14.06.2011

Studie: AKW Fessenheim
nicht ausreichend gegen Dammbruch gesichert

AKW Fessenheim Colmar (LiZ). Eine Studie, die im Auftrag der regionalen Überwachungskommission und des Regionalrates in Colmar erstellt wurde, kommt zum Ergebnis, daß das an der deutschen Grenze gelegene AKW Fessenheim nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist. Sie bestätigt damit eines der von der Umwelt- und der Anti-Atom-Bewegung dies- und jenseits des Rheins seit Jahren vorgebrachten Argumente.

Der Betreiber des elsässischen Atomkraftwerks, der französische Energie-Konzern EdF, hatte bislang immer behauptet, das AKW sei gegen Überflutungen in Folge eines Dammbruches geschützt. Doch laut einer TV-Dokumentation auf 'France 2' hielt der Konzern einen internen Bericht zurück, in dem katastrophale Untersuchungsergebnisse über den Zustand des Rheinseitenkanals zu lesen sind. Nun wäre es allerdings auch überraschend, wenn dem französischen Energie-Konzern Transparenz und Anlagensicherheit wichtiger wären als etwa dem japanischen AKW-Betreiber TEPCO.

Das AKW Fessenheim mit seinen beiden Druckwasser-Reaktoren à 880 Megawatt wurde direkt am Rheinseitenkanal erbaut, um so letztlich dem Rhein die gigantische Abwärme in Höhe von rund zwei Drittel der Gesamtenergieerzeugung aufzubürden. Bei einem Erdbeben können laut Studie die Betonplatten des Rheinseitenkanals brechen. Da der Wasserspiegel des Kanals über dem des AKW-Geländes liegt, können in der Folge 480 Kubikmeter Wasser in der Sekunde auslaufen. Diese Menge würde ausreichen, um das Gelände rund um die Reaktoren innerhalb von acht bis neun Stunden einen Meter hoch zu überfluten.

Die Ergebnisse der Studie wurden vorab durch die elsässische Tageszeitung 'L'Alsace' veröffentlicht. Der Leiter der Abteilung Umwelt beim Generalrat in Colmar, Georges Walter, erklärte laut 'L'Alsace', daß es in Anbetracht der Länge des Kanals eine Vielzahl von möglichen Bruchstellen der Betonplatten geben könne. "Bei einem Erdbeben würden sie Sand und Wasser durchlassen, eine größere Öffnung auswaschen und so zum Dammbruch führen."

Ende Juni wird die französische Atomaufsicht ASN ihr Votum über die beantragte Verlängerung der Laufzeit des AKW um weitere zehn Jahre bekannt geben. Bereits in der vergangenen Woche veröffentlichte die ASN im Jahresbericht eine zufriedenstellende Einschätzung des Zustandes und ordnete das Atomkraftwerk im Mittelfeld der 19 französischen AKW (mit insgesamt 58 Reaktoren) ein.

Obwohl die französischen Atomkraftwerke offiziell als sicher bezeichnet werden, ist nicht abzustreiten, daß es etwa im AKW Cattenom im August 1986 zu einer kritischen Situation kam, als es bei einem Hochwasser der Mosel überflutet wurde. Im Dezember 1999 drang bei einem Hochwasser der Gironde Wasser ins AKW Blayais ein und überflutete wichtige Anlagenteile. Spätere Analysen des Unfall-Hergangs zeigten, daß ein Zusammenbruch der Stromversorgung kurz bevor stand. Das AKW nahe Bordeaux war nur knapp einem schweren Unglück entgangen. Für die Anti-Atom-Bewegung stellt sich die Frage, warum die Folgen eines Bruchs des Rheinseitenkanals erst jetzt - 33 Jahre nach Betriebsbeginn - untersucht wurden. Daß das dahinter liegende Gelände bei einem Dammbruch überflutet wird, ist längst bekannt. Neben der ebenfalls bekannten hohen Zahl von sogenannten Störfällen, weist die Anti-Atom-Bewegung seit Jahren auf eine Vielzahl weiterer Probleme hin.

