18.10.2016

Stilllegung des AKW Fessenheim?
Eine Falschmeldung in den Mainstream-Medien

AKW Fessenheim
D/F (LiZ). In den Mainstream-Medien wird heute aufgrund einer dpa-Falschmeldung die "Stilllegung" des elsässischen AKW Fessenheim verkündet. Tatsächlich jedoch hat die französische Atomaufsicht ASN lediglich die vorläufige Abschaltung verfügt.

Die Verfügung der ASN betrifft aktuell fünf französische Atom-Reaktoren: Reaktor I des AKW Fessenheim, Reaktor I des AKW Civeaux im westfranzösischen Département Vienne, einen Reaktor im nordfranzösischen AKW Gravelines sowie zwei weitere im südostfranzösischen Kraftwerk Tricastin. Block II des AKW Fessenheim ist bereits seit Mitte Juni abgeschaltet.

Die Abschaltung sei notwendig, um die Funktionstüchtigkeit mehrerer Dampferzeuger zu kontrollieren, teilte die ASN am Dienstagabend mit. Die Überprüfung müsse innerhalb von drei Monaten stattfinden. In ganz Frankreich müssen demnach sieben weitere Reaktoren überprüft werden. Diese sind allerdings bereits wegen planmäßiger Kontrollen abgeschaltet. Die ASN hatte - nach dem Abschalten von Block II des AKW Fessenheim wegen einer routinemäßigen Revision - am 20. Juli für diesen Block eine Abschalt-Verfügung erlassen.

Schon vor zwei Tagen geisterten falsche Aussagen durch die Medienlandschaft: Die Südwestpresse hatte in einem Artikel geschrieben, es sei "nicht klar", ob ein Dampferzeuger von Block II des AKW Fessenheim "nicht den von der ASN vorgegebenen Anforderungen entspricht". Doch genau dies ist klar, denn hierauf beruht die Verfügung vom 20. Juli.

Zudem hieß es irreführend in diesem SWP-Artikel - wie so oft in den vergangenen Jahren in Hinblick auf die Stilllegung des AKW Fessenheim: "Zuletzt war 2018 als Termin im Gespräch." Das vorangegangene mediale Bohei drehte sich aber um die - nicht zu widerlegende - Aussage des pseudo-grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann nach dessen Paris-Visite: "Das AKW Fessenheim wird stillgelegt". Kretschmann hatte jedoch gerade keine Termin-Festlegung in Paris erreicht.

Es existiert allerdings ein Termin: 2037. Dieses Jahr ergibt sich aus dem öffentlich bekundeten Willen des Atom-Konzerns EdF, 60 Jahre Laufzeit für die französischen Atom-Reaktoren hinzubekommen. Das älteste französische Atomkraftwerk, das AKW Fessenheim mit seinen zwei Reaktoren ging 1977 in Betrieb. Höchstwahrscheinlich wird sich jedoch vor 2037 der nächste Super-GAU in einem der weltweit über 400 in Betrieb befindlichen Atom-Reaktoren ereignen.

Hintergrund für die Abschalt-Verfügungen der ASN sind gefälschte Sicherheits-Zertifikate der Areva-Schmiede Creusot Forge. Nachdem im April 2015 gravierende Mängel im Stahl an dem bereits eingebauten Reaktordruckbehälter des im Bau befindlichen EPR-Reaktors am Standort des AKW Flamanville bekannt geworden waren (Siehe hierzu unseren Artikel v. 8.04.15), kam in den darauffolgenden Monaten nach und nach heraus, daß Sicherheits-Zertifikate über die Materialeigenschaften von Creusot Forge gefälscht worden waren. Und bei den weiteren Kontrollen kam zutage, daß die Areva-Schmiede Creusot Forge eine ganze Reihe von Auflagen bei der Produktion mißachtet hatte.

Ob die Abschalt-Verfügungen der ASN nur "vorübergehend" sind, wie es heute in einem Teil der deutschen Mainstream-Medien, die sich unkritisch bei der dpa-Meldung bedienten, heißt, ist keineswegs sicher. Die EdF wird über die gut funktionierenden Verbindungen innerhalb der französischen "Kernkraft-Kirche" den in den vergangenen Jahrzehnten meist erfolgreichen Druck auf die mit der Prüfung betrauten ASN-MitarbeiterInnen ausüben. Hier besteht ein gewisser Spielraum zu tricksen und mithilfe von Tests der beanstandeten Teile, nachträglich diesen die Zulassung zu erteilen. Doch wenn die Dampferzeuger allzu offensichtlich weit von den Normen entfernt sind, wird es eng für die EdF. Dann wird vielleicht aus dem "vorläufig" ein "endgültig". Und nur dann könnte aus einer Abschaltung eine Stilllegung werden.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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