19.05.2014

Atommüll-Endlager-Kommission steht
Schlag gegen die Anti-AKW-Bewegung

Feigenblatt - Grafik: Samy
Berlin (LiZ). Nachdem bereits Mitte April der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) umgefallen war und einen der zwei von der Berliner Parteien-Politik angebotenen Sitze in der "Atommüll-Endlager-Kommission" an­genommen hat, kündigte nun auch der Verband 'Deutsche Umwelt­stiftung' die Solidarität auf und entsendet seinen Vorsitzenden Jörg Sommer in das Gremium. Nahezu alle Umwelt-Verbände und Anti-AKW-Initiativen in Deutschland kritisieren, daß dieses Gremium lediglich der nachträglichen Akzeptanzbeschaffung für den Standort Gorleben dient.

Das von "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" nach Geheimverhandlungen im Juni 2013 auf den Weg gebrachte "Standort-Auswahl-Gesetz" (Siehe unseren Artikel v. 14.06.13) sah zunächst die Einsetzung einer "Atommüll-Endlager-Kommission" bis zu einer Sondersitzung des Bundestages Anfang September 2013 vor. In dieser Kommission sind sage und schreibe zwei von insgesamt 33 Plätzen für VertreterInnen von Natur- und Umweltschutzorganisationen reserviert. Die übrigen Sitze gehen an PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen, Kirchen-, Gewerkschafts- und IndustrievertreterInnen. Noch im vergangenen August hatten es die großen Umwelt-Verbände Greenpeace, BUND und Robin Wood in Einklang mit den Anti-AKW-Initiativen abgelehnt, sich an der "Atommüll-Endlager-Kommission" zu beteiligen.

Am 13. April vollzog der BUND eine Kehrtwende und erklärte, doch seinen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Klaus Brunsmeier in das umstrittene Gremium zu entsenden. Noch am 10. April hatte die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, die seit Jahrzehnten eine besondere Rolle beim Widerstand gegen das Endlager-Projekt Gorleben spielt, erklärt, sie werde sich nicht für ein Spiel vereinnahmen lassen, "bei dem am Ende wieder Gorleben herauskommt." Und am 14. April bedauerte die BI den Schritt des BUND, mit dem dieser von der zuvor "gemeinsamen politischen Einschätzung abweicht, daß das bisherige Standort-Auswahl-Gesetz (StandAG) keine ausreichende Basis für eine Zusammenarbeit in der Atommüllfrage bietet."

Bereits am 14. April kam es auf einer Telefon-Konferenz, bei der einige Köpfe der Umweltverbände und Anti-AKW-Initiativen teilnahmen, zu einem weiteren Bruch: Udo Dettmann von der Initiative 'aufpASSEn' erklärte seinen Wunsch, ebenfalls einen Sitz in der "Atommüll-Endlager-Kommission" einzunehmen. Bei einem Treffen am 25. April mit nahezu gleichem TeilnehmerInnen-Kreis wiederholte Dettmann seinen Wunsch, wurde allerdings von keiner der vertretenen Organisationen unterstützt. Die überwiegende Mehrheit der Anwesenden teilte hingegen die Position, daß wenigstens der zweite Sitz in der "Atommüll-Endlager-Kommission" unbesetzt bleiben solle, wenn schon der BUND nicht zur Rücknahme seines Fehlverhaltens bewogen werden konnte. Die überwiegende Mehrheit der bei dem Treffen vertretenen Umweltverbände und Anti-AKW-Initiativen vertraten nach wie vor die Position, daß beide Sitze unbesetzt bleiben sollten. Dies sei nicht zuletzt eine Frage des Respekts vor dem unzweifelhaften Mehrheitsvotum der Basis.

Nun war allerdings die Anfrage des Deutschen Bundestages bezüglich der beiden fraglichen Kommissions-Sitze an den Deutschen Naturschutz Ring (DNR) als Dachverband der Umweltschutz-Organisationen gerichtet. Der DNR hatte zwar zugesagt, sich nicht über das Votum der Organisationen hinwegzusetzen, diese Zusage aber mit der Nominierung des BUND-Mitglieds Brunsmeier bereits gebrochen.

Bei dem Treffen am 25. April war auch das "S"PD-Mitglied Michael Müller, früherer Staatssekretär und gegenwärtiger Vorsitzender der Naturfreunde - eines "S"PD-nahen Umweltverbandes - anwesend. Von der Berliner Parteien-Politik war er neben Ursula Heinen-Esser von der "C"DU als Co-Vorsitzender der "Atommüll-Endlager-Kommission" nominiert worden. Michael Müller und Udo Dettmann waren auf jenem Treffen die einzigen, die sich für die Besetzung des zweiten Kommissions-Sitzes aussprachen. Müller präferierte dabei allerdings Jörg Sommer, Chef der 'Deutschen Umweltstiftung'. Im Beirat der 'Deutschen Umweltstiftung' sitzt übrigens das "S"PD-Mitglied Matthias Miersch - der auf einem der acht für Bundestagsabgeordnete reservierten Sitze in der "Atommüll-Endlager-Kommission" Platz nehmen wird. Und noch eine hübsche Personalie: Im Beirat der 'Deutschen Umweltstiftung' sitzt das "S"PD-Mitglied Kai Niebert, der zugleich die 'Naturfreunde' im DNR-Präsidium vertritt.

