23.05.2013

Atom-Müll aus KFZ Jülich
ab 1. Juli illegal im Zwischenlager

Brennstoffkugel für gasmoderierten Atom-Reaktor
Aachen (LiZ). Seit 20 Jahren ist bekannt, daß die Genehmigung zur Lagerung von Atom-Müll im Zwischenlager Jülich bis zum 30. Juni 2013 befristet ist. Dennoch wurde die Zeit vertan und nun ist nicht mehr zu vermeiden, daß die Lagerung des Atom-Mülls in 152 CASTOR-Behältern aus den Zeiten des Kernforschungs­zentrums Jülich im vorhandenen und völlig unzureichenden Zwischenlager ab dem 1. Juli illegal sein wird.

Über einen Antrag auf dreijährige Verlängerung der entsprechenden Genehmigung wird nicht mehr rechtzeitig vor dem 1. Juli entschieden werden können. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) sieht sich nicht in der Lage, die Verlängerung zu genehmigen, weil das bestehende Zwischenlager in mehrfacher Hinsicht und nicht zuletzt unter Sicherheitsaspekten völlig unzureichend ist.

Karsten Beneke, Mitglied des Vorstands des Forschungszentrums (FZJ) und damit mitverantwortlich für das Desaster, nahm auf der heutigen Sitzung des Jülicher Stadtrates Stellung: "Nach unserer Auffassung wird durch die Verzögerung ein rechtswidriger Zustand nicht eintreten." Er hofft offenbar auf einen juristischen Kniff: Das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium als Aufsichtsbehörde könne rechtzeitig vor dem 30. Juni vom Instrument der "Anordnung" Gebrauch machen - und eben anordnen, daß der Atom-Müll weiter an einer bestimmten Stelle aufbewahrt werden darf. Die "rot-grüne" NRW-Landesregierung unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wird damit gezwungen, Farbe zu bekennen - und nach dem zu urteilen, wie sie in Hinblick auf nordrhein-westfälische atompolitische Problemfelder wie etwa die UAA Gronau agiert hat, muß damit gerechnet werden, daß sie die gewünschte Anordnung vornehmen und zugleich hoffen wird, daß die Mainstream-Medien gnädig darüber hinwegsehen.

Die nordrhein-westfälische Landesregierung wird dabei auch über eine erst ein Jahr alte Vereinbarung im eigenen Koalitionsvertrag hinwegsehen, wonach die 152 CASTOR-Behälter “nur noch einmal transportiert werden – nämlich zu einem Endlager, wenn hierfür ein Standort gefunden ist”. Bekanntlich existiert aber bis heute weltweit kein Endlager für hochradioaktiven Müll. Und tatsächlich wäre es eine verantwortungsbewußte Politik, unnötige und riskante Atom-Müll-Transporte zu vermeiden. Wie gefährlich Transporte mit radioaktivem Material sind, zeigte nicht zuletzt die Beinahe-Katastrophe am 1. Mai, bei der Hamburg nur knapp einer Katastrophe entgangen war (siehe unseren Artikel v. 16.05.13)

Erneut weckte Beneke die Hoffnung, daß der Atom-Müll schon bald in die USA verschoben werden könne. Gespräche mit den dortigen Ansprechpartnern seien positiv verlaufen. Offenbar besteht in Jülich wenig Interesse, wenigstens für eine halbwegs sichere Aufbewahrung des Atom-Mülls zu sorgen und ein neues Zwischenlager zu bauen. Eine hierfür nötige Umweltverträglichkeitsprüfung am Standort Jülich wurde bislang gezielt verschleppt. Hinzu kommt, daß selbst bei einer verspäteten Genehmigung der 3-jährigen "Übergangs"-Frist, das neue Zwischenlager in dieser Zeit noch nicht planfestgestellt, geschweige denn gebaut wäre.

