13.12.11)

      Bergung des Atom-Mülls aus Asse II
      weiter verzögert
      Bundes-"Umwelt"-Ministeriumn betreibt Obstruktion
      (8.12.11)

      Strahlen-Skandal Gorleben
      Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages
      widerspricht Landesregierung (20.11.11)

      Genehmigung für CASTOR-Transport
      trotz Strahlen-Skandal (31.10.11)

      Strahlen-Skandal in Gorleben
      Grenzwert am Zaun bereits seit 2003 überschritten
      (30.09.11)

      Radioaktiver Müll in Gorleben
      hohe Strahlenbelastung am Zaun (25.08.11)

      Atommüll-Endlager in Deutschland?
      EU macht Druck (20.07.11)

      Atommüll-Endlager in der Schweiz?
      Unmögliches soll realistisch erscheinen (12.07.11)

      13. CASTOR nach Gorleben
      angekündigt (3.06.11)

      Gorlebener Salzstock vielfach angebohrt
      Der Berg schlägt zurück (15.04.11)

      Stark erhöhte Radioaktivität
      im "Versuchs-Endlager" Asse II (14.04.11)

      Drei Monate Denkpause
      auch für Gorleben? (30.03.11)

      "Versuchs-Endlager" Asse II
      Wasserzutritt verdoppelt (15.12.10)

      Erhöhte Krebs-Rate
      um das "Versuchs-Endlager" Asse II (25.11.10)

      Parteitag der Pseudo-Grünen
      Gorleben als Verhandlungsmasse (21.11.10)

      Neue wissenschaftliche Studie:
      AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)

      Akten über Explosion im Jahr 1969
      Erdgas unter Gorleben (13.09.10)

      Weiterer Erfolg des Gorleben-Widerstands:
      Verwaltungsgericht Lüneburg stoppt Datensammlung
      (4.09.10)

      CASTOR-GegnerInnen siegen
      vor Bundesverfassungsgericht (26.08.10)

      Der Endlager-Schwindel
      Greenpeace veröffentlicht Akten zu Gorleben (13.04.10)

      In Asse II wird probegebohrt
      Weitere Zeitverzögerung vor der Rückholung (27.03.10)

      Einsturzgefahr im "Versuchs-Endlager" Asse II
      Atommüll wird rückgeholt (15.01.10)

      Endlager-Standort Gorleben
      Bei der Auswahl spielte Geologie kaum eine Rolle (10.01.10)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Mit Spezialbeton Hohlräume verfüllt (8.12.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Decke eingestürzt (9.10.09)

      "Versuchs-Endlager" Asse II:
      Rückholung des Atommülls laut Bundesamt möglich (2.10.09)

      Verstärkter Laugeneinbruch
      im "Versuchs-Endlager" Asse II (18.09.09)

      Skandal-Serie Asse II: Noch mehr Plutonium
      im "Versuchs-Endlager" (29.08.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Hochradioaktiver Müll im "Versuchs-Endlager"?
      MONITOR veröffentlicht Siemens-Unterlagen (24.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Erneuter Fund radioaktiver Lauge (15.07.09)

      Skandal-Serie Asse II:
      Nun auch noch Sprengstoff (26.06.09)

      Desinformation in der 'Badischen Zeitung'
      Die Schweizer Endlager-Suche (18.06.09)

      Asse II: Strom-Konzerne drückten
      die Sicherheits-Standards (3.06.09)

      Asse II: Mehr radioaktiver Müll als vermutet
      Greenpeace findet Hinweise auf zu niedrige Angaben
      in den Inventar-Listen (7.05.09)

      Asse II: Einsturzgefahr in Kammer 7 akut
      (29.04.09)

      Asse II diente auch der Bundeswehr als Atomklo
      Endlager-Skandal nimmt immer neue Dimensionen an
      (24.04.09)

      Asse II: Auch Fässer mit Pestiziden,
      Arsen und Blei im "Versuchs-Endlager" Asse II (15.04.09)

      Versuchslager Asse II
      Wer hat den radioaktiven Müll produziert? (23.02.09)

      Lauge aus Atommüll-Lager Asse erneut nach 'Mariaglück'
      Dringend nötige Rückholung weiter verzögert (7.02.09)

      Einsturzgefahr im Atommüll-Lager Asse
      Seit Dezember nicht veröffentlicht (15.01.09)

      Demo gegen Schweizer
      Atom-Endlager in Benken (20.09.08)

      Asse II: Der Wechsel zum BfS ist nur Pop
      Rückholung des radioaktiven Mülls bislang nicht geplant
      (5.09.08)

      Gefahr durch atomares Versuchslager Asse II
      nicht länger geleugnet
      Atom-Minister Gabriel: "Zustände in Asse sind unhaltbar"
      Wird das Bergwerk geräumt? (2.09.08)

      Verdacht auf hochradioaktiven Müll im Versuchslager Asse II
      "Brennstäbe in Blechdosen" (29.07.08)

      Skandal-Grube Asse II
      Eindringendes Wasser radioaktiv kontaminiert (12.06.08)

      Endlager-Pläne in Ton zerbröseln
      Konsequenzen für Benken (Schweiz) und Bure (Frankreich)
      (4.01.08)

      Drohende Umweltkatastrophe durch Atom-Lagerstätte Asse
      Gabriel räumt Gefahren ein (21.11.07)

      Endlager-Wahnsinn (28.02.01)

      Das ungelöste Problem der Endlagerung
      Info-Serie Atomenergie - Folge 12