23.04.2010

Griechenland pleite

Welcher Dominostein kippt als nächster?

Weltwirtschaftskrise Berlin (LiZ). Selten wurde ein deutscher Wirtschaftsminister schneller von der Realität eingeholt: Eben noch redete Rainer Brüderle im Bundestag die Eventualität einer Finanzhilfe für Griechenland klein. Die EU und der Internationale Währungsfond (IWF) stünden nur "dann bereit, wenn sich Griechenland nicht mehr selbst helfen kann, als Ultima Ratio. Bislang ist diese Situation nicht eingetreten". Eineinhalb Stunden später kam das Hilfegesuch aus Griechenland.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte gehofft, das unpopuläre Thema Griechenlandhilfe aus dem NRW-Wahlkampf heraushalten zu können. Wenigstens bis zum 19. Mai, bis die nächste Runde an Kreditzahlungen auf die griechische Regierung zukäme, sollte eine Politik der ruhigen Hand simuliert werden. Nun kann sie nur noch auf die Spitzenkandidatin der "S"PD, Hannelore Kraft, hoffen, die offenbar nicht ernsthaft daran interessiert ist, Ministerpräsidentin eines finanziell ausgebluteten Bundeslandes zu werden.

Das Hilfegesuch der griechischen "sozialistischen" Regierung unter Giorgos Papandreou traf heute bei der EU-Kommission und den IWF ein. Nach wochenlangem Zögern und verschärftem Sozialabbau will Papandreou nun die am Sonntag, 11. April, angebotene Milliardenhilfe annehmen. In einer dramatischen TV-Ansprache mit Metaphern aus Homers Odyssee sprach der griechische Regierungs-Chef von einer "nationalen Erfordernis". Tatsache ist hingegen, daß Vorgänger-Regierungen verschiedener Couleur Griechenland nicht zuletzt für gigantische Rüstungseinkäufe beim internationalen Kapital verpfändet haben.

Merkel versucht nun weiter, Standfestigkeit zu demonstrieren und Zeit zu gewinnen. Sie verwies heute auf den komplizierten Genehmigungsweg. Dies kann allerdings nichts mehr daran ändern, daß die zugesagten 45 Milliarden Euro ausbezahlt werden müssen. Der Druck, mit dem Griechenland zu weiterem Sozialabbau gezwungen werden könnte ist - zumindest vorerst - ausgereizt. Die spanische und die französische Regierung sagten bereits eine schnelle Abwicklung der Griechenlandhilfe zu.

Der Euro verlor gegenüber dem US-Dollar weiter an Boden und fiel zeitweise auf unter 1,32 US-Dollar. SpekulantInnen wetten auf einen Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung. Derweil gilt Portugal als nächster "Dominostein", der in Folge der sich vertiefenden Staatsverschuldung aller EU-Staaten von der Staatspleite bedroht ist. Spanien, Irland und Großbritannien stehen direkt dahinter.

 

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Anmerkungen

Siehe unsere Artikel zum Thema:

      Griechenland:
      Schuldenloch noch tiefer (22.04.10)

      Griechenland brennt
      EU-Feuerwehr mit 30 Milliarden Euro (11.04.10)

      Griechenland-Krise
      