Vorstand und Aufsichtsrat des FZJ setzen offensichtlich alles auf die Karte USA. Die beim BfS eingereichten Unterklagen, denen es laut Urteil der Fachbehörde an "fachlicher Tiefe" mangelte, muß das FZJ nun nachbessern, um die gewünschte Fristverlängerung bis 2016 zu erlangen.

Atomkraft-GegnerInnen der Initiative "Westcastor" sind im Besitz von Informationen, aus denen hervorgeht, daß in den USA wenig Interesse daran besteht, den sehr speziellen Atom-Müll aus Deutschland anzunehmen. Aus dem für Atom-Müll-Importe zuständige US-Department of Energie (DOE) habe es Ende 2012 geheißen, ein Transport des Jülicher Atom-Mülls in die USA sei nicht geplant. Die Initiative “Westcastor” fordert daher vom zuständigen Bundes-Atom.Ministerium, “dafür zu sorgen, daß schnellst möglich eine gesetzeskonforme Lösung für die Jülicher Castoren herbei geführt wird und – statt der derzeitigen Taktiererei - die Voraussetzungen für den Bau einer neuen Zwischenlagerhalle in Jülich geschaffen werden”.

Faktisch würde mit einem Atom-Müll-Transport in die USA ein präjudizierender Fall geschaffen, der bisherige Aussagen, "deutscher Atommüll" werde in Deutschland gelagert, über den Haufen wirft. Noch zu Anfang des Jahres hatte Bundes-Atom-Minister Peter Altmaier beteuert, in seiner Amtszeit werde es keinen Export von Atommüll ins Ausland geben: "Das ist der größte Unsinn, den ich jemals gehört habe" (siehe unseren Artikel v. 4.01.13).

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Hamburg: Katastrophe nur
      knapp abgewendet (16.05.13)

      Atom-Müll aus KFZ Jülich
      soll in die USA (2.02.13)

      Atommüll-Zug in Südfrankreich entgleist
      Ziel möglicherweise Deutschland (22.01.13)

      "Schwarz-Gelb" schafft Grundlage für Atommüll-Export
      AtomkraftgegnerInnen kritisieren Dammbruch (4.01.13)

      Französische Regierung will Kernfusions-Reaktor
      15 Prozent mehr EU-Finanzmittel für Atomenergie
      (15.11.12)

      Forschungs-Reaktor Jülich
      Wohin mit dem Atom-Müll? (14.11.12)

      Bau-Stop in Gorleben
      Bürgerinitiative feiert Sensation (13.11.12)

      Greenpeace protestiert auf der Weser
      gegen Plutonium-Transport (24.09.12)

      Stilllegung des AKW Fessenheim
      Ende 2016? (21.09.12)

      Erneuter "Störfall" im AKW Fessenheim
      Gab es Verletzte? (5.09.12)

      Greenpeace fordert Stilllegung des AKW Cattenom
      Kritik an Stress-Tests (23.08.12)

      General Electric: Atomenergie zu teuer
      Das Ende des Atomenergie-Zeitalters (30.07.12)

      Gorleben: Atomarer Irrweg wird fortgesetzt
      Weitere CASTOR-Transporte angekündigt (7.06.12)

      Greenpeace-Aktivist landet
      auf Atomkraftwerk (2.05.12)

      Feuer im AKW Fessenheim
      Stilllegungung weiterhin ungewiß (25.04.12)

      65.000 für Atom-Ausstieg
      bei Internationaler Menschenkette im Rhônetal (11.03.12)

      Reaktor II des AKW Fessenheim
      wieder am Netz (7.03.12)

      Atomkraftwerke
      Kernschmelz-Risiko unterschätzt (1.03.12)

      Schaden im AKW Cattenom
      19 Tage lang verharmlost (6.02.12)

      25.000 bei Anti-Atom-Protesten in Frankreich
      Peinlicher Auftritt einer Präsidentschaftskandidatin
      (16.10.11)

      Nuklear-Nomade im AKW Fessenheim verstrahlt
      Krebs bei 1.600 Euro im Monat? (23.09.11)