Nun nimmt also Jörg Sommer, "S"PD-Mitglied, den bislang unbesetzten Platz in der "Atommüll-Endlager-Kommission" ein. Das Gremium soll erstmals am 22. Mai tagen.

Schon aufgrund der Zusammensetzung ist gewährleistet, daß - im Gegensatz zur Mehrheit der Atomkraft-GegnerInnen in der Bevölkerung - die Gorleben-BefürworterInnen in der "Atommüll-Endlager-Kommission" die Mehrheit stellen. Bei nahezu allen im Folgenden namentlich genannten 33 Mitgliedern dieses Gremiums ist ihre Position zu Gorleben bekannt.

Als VertreterInnen der Parteien-Politik wurden die acht Bundestagsabgeordneten (2) Steffen Kanitz ("C"DU), (3) Andreas Jung ("C"DU), (4) Eckhard Pols ("C"DU), (5) Florian Oßner ("C"SU), (6) Matthias Miersch ("S"PD), (7) Ute Vogt ("S"PD), (8) Hubertus Zdebl (Linkspartei) und (9) Sylvia Kotting-Uhl (Pseudo-Grüne) nominiert.

Weitere acht Partei-PolitikerInnen bestimmte der Bundesrat: (10) Franz Untersteller (Pseudo-Grüne), "Umwelt"-Minister Baden-Württembergs, der die dortigen Atomkraftwerke als "sicher" bezeichnet, (11) Marcel Huber ("C"SU) aus Bayern, (12) Christian Pegel ("S"PD) aus Mecklenburg-Vorpommern, (13) Stefan Wenzel (Pseudo-Grüne) aus Niedersachsen, der schon im März 2013 sein Wahlversprechen zu Gorleben brach, (14) Garrelt Duin ("S"PD) aus Nordrhein-Westfalen, (15) Stanislaw Tillich ("C"DU) aus Sachsen, (16) Reiner Haseloff ("C"DU) aus Sachsen-Anhalt und (17) Robert Habeck (Pseudo-Grüne) aus Schleswig-Holstein.

Die von der Berliner Parteien-Politik als "Vertreter der Wissenschaft" ausgekungelten Personen bieten ein ganz besonderes Bild:

(18) Als erster zu nennen ist wohl Bruno Thomauske, Ex-Atommanager und Ex-Chef der Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel (und damals im Dienste des Strom-Konzerns Vattenfall). Vor dieser zweiten Karriere in der Privatwirtschaft war Thomauske beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für Gorleben, Schacht Konrad und Morsleben zuständig. In der "rot-grünen" Ära des Bundeskanzlers Gerhard Schröder war Thomauske für die Genehmigung der "Zwischenlager" an den AKW-Standorten verantwortlich - darunter auch das im AKW Brunsbüttel, das der Verwaltungsgerichtshof Schleswig kürzlich wegen eklatanter Sicherheitsdefizite für illegal erklärte, das aber mit Beihilfe des pseudo-grünen schleswig-holsteinischen Ministers Habeck weiter betrieben werden darf. Thomauske setzte sich 1997 über die Bedenken von Geologen hinweg und erzwang den weiteren als "Erkundung" deklarierten Ausbau des Salzstocks Gorleben. Nach eigenen Worten wurde Gorleben "sorgfältig ausgewählt" und ist als Atommüll-Endlager "fraglos geeignet". Weiter ist Thomauske Inhaber eines vom Atomenergie-Konzern RWE finanzierten Lehrstuhls an der Technischen Universität Aachen. Mit seiner Beratungsfirma erhielt Thomauske knapp eine Million Euro für seinen Beitrag zur "Vorläufigen Sicherheitsanalyse Gorleben". Außerdem ist er Präsidiumsmitglied des 'Deutschen Atomforums'.
(19) Auch Hubert Steinkemper ist kein Naturwissenschaftler, sondern ein Verwaltungsjurist aus dem Bundes-"Um­welt"-Ministerium, der für seine atomenergie-freundlichen Positionen bekannt ist.
(20) Hartmut Gaßner ist eben so wenig Naturwissenschaftler, sondern ein Rechtsanwalt, der im Regierungsauftrag unsichere "Zwischenlager" an den AKW-Standorten gegen AnwohnerInnen durchzusetzen half.
(21) Wolfram Kudla ist eben so wenig Naturwissenschaftler, sondern ein Bauingenieur, der ein Patent zum Verschluß von Stollen in Salzgestein hält.
(22) Armin Grunwald ist Institutsleiter am KIT, das unter seiner früheren Bezeichnung als 'Kernforschungszentrum Karlsruhe', das jahrzehntelang die Gefahren der Atomenergie herunterspielte, gigantische Mengen Atommüll produzierte, bedenkenlos verklappte oder im "Versuchs-Endlager" Asse II abkippen ließ, und noch heute Atom- und Militärforschung betreibt.
(23) Michael Sailer ist Chemiker, Geschäftsführer des "Öko-Instituts" und Vorsitzender der "Entsorgungskommission" des Bundes. Er hat bereits in den 1990er Jahren den Weg für die "Zwischenlager" an den AKW-Standorten bereitet und als Berater der "schwarz-gelben" Bundesregierung sowie als von der "C"DU/"C"SU-Fraktion benannter Sachverständiger intensiv am "Endlager-Suchgesetz" mitgearbeitet - das die "Atommüll-Endlager-Kommission" nun angeblich überprüfen soll. In der Vergangenheit sprach sich Sailer für CASTOR-Transporte nach Gorleben aus und plädierte für den Verbleib des Atommülls in dem vom Absaufen bedrohten "Versuchs-Endlager" Asse II.
(24) Ulrich Kleemann ist Geologe und pseudo-grüner Regierungspräsident in Koblenz.
(25) Detlef Appel ist ebenfalls Geologe und Mitglied des Ausschusses Endlagerung der "Entsorgungs-Kommission" des Bundes.

