23.09.2011

Nuklear-Nomade im AKW Fessenheim verstrahlt
Krebs bei 1.600 Euro im Monat?

AKW Fessenheim Colmar (LiZ). Im AKW Fessenheim ereignete sich mal wieder eine "Panne". Bei Arbeiten im Rahmen der Zehnjahres-Revision von Reaktor-Block II wurde ein Mitarbeiter eines Subunternehmens, ein "Nuklear-Nomade", verstrahlt. Hierbei handelt es sich um Arbeitskräfte, die oft nur drei Wochen in einem AKW beschäftigt sind und dann weiter zum nächsten ziehen, oft um schlecht ausgebildete Zeitarbeiter, die für 1.600 Euro im Monat arbeiten und deren Einsatzorte nicht lückenlos dokumentiert werden.

Zur Zeit sind beide Reaktoren des AKW Fessenheim abgeschaltet, da Reaktor I mit neuen Brennelementen bestückt wird. Alle achtzehn Monate müssen die Brennelemente eines AKW ausgewechselt werden. Laut offizieller Auskunft ereignete sich der Unfall beim Aufbau eines Gerüsts in einem Hilfsgebäude des abgeschalteten Reaktors II. Daß der betroffene Mitarbeiter beim Aufbau eines Gerüsts radioaktiv kontaminiert wurde, ergab sich angeblich bei einer Kontrolle, als er das AKW Fessenheim verlassen wollte. Laut offizieller Verlautbarung habe eine Untersuchung ergeben, daß die Person eine "leichte Verstrahlung unterhalb der Jahresdosis" erlitten hat. Erschwerend kommt hinzu, daß es sich offenbar um eine "innere Verstrahlung" handelte, daß also vermutlich radioaktive Teilchen in die Lunge gelangten. Weiter hieß es, bereits einen Tag nach dem Vorfall sei keine radioaktive Belastung bei der betroffenen Person mehr festgestellt worden. Dieser Hinweis ist jedoch wenig aussagekräftig, da eingeatmete Alpha-Strahler nicht von außen detektiert werden können und daher keine Schlußfolgerungen über das bestehende Krebs-Risiko möglich sind.

In der Strahlenmedizin wird streng zwischen Strahlenbelastung und Kontamination unterschieden. Von Strahlenbelastung ist die Rede, wenn ein Arbeiter mit einer radioaktiven Quelle konfrontiert wird. Die akute Gefahr verschwindet, wenn er sich von der Quelle entfernt. Der erlittene Schaden hängt von der Intensität und Dauer der Bestrahlung ab. Um eine Kontamination handelt es sich dagegen, wenn radioaktive Teilchen, etwa radioaktiver Staub, an die Haut des Arbeiters gelangt, wenn solcher Staub von ihm eingeatmet oder verschluckt wird. In diesem Falle strahlen die Teilchen im Körper des Betroffenen weiter.

Gewerkschafts-VertreterInnen kritisierten, daß die Beschäftigten von Subunternehmen größeren Risiken ausgesetzt werden. In den vergangenen zehn Jahren hat sich im Zuge der Liberalisierung die Zahl der "Nuklear-Nomaden", die zeitweilig in Atomkraftwerken eingesetzt werden, vervielfacht. Dennoch bekommen diese Arbeitskräfte laut einer unabhängigen deutschen Studie fast 90 Prozent der Strahlendosis ab, während die Stammbelegschaft lediglich mit etwas mehr als zehn Prozent belastet wird. So sind berufsbedingte Krebsfälle, die oft mit vielen Jahren Zeitverzögerung auftreten, nur noch schwer zuzuordnen. Gar nicht mehr rekonstruierbar sind Fälle, bei denen die Firma, für die ein Leiharbeiter in der betreffenden Zeit arbeitete, Konkurs gegangen ist. Nicht selten kommt es vor, daß eine Personal-Akte dann nicht mehr auffindbar ist.

Und oft vergehen mehr als zehn Jahre nach einem verdächtigen Vorfall, der für eine spätere Krebserkrankung ursächlich seit könnte. In Frankreich ist dies fatal, denn die zivilrechtliche Haftung bei Nuklearfällen wird von Regeln bestimmt, die von den allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsregeln abweichen. Gemäß Artikel 15 des einschlägigen Gesetzes aus dem Jahr 1968 verjähren Ansprüche auf Schadenersatz nach zehn Jahren.

In Deutschland sind insgesamt rund 67.000 Beschäftigte beruflich radioaktiver Strahlung ausgesetzt und besitzen einen Strahlenpaß. Darunter zählen insbesondere die in AKW eingesetzten Leiharbeitskräfte und das Prüfpersonal während der Revision eines AKW. Deren Zahl in Deutschland wird auf rund 24.000 Personen geschätzt.

 

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Anmerkungen

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