      Brücken-Aktion am Rhein
      Forderung nach sofortiger Stilllegung
      des AKW Fessenheim (18.09.11)

      Explosion in Nuklear-Anlage Marcoule
      Ein Toter (12.09.11)

      Witz der Woche
      Der gleiche strenge Stress-Test... (10.08.11)

      AKW Fessenheim
      bekommt Persilschein (6.07.11)

      AKW Mühleberg abgeschaltet
      Schwere Vorwürfe gegen Schweizer Atom-Aufsicht ENSI
      (4.07.11)

      Menschenkette am AKW Fessenheim
      Für sofortige Stilllegung (27.06.11)

      Anne Lauvergeon, eine der härtesten
      Atomkraft-Kämpferinnen tritt ab (18.06.11)

      Studie: AKW Fessenheim nicht ausreichend
      gegen Dammbruch gesichert (14.06.11)

      "Panne" im AKW Fessenheim
      fünf Tage verspätet bekanntgegeben
      Radioaktivität ausgetreten (7.04.11)

      Brennelemente-Kugeln aus Jülich verschwunden
      Zusammenhang mit GKSS-Unfall? (3.04.11)

      Sarkozy und die Atombombe
      für Gaddafi (23.02.11)

      Reihe schwerer Sicherheitsmängel
      in französischen AKW (22.02.11)

      Erhöhtes Risiko im AKW Fessenheim
      20 Prozent Meßungenauigkeit bei Druck-Sensor (4.02.11)

      Schrott-AKW Tricastin
      ASN verlängert Laufzeit um 10 Jahre (6.12.10)

      AKW Flamanville
      Dach eingestürzt (5.12.10)

      AKW Fessenheim: Kurzschluß
      Automatische Abschaltung von Block I (20.10.10)

      Radioaktives Cäsium im Kanal
      beim AKW Fessenheim (14.10.10)

      Radioaktive Wolke aus AKW Fessenheim
      erst nach über einem Monat publik (26.09.10)

      Rheinerwärmung durch AKW Fessenheim
      Gastbeitrag von Axel Mayer (16.07.10)

      Brand im AKW Fessenheim
      Keine Nachricht in deutschen Mainstream-Medien
      (15.07.10)

      Frankreich: Laufzeitverlängerung auf 40 Jahre
      kostet 600 Millionen Euro pro Reaktor
      AKW Fessenheim bis 2017? (27.06.10)

      "Störung" im AKW Fessenheim
      im Dezember gravierender als bislang bekannt
      (23.02.10)

      Verbrecherische Menschenversuche
      bei französischen Atombomben-Tests (17.02.10)

      "Störung" im AKW Fessenheim
      Reaktor konnte nicht hochgefahren werden (27.12.09)

      Atomenergie verursacht Stromlücke
      in Frankreich (18.12.09)

      Notabschaltung im französischen AKW Cruas
      Hauptkühlsystem verstopft (2.12.09)

      Streit um die neue Atomkraftwerks-Linie EPR
      in Frankreich / Sicherheitsbehörden kritisieren
      elektronisches Steuerungs-System (3.11.09)

      AKW Fessenheim undicht
      13.000 Liter Diesel-Öl versickerten im Boden (29.10.09)

      Unverantwortlicher Umgang mit dem hochgiftigen
      Bombenstoff Plutonium (15.10.09)

      EU: Siemens an Kartell beteiligt
      Straffreiheit wegen Kooperation (7.10.09)

      Demo gegen Atomkraft
      mit 10.000 TeilnehmerInnen in Colmar
      Massive Behinderungen durch Polizei (4.10.09)

      Ende des finnischen AKW-Neubaus Olkiluoto?
      Areva droht mit Baustop (1.09.09)

      Der Rhein wird aufgeheizt
      AKW Fessenheim mit maßgeblichem Beitrag (30.06.09)

