20.06.2011

Lage in AKW Fort Calhoun
zunehmend bedrohlicher

AKW Fort Calhoun, Foto: www.cryptome.org, 18.06.2011 Lincoln (LiZ). Die Lage in dem vom anhaltenden Hochwasser des Missouri eingeschlossenen AKW Fort Calhoun wird zunehmend bedrohlicher. Nach Einschätzung der atomkritischen ÄrztInnen-Oganisation IPPNW könnten längst die "Kellerräume" des Atomkraftwerks geflutet sein, ohne daß dies der Öffentlichkeit mitgeteilt werde.

Auch deutsche und französische AKW zeigten sich in der Vergangenheit bei hohen Pegelständen von Rhein, Mosel und Gironde nicht ausreichend gegen eindringendes Wasser geschützt. Das US-amerikanischen Atomkraftwerk Fort Calhoun im US-Bundesstaat Nebraska ist zwar seit dem 9. April für Revisions-Arbeiten abgeschaltet, so daß die Nachzerfallswärme - anders als im Falle der Reaktoren des japanischen AKW Fukushima Daiichi - vergleichsweise gering ist. Dennoch kann beispielsweise in dem US-amerikanischen AKW infolge von Schäden an Pumpen die Kühlung der Brennelemente-Abklingbecken versagen und so erhebliche Mengen an Radioaktivität freigesetzt werden. Da die Nachrichtenlage sowohl in US-amerikanischen als auch europäischen Mainstream-Medien auf eine Nachrichtensperre im Falle des AKW Fort Calhoun hindeutet, ist nicht auszuschließen, daß das reguläre Kühlsystem im AKW Fort Calhoun längst nicht mehr funktioniert und die Kühlung der Brennelemente über Notfallmaßnahmen erfolgt.

Nach Einschätzung der ÄrztInnen-Oganisation IPPNW ist nicht auszuschließen, daß das extreme und anhaltende Hochwasser des Missouri aufgrund von Undichtigkeiten längst die "Kellerräume" des Atommeilers geflutet hat, in denen sich empfindliche Betriebs- und Sicherheitssysteme befinden. "Für Deutschland liegt die Aussage eines ehemaligen Siemens-Ingenieurs vor, wonach bei weitaus weniger dramatischen Hochwasserständen des Rhein regelmäßig Wasser in das Reaktorgebäude von Biblis eingedrungen ist," so IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz.

Auch aus Frankreich sind vergleichbare Fälle bekannt. Im AKW Cattenom an der Grenze zum Saarland kam es im August 1986 zu einer kritischen Situation, als es bei einem Hochwasser der Mosel überflutet wurde. Im Dezember 1999 drang bei einem Hochwasser der Gironde Wasser ins AKW Blayais ein und überflutete wichtige Anlagenteile. Spätere Analysen des Unfall-Hergangs zeigten, daß ein Zusammenbruch der Stromversorgung kurz bevor stand. Das AKW nahe Bordeaux war nur knapp einem schweren Unglück entgangen. Erst vor wenigen Tagen bestätigte eine von der regionalen Überwachungskommission und dem Regionalrat in Colmar in Auftrag gegebene Studie, daß das nur 24 Kilometer vom südbadischen Freiburg entfernt gelegene AKW Fessenheim nicht ausreichend gegen einen Dammbruch des Rheinseitenkanals geschützt ist.

Bereits jetzt steht im Falle des AKW Fort Calhoun zu befürchten, daß es aufgrund von Undichtigkeiten im Fundament zu Kontakt zwischen radioaktivem Kühlwasser und Flußwasser gekommen ist. "Man kann nicht ausschließen, daß es auf diese Weise zu radioaktiven Freisetzungen in den Missouri kommt. Da der Pegel des Flusses noch weiter ansteigen soll und weitere Dammbrüche möglich sind, könnte die Lage weiter eskalieren," so Paulitz.

Die IPPNW kritisiert, daß selbst zwei Wochen nach Beginn des Hochwassers weder die US-amerikanischen Behörden noch die deutsche Bundesregierung die Öffentlichkeit adäquat informieren. "Es ist immer wieder das gleiche Phänomen, daß Industrie und Behörden alles tun, um derartige Vorfälle zu vertuschen und herunterzuspielen," so Paulitz. Staaten und Atomindustrie seien viel zu sehr ineinander verstrickt und allein daher der erforderliche Schutz der Bevölkerung nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Mit Blick auf die derzeitige Diskussion um einen deutschen Atom-Ausstieg fragt Paulitz: "Der Umstand, daß Atomkraftwerke weltweit durch Hochwasserstände von Flüssen jederzeit bedroht sind, belegt die Unbeherrschbarkeit dieser Technik. Wie viele Unfälle und Beinahe-Unfälle braucht man eigentlich noch, um endlich die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen?"

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Studie: AKW Fessenheim
      nicht ausreichend gegen Dammbruch gesichert (14.06.11)

      Merkels "Atom-Ausstieg"
      Täuschungsversuch wie vor 11 Jahren
      Wie Kretschmann 2002 einen
      "politischen Selbstmord" überlebte (30.05.11)

      Notkühlfall in japanischem AKW
      Situation in Reaktor
      Fukushima Daiichi I spitzt sich zu (11.03.11)

      Reihe schwerer Sicherheitsmängel
      in französischen AKW (22.02.11)

      USA: Die Atom-Mafia steht über dem Gesetz
      Meldepflicht häufig ignoriert (1.04.11)

      Obama verspricht
      Bau neuer Atomkraftwerke in den USA (30.01.10)