15.10.2011

Dohle: Von der Roten Liste
zum Vogel des Jahres 2012

Dohle Berlin (LiZ). Allein in den Jahren zwischen 1960 und 1985 brach der Bestand der Dohle - der kleinsten Art der Gattung Rabenvögel - um über 80 Prozent ein. Seitdem ging es weiter abwärts. Nun wurde die intelligente und gesellige Vogelart zum "Vogel des Jahres 2012" gekürt.

In Deutschland gibt es nur noch rund 100.000 Dohlen-Paare. Die Dohle (Corvus monedula) sei eine der intelligentesten heimischen Vogelarten, erklärte Helmut Opitz Vizepräsident der Umweltschutz-Organisation NaBu bei der Bekanntgabe der Wahl zum "Vogel des Jahres 2012" in Berlin. Doch trotz ihrer Anpassungsfähigkeit sinken die Bestandszahlen der Dohle in den kritischen Bereich. Allein in den Jahres zwischen 1960 und 1985 brach der Bestand der Dohle um über 80 Prozent ein. In Mecklenburg-Vorpommern etwa steht die Dohle in der Roten Liste in der Kategorie 1 - der Bestand ist vom Aussterben bedroht.

1991 beherbergte Berlin noch 250 Brutpaare. Mittlerweile sind es nur noch höchstens 70. Auch das Anbringen von Nistkästen in ehemals von der Dohle besiedelten Stadtbereichen, vor allem im Bezirk Berlin-Mitte, brachte keine Besserung. Die Aussichten der Dohle blieben auch im "rot-rot" regierten Berlin tiefschwarz. Eine der letzten Berliner Dohlen-Kolonien ist am Rathaus von Köpenick zu beobachten. Wie lange noch, ist fraglich. In den vergangenen Jahren starben alle der aus den Eiern geschlüpften Dohlen noch bevor sie flügge wurden.

Auch in Baden-Württemberg steht die Dohle auf der Roten Liste. Der NaBu schätzt den Bestand im "Ländle" auf rund 1500 Brutpaare, die vor allem im Ostalbkreis, im Raum Bühl, der südlichen Ortenau sowie in Oberschwaben leben.

Der Ruf der Dohle klingt ähnlich wie "kjak" oder "schack". Doch der Vogel ist auch ein exzellenter Stimmenimitator. Er kann eine Vielzahl verschiedenster Geräusche von sich geben. Ein Teil davon ist angeboren. Die klangvollen, scharf-metallischen Gesänge dienen der Kontakthaltung untereinander, der Reviermarkierung und Partnerwahl. Andere Töne werden erlernt und richten sich nach den Umwelteinflüssen, unter denen der Vogel lebt. Sie werden genutzt, um die Stimme zu trainieren oder Artgenossen und andere Tiere zu täuschen. In Städten hört manch einer dann auf einmal sein Mobiltelefon klingeln obwohl gar keiner dran ist.

Die Dohle ist ein Allesfresser und läßt sich Insekten, Schnecken, Samen, Fallobst, Würmer, ja sogar Mäuse schmecken. Sie ist schwarz gefiedert, mit silbergrauer Nacken- und Wangenpartie, etwa taubengroß und hat einen kurzen Schnabel. Mit ihrem dunklen Gefieder fällt die Dohle wenig auf. Doch kaum scheint die Sonne, beginnt ihr Federkleid metallisch grün oder blau zu schillern. Corvus monedula lebt vorzugsweise in von Schwarzspechten aufgegebenen Höhlen in lichten Altholzbeständen, in Schluchten, auf Küstenklippen und als Kulturfolger mitten in der Stadt. Zur Brutzeit ist sie auf Mauerlöcher, Nischen und Spalten in Ruinen, Kirchtürmen oder Schornsteinen angewiesen. Dohlen sind sehr gesellige Vögel, sie haben außerhalb der Brutzeit gemeinsame Schlafplätze und bleiben ihrem Partner treu. Das Weibchen legt Ende März, Anfang April vier bis sieben bläuliche Eier, die innerhalb von 16 bis 19 Tagen ausgebrütet werden. In dieser Zeit versorgt das Männchen sein Weibchen mit Futter.