      Terrorziel Atomkraftwerk
      TV-Magazin 'Frontal21' veröffentlicht Geheimbericht
      (17.06.09)

      Erdbeben der Stärke 4,5 bei Steinen
      AKW Fessenheim nach wie vor unsicher (5.05.09)

      Euratom,
      Milliarden-Subventionen und die Bombe (22.04.09)

      IAEA: AKW Fessenheim
      entspricht nicht internationalen Standards (8.04.09)

      Greenpeace in Frankreich bespitzelt
      Kam der Auftrag von EdF? (1.04.09)

      AKW Fessenheim undicht
      Reaktor seit Samstag abgeschaltet (6.03.09)

      Siemens steigt bei Areva aus
      Ist das Atomkraftwerk-Modell EPR am Ende? (27.01.09)

      Renaissance der Atomenergie?
      Wo in aller Welt? (7.01.09)

      AKW Fessenheim für weitere Jahrzehnte?
      Versprecher oder Insider-Wissen? (4.12.08)

      Frankreichs Verbrechen auf Moruroa
      188 Atom-Bomben und die Folgen (29.09.08)

      EdF schluckt British Energy
      Wirtschaftliche Konzentration nimmt zu (24.09.08)

      Ein Leuchtturm
      mit waffenfähigem Uran (9.09.08)

      Prestigeobjekt als Rohrkrepierer
      Fortlaufende Pannen beim Bau
      des neuen EPR-Atomkraftwerks in Flamanville (27.08.08)

      Erneut Atom-Unfall in Frankreich
      100 Menschen radioaktiv kontaminiert (24.07.08)

      Erneut Atom-Unfall in Frankreich
      15 Menschen radioaktiv kontaminiert (22.07.08)

      Französische Atom-Industrie bleibt im Gespräch
      Erneute Leckage (18.07.08)

      Nach Unfall beim AKW Tricastin
      Überprüfung des Grundwassers bei französischen AKW
      (17.07.08)

      AKW Tricastin:
      Flüsse in Südfrankreich radioaktiv kontaminiert (8.07.08)

      1,5 Milliarden Zusatzkosten beim EPR-Atomkraftwerk
      Siemens blamiert sich
      mit "Vorzeige-Kraftwerk" Olkiluoto (30.03.08)

      Neues EPR-Atomkraftwerk
      kann durch Flugzeug-Attacke zerstört werden (26.03.08)

      AKW Fessenheim: Block 2 abgeschaltet
      Leck im Primärkreislauf (20.02.08)

      Erneut Leiharbeiter im AKW Fessenheim verstrahlt
      (27.11.07)

      DR Kongo: 18 Tonnen radioaktives Material
      im Mura-Fluß abgekippt
      Uran aus der Atombomben-Mine Shinkolobwe (7.11.07)

      AKW Fessenheim: Arbeiter
      vor vier Tagen "leicht verstrahlt"
      Informationen dürftig und zeitverzögert (27.10.07)

      Laufzeit AKW Fessenheim bis 2017?
      100-Millionen-Euro-Investition (3.10.07)

      Störfall im AKW Fessenheim verschwiegen
      Laut 'TV Südbaden' bereits Anfang August (31.08.07)

      Zwei Irre und die A-Bombe
      Sarkozy offeriert Gaddafi AKW als Eintritt in den Club
      (27.07.07)

      AKW Fessenheim mit schlechten Noten
      49 "Störfälle" im Jahr 2006
      Französische Atomaufsicht unzufrieden (5.07.07)

      AKW Fessenheim: 30 Jahre tödliche Gefahr (7.03.07)

      Der Anschlag auf Greenpeace
      Französischer Geheimdienst tötete 1985 einen Menschen
      beim Versenken der 'Rainbow Warrior'

      Der siamesische Zwilling: Atombombe
      Folge 4 der Info-Serie Atomenergie

      Atomenergie in Frankreich
      Folge 11 der Info-Serie Atomenergie