Die Reaktoren des AKW Fessenheim gingen im April und Oktober 1977 in Betrieb und sind lediglich für eine Laufzeit von 25 Jahren ausgelegt. Sie hätten wegen der Versprödung der Reaktordruckbehälter spätestens im Jahr 2002 stillgelegt werden müssen. Auch die Statik des Gebäudes und die Festigkeit der nachträglich verstärkten Betonbodenplatte ist nach offiziellen Angaben lediglich für Erdbeben einer Stärke von maximal 6,7 auf der Richterskala ausgelegt. Hierbei ist allerdings offen, welche zusätzlichen Annahmen über die Entfernung des Epizentrum eines solchen Erdbebens Einfluß auf die Maßgaben etwa für die Stärke des Betonfundaments hatten. Bekanntlich wurde im Jahr 1356 die nahegelegene Schweizer Stadt Basel bei einem Erdbeben, das auf eine Stärke von 6,5 auf der Richterskala geschätzt wird, weitgehend zerstört.

Die Betonhülle des Containments besteht aus nur 80 Zentimenter dickem Spannbeton und könnte dem gezielten Absturz eines Cessna-Kleinflugzeugs nicht standhalten, geschweige denn dem eines gekaperten Linienflugzeugs nach Vorbild des 11. September 2001.

Bereits im Herbst 1979 wurden durch die Aussagen eines vormaliger Sicherheits-Ingenieurs Risse an den Stutzen des Reaktordruckbehälters von Block I bekannt. In den Jahren 1991 und 1996 kam zu Tage, daß sich in den Deckeln der Reaktordruckbehälter Risse gebildet hatten. Die jeweils 54 Tonnen schweren Deckel wurden ausgetauscht. Doch die Reaktordruckbehälter können nicht ausgetauscht werden.

In jedem Atomkraftwerk wird jährlich pro Megawatt elektrischer Leistung die Radioaktivität einer Hiroshima-Bombe erzeugt. Umgerechnet auf die beiden Reaktorblöcke des AKW Fessenheim bedeutet dies, daß dort in jedem Betriebsjahr die kurz- und langlebige Radioaktivität von 1.760 Hiroshima-Bomben entsteht. Die Freisetzung auch nur eines geringen Teils dieser Radioaktivität hätte verheerende Folgen für alles Leben in der gesamten Region. Als Folge einer Reaktorkatastrophe kann bei der meist vorherrschenden Windrichtung ein Territorium bis in den Raum Nürnberg-Würzburg für Jahrzehnte unbewohnbar werden.

Katastrophen-Gebiet bei Super-GAU im AKW Fessenheim

Seit vielen Jahren setzen sich Umwelt- und Anti-Atom-Bewegung im Dreyeckland, der Region im Dreiländereck Frankreichs, Deutschlands und der Schweiz, für die Stilllegung des AKW Fessenheim ein. Es handelt sich um das älteste Atomkraftwerk Frankreichs. Doch bereits 1979 hat der Super-Gau im US-amerikanischen AKW Harrisburg (offiziell: Three Mile Island) bewiesen, daß auch ein nur wenige Monate altes AKW nicht sicher ist.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      "Panne" im AKW Fessenheim
      fünf Tage verspätet bekanntgegeben
      Radioaktivität ausgetreten (7.04.11)

      Reihe schwerer Sicherheitsmängel
      in französischen AKW (22.02.11)

      Erhöhtes Risiko im AKW Fessenheim
      20 Prozent Meßungenauigkeit bei Druck-Sensor (4.02.11)

      Schrott-AKW Tricastin
      ASN verlängert Laufzeit um 10 Jahre (6.12.10)

      AKW Flamanville
      Dach eingestürzt (5.12.10)

      AKW Fessenheim: Kurzschluß
      Automatische Abschaltung von Block I (20.10.10)

      Radioaktives Cäsium im Kanal
      beim AKW Fessenheim (14.10.10)

      Radioaktive Wolke aus AKW Fessenheim
      erst nach über einem Monat publik (26.09.10)

      Rheinerwärmung durch AKW Fessenheim
      Gastbeitrag von Axel Mayer (16.07.10)

      Brand im AKW Fessenheim
      Keine Nachricht in deutschen Mainstream-Medien
      (15.07.10)

      Frankreich: Laufzeitverlängerung auf 40 Jahre
      kostet 600 Millionen Euro pro Reaktor
      AKW Fessenheim bis 2017? (27.06.10)

      "Störung" im AKW Fessenheim
      im Dezember gravierender als bislang bekannt (23.02.10)

      "Störung" im AKW Fessenheim
      Reaktor konnte nicht hochgefahren werden (27.12.09)

      AKW Fessenheim
      30 Jahre tödliche Gefahr

      Atomenergie in Frankreich
      Folge 11 der Info-Serie Atomenergie