7.01.2014

Folgen von Fukushima:
Krebs bei US-SoldatInnen

Fukushima fallout, März 2012
Washington (LiZ). Im März 2011 half die Besatzung eines US-amerikanischen Flugzeugträgers in den Gewässern vor dem zerstörten AKW Fukushima Daiichi. Die 24-jährige Marinesoldatin Lindsay Cooper berichtet von Schnee mit metallischem Geschmack, der vom Himmel fiel.

Cooper half dabei, Hubschrauber des Flugzeugträgers USS Ronald Reagan mit Hilfsgütern zu beladen. "Auf einmal spürten wir einen warmen Windstoß," berichtet sie. "Dann begann es plötzlich zu schneien." Sie und andere SoldatInnen bemerkten einen metallischen Geschmack "wie Alufolie" im Mund. "Hey, das ist radioaktiver Schnee!" hätten sie noch gescherzt und Fotos und Videos gemacht. Sie erinnerten sich an alte Filmaufnahmen vom Atombombenabwurf auf Hiroshima und den japanischen Fischern, die darin von dem radioaktiven Schnee auf dem Meer berichteten.

Die 24-jährige Marinesoldatin und 70 weitere US-Marines leiden mittlerweile an massiven Gesundheitsproblemen: Leukämie, Hodenkrebs, Hirntumor und Blindheit, Blutungen der Fortpflanzungsorgane, Probleme mit der Schilddrüse und Polypen. Ein 22-jähriger US-Marine erblindete auf beiden Augen, nachdem sich in seinem Kopf ein Tumor entwickelte. Bei Lindsay Cooper schwollen zwei Wochen nach ihrer Rückkehr in die USA die Lymphknoten in ihrem Hals an. Im Juli versagte ihre Schilddrüse. In der Folge nahm sie innerhalb kurzer Zeit bis zu 30 Kilogramm zu und wieder ab. Zudem hat Cooper, die Mutter einer vierjährigen Tochter ist, erfahren, daß sie nicht mehr schwanger werden kann. Die meisten der Betroffenen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt. Die USS Ronald Reagan war zwar nicht das einzige US-Schiff, das an der Hilfs-Mission "Operation Tomodachi" vor Japan beteiligt war. Doch deren Besatzung traf es besonders schwer.

Der US-amerikanischen Flugzeugträger war im März 2011 aus den koreanischen Gewässern nach Japan beordert worden, um nach Erdbeben und Tsunami Erste Hilfe zu leisten. Zum Zeitpunkt der von Lindsay Cooper und anderen US-Marines beschriebenen Ereignisse lag der Flugzeugträger rund eineinhalb Kilometer vor der Küste Fukushimas. Nahrungsmittel und Medikamente wurden per Hubschrauber an Land gebracht. Auch einige Menschen seien aus dem Meer gerettet worden, wobei US-Marines in den vor der japanischen Küste radioaktiv kontaminierten Pazifik sprangen.

Doch bereits in den Tagen zuvor war der Flugzeugträger in radioaktiv kontaminiertem Wasser unterwegs, ohne daß die Besatzung dies ahnte. Auch der Kommandant wußte vermutlich nicht Bescheid, da er sich wie alle anderen mit dem Wasser aus der bordeigenen Entsazungsanlage versorgte. Das Meereswasser wurde angesaugt, entsalzt und danach als Trinkwasser und für die Sanitäranlagen genutzt.

Michael Sebourn war als zuständiger Offizier für Strahlung und Dekontaminierung zwar mit der Messung der Strahlung in der Luft beauftragt, kam aber offenbar erst zu spät zu dem erschreckenden Ergebnis: "Die radioaktive Strahlung war zeitweise 300-mal höher als der Richtwert," so Sebourn. Als der Kommandant USS Ronald Reagan die ernste Situation zur Kenntnis nahm, befahl er, das Schiff aus der Gefahrenzone zu manövrieren. Doch die radioaktive Wolke hatte sich bereits weit ausgebreitet.

Japan wollte das kontaminierte Schiff nicht in den Hafen lassen, ebenso Korea und Guam. Während zweieinhalb Monaten trieb der Flugzeugträger auf dem Wasser. In dieser Zeit zeigten sich bei den US-Marines erste Auswirkungen der Strahlung: Sie litten an starkem Durchfall. Endlich erteilte Thailand eine Anlege-Erlaubnis und die Besatzung konnte in die USA zurückkehren.

Der radioaktive Schnee, von dem Cooper und 70 weitere betroffene US-Marines berichten, bildete sich, als die warme Wolke aus den Reaktor-Ruinen auf kalte Luft über dem Pazifik traf. MitarbeiterInnen des Betreiber-Konzerns TEPCO hatten in den Tagen nach dem 11. März 2011 radioaktiven Dampf abgelassen, um den Druck in den Reaktoren zu verringern. Einige Male war es auch zu Knallgas-Explosionen gekommen, durch welche große Teile der Reaktor-Gebäude weggesprengt und so radioaktives Material und Gase freigesetzt wurden. Außerdem flossen gigantische Mengen radioaktiv kontaminiertes Kühlwasser in den Pazifik.

Zusammen mit 70 weitere betroffene US-Marines hat Lindsay Cooper den Betreiber-Konzern TEPCO verklagt. Dieser habe von den Gefahren der hohen Strahlung vor Ort gewußt, aber dennoch das US-Militär nicht informiert. "Die Leute von Tepco wußten, was dort los war," sagte Coopers Anwalt Paul C. Garner gegenüber der 'Navy Times'. "Der Tsunami wusch alles ins Meer hinaus, und der Flugzeugträger war mittendrin."

 

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Anmerkungen

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