12.11.2011

Brennelemente-Tausch
Radioaktives Jod über AKW Gundremmingen

Kind vor AKW Biblis Ulm (LiZ). Das AKW Gundremmingen hat bei einem Brennelemente-Tausch während der Jahresrevision Radioaktivität mit einem Maximalwert von 1.470 Kilo-Becquerel pro Kubikmeter abgegeben. Die atomkritische ÄrztInnen-Organisation IPPNW warnt vor damit verursachten Krebs- und Leukämie-Fällen.

Das zwischen Ulm und Augsburg gelegene Atomkraftwerk Gundremmingen hat zu Beginn der Jahresrevision im September nach Angaben von IPPNW sehr viel mehr radioaktive Edelgase abgegeben als im Leistungsbetrieb. Demnach lag die Emissions-Konzentration vor der Revision in der Größenordnung von drei Kilo-Becquerel pro Kubikmeter (kBq/m3). Zu Beginn der Revision nahmen die Emissionen schlagartig in extremer Weise zu und erreichten am Spätnachmittag und Abend des 22. September eine Größenordnung von mehr als 700 kBq/m3 mit einem Maximalwert von 1.470 kBq/m3 um 17:30 Uhr. In den Folgetagen zwischen dem 23. und dem 29. September wurden mit durchschnittlich 106 kBq/m3 noch immer wesentlich mehr radioaktive Edelgase in die Umwelt abgegeben als im Leistungsbetrieb.

Um die Brennelemente in einem Atom-Reaktor austauschen zu können - ein kontinuierlicher Betrieb ist bei heute eingesetzten AKW-Typen nicht möglich - muß der Deckel des Reaktordruckbehälters geöffnet werden. Dabei entweichen neben radioaktivem Kohlenstoff weitere Radionuklide, wie Tritium, Jod-131, Cäsium-137 und radioaktive Edelgase. Bisher sind die Meßwerte der radioaktiven Partikel und der radioaktiven Edelgase lediglich in über längere Zeit gemittelten (also rechnerisch nivellierten) Werten veröffentlicht worden. Jetzt liegen erstmals ungemittelte Werte zur wissenschaftlichen Auswertung vor. Analysen der IPPNW und des Nürnberger Wissenschaftlers Alfred Körblein zeigen, wie dramatisch die Emissionen zu Beginn der diesjährigen Revision am AKW Gundremmingen angestiegen sind. "Im Maximum erreicht die Edelgaskonzentration das 500-fache des Normalwerts," erklärte Körblein.

Die IPPNW warnt vor den wahrscheinlichen gesundheitlichen Folgen solcher Emissionsspitzen. "Besonders gefährdet sind ungeborene Kinder im Mutterleib. Schwangere Frauen nehmen in den Betriebsphasen mit geöffnetem Reaktordruckgefäß mit der Atmung mehr radioaktive Nuklide auf als sonst," so Reinhold Thiel, Vorstandsmitglied der IPPNW. "Über die mütterliche Blutbahn und die Placenta gelangen dann die strahlenden Substanzen zum ungeborenen Kind." Bestimmte strahlensensible Gewebe des Embryos oder des Feten können in solchen Phasen laut Thiel geradezu radioaktiv "markiert" werden. Dazu gehören die embryonalen Stammzellen des blutbildenden Systems, was später zu Leukämie führen könne.

"Dies erklärt plausibel die Ergebnisse der 2007 veröffentlichten Kinderkrebsstudie des Mainzer Kinderkrebsregisters," so Thiel (siehe unseren Artikel v. 7.12.07). Die Studie hatte bewiesen, daß Kleinkinder, die in der Nähe von Atomkraftwerken wohnen, signifikant häufiger an Krebs und Leukämie erkranken, als vergleichbare Kleinkinder, die weiter von Atomkraftwerken entfernt wohnen.

Thiel fordert die Herausgabe ungemittelter Halbstundenwerte von allen deutschen Atomkraftwerken. Diese Daten werden bislang unter Verschluß gehalten. Nur bei deren Herausgabe werde eine vernünftige wissenschaftliche Auswertung zum Schutz insbesondere von Kindern ermöglicht. Thiel kritisiert: "Diese Werte wurden bisher von den Aufsichtsbehörden und den Atomkraftwerksbetreibern wie Betriebseigentum behandelt und trotz mehrfacher Nachfragen lediglich in gemittelter Form zur Verfügung gestellt."

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Kinderkrebs im Umkreis von Atomkraftwerken
      deutlich erhöht (4.08.11)

      Erhöhte Krebs-Rate
      um das "Versuchs-Endlager" Asse II (25.11.10)

      Neue wissenschaftliche Studie:
      AKW und tote weibliche Embryos (19.11.10)

      Hiroshima, Nagasaki und die Atomkraft
      - strahlende Folgen (8.07.09)

      Kinderkrebs auch am Standort
      des 1989 stillgelegten THTR Hamm-Uentrop? (25.04.08)

      Krebs-Häufung in der Nähe von AKWs
      Neue Studie im Auftrag des
      Bundesamtes für Strahlenschutz (7.12.07)

      Signifikant erhöhtes Leukämie-Risiko bei Atomkraftwerken
      Wissenschaftliche Studie über 136 AKWs (21.07.07)

      Bayerische AKWs rufen nachweislich
      Krebs bei Kindern hervor (14.02.01)

      Dokumentation der Orginalarbeit
      von Dr. Alfred Körblein (14.02.01)

      Die stille Katastrophe
      Info-Serie Atomenergie - Folge 8