Nicht weniger einseitig ist das Bild, das sich bei der Auswahl der "Vertreter der Zivilgesellschaft" bietet:

Als "Vertreter der Wirtschaft" wurden vom Deutschen Bundestag und Bundesrat folgende beiden Personen bestimmt:
(26) Ralf Güldner, Präsident des 'Deutschen Atomforums' und Vize-Chef des Atomenergie-Konzerns E.on.
(27) Gerd Jäger, Präsidiumsmitglied des 'Deutschen Atomforums' und ehemaliger Vorstand des Atomenergie-Konzerns RWE.

Als "Vertreter der Gewerkschaften" wurden bestimmt:
(28) Erhard Ott ("S"PD), Leiter des für die Energiewirtschaft zuständigen Fachbereichs bei Ver.di.
(29) Edeltraut Glänzer ("S"PD), stellvertretende Vorsitzende der IG BCE, einer Gewerkschaft, die traditionell atomenergie-freundliche Positionen vertritt.

Als "Kirchenvertreter" wurden bestimmt:
(30) Georg Milbradt ("C"DU), ehemaliger Ministerpräsident von Sachsen.
(31) Ralf Meister, Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.

Und als "Vertreter der Umweltverbände" firmieren nun:
(32) Klaus Brunsmeier, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des BUND.
(33) Jörg Sommer, Vorsitzender der 'Deutschen Umweltstiftung'.

Angesichts dieses Personaltableaus und der Vorgeschichte des Gremiums (Siehe unseren Artikel v. 19.08.13) ist leicht vorherzusehen, welche Rolle Brunsmeier und Sommer in diesem Gremium - freiwillig oder unfreiwillig - spielen werden: die eines Feigenblattes.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unseren Artikel:

      BUND fällt um
      Teilnahme an Atommüll-Endlager-Kommission (13.04.14)

      Asse II darf absaufen
      Hendricks outet sich als Atom-Ministerin
      in der Nachfolge von Franz Josef Strauß (4.03.14)

      "Das geht gar nicht"?
      Eine Antwort auf Kotting-Uhls "Einladung" (4.02.14)

      Greenpeace, BUND und Robin Wood nehmen
      an Endlager-Kommission nicht teil (19.08.13)

      Gericht verwirft Genehmigung
      für Zwischenlager am AKW Brunsbüttel
      Endlager-Such-Gesetz obsolet
      Stop aller 9 Atom-Reaktoren in Deutschland? (19.06.13)

      "Schwarz-Rot-Gelb-Grün" einigt sich
      auf Endlager-Such-Gesetz
      Ziel bleibt Gorleben (14.06.13)

      "Nein Danke" zu Altmaiers Einladung
      Anti-AKW-Gruppen lehnen
      Perversion der Bürgerbeteiligung ab (29.05.13)

      Atommüll im Ärmelkanal
      und in den Weltmeeren (11.04.13)

      Niedersachsen: "Rot-Grün" bricht
      Wahlversprechen zu Gorleben (25.03.13)

      "Rot-Grün" in Niedersachsen
      Ist das "Nein" zu Gorleben glaubwürdig? (8.02.13)

      Niedersachsen bleibt schwarz
      Kein Lichtblick für Gorleben (20.01.13)

      Das ungelöste Problem der Endlagerung
      Info-Serie Atomenergie - Folge 12