Eine der Ursachen für die sinkenden Bestandszahlen liegt laut NaBu in der zunehmenden Nistplatzknappheit durch Altbausanierungen, das Verschließen von Einflugöffnungen, Schornsteinabrissen und der Abholzung von Höhlenbäumen. Eine große Rolle spielt auch der allgemeine Lebensraumverlust durch die Intensivierung in der konventionellen Landwirtschaft und deren flächenhafter Einsatz von Pestiziden. Nicht zu unterschätzen sind zudem negative Tendenzen in der Forstwirtschaft (siehe unseren Artikel v. 21.09.11). Da wegen Wald-AIDS in den vergangenen Jahrzehnten das Risiko von Borkenkäfer-Epidemien und Pilzerkrankungen stark angestiegen ist, wird vermehrt Totholz aus den Wäldern ausgeräumt.

Neben politischem Einfluß und dem Durchsetzen einer Agrar-Wende - leider bleibt dies häufig im Zusammenhang mit dem Artenschutz ausgeblendet - gibt es auch Möglichkeiten von Eigeninitiative, auf die der NaBu hinweist und die nicht völlig wirkungslos sind: So kann das Aufhängen spezifischer Nistkästen von etwa jeweils 25 Zentimeter Länge, Breite und Höhe an Kirchen oder Altbauten die Not der Dohlen lindern. Im oberen Bereich der Vorderfront sollte ein Einschlupfloch von etwa 8 Zentimeter Durchmesser sein. Auch verschlossene Mauernischen dieser Größe mit einer solchen Öffnung werden gern von den Vögeln angenommen. Am besten wäre das Angebot mehrerer Nistmöglichkeiten an Ort und Stelle, da Dohlen gern gesellig leben. Durch ihre Ansiedlung werden Tauben aus dem Nistbereich verdrängt und die übliche Bekämpfung der Tauben würde sich erübrigen.

Mit der zunehmenden Innenstadtverdichtung wurden viele der kleinen Frei- und Grünflächen bebaut und dabei gingen wertvolle Nahrungsflächen nicht nur für die Dohlen verloren. Hier können sich die vorwiegend in Kolonien brütenden Dohlen gegen andere Nahrungskonkurrenten nur noch schwer durchsetzen. Um die Dohle etwa in Berlin zu erhalten, müßten große und naturnah gepflegte Freiflächen im Rahmen der Stadtentwicklung gesichert werden, wie sie zum Beispiel die Flughäfen Tegel und Tempelhof bieten. Hier können noch kleine, nach Nahrung suchende Dohlen-Trupps beobachtet werden, die ihren Nachwuchs in den umliegenden Brutplätzen versorgen.

Da der Mensch - gerade in Deutschland - die gesamte Fläche für sich beansprucht und hauptsächlich zur Steigerung der Profite umwandelt und nutzt, bleibt für andere Lebewesen immer weniger Lebensraum. Obwohl die Dohle relativ vielseitig in der Wahl ihrer Nistplätze ist - Baumhöhlen, Öffnungen und Nischen an Gebäuden sowie Schornsteine - sind ihre Ansprüche, gemessen an dem, was der Mensch übrig läßt, zu hoch. Moderne Heizungssysteme, völlig gedämmte Gebäudefassaden, Häuser aus Stahl und Glas und das häufig wegen der Verkehrssicherungspflicht schnelle Entfernen höhlenreicher Altbäume reduzieren das Brutplatzangebot. Auch das Anbringen von Nistkästen in ehemals von der Dohle besiedelten Stadtbereichen, auch in Berlin Mitte, brachte keine Besserung - wie selbst der NaBu einräumen muß. Wie das Beispiel der Dohle zeigt, kann Artenschutz nur mit Hilfe einer Demokratisierung jenseits der gegenwärtigen Parteien-Politik durchgesetzt werden.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Gartenrotschwanz bald ausgerottet
      Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)

      Erfolg der Bio-Landwirtschaft
      mit Artenvielfalt statt Pestiziden (5.07.10)

      Artenschutzkonferenz zündet nächste Stufe
      zur Zerstörung der Lebensgrundlagen (18.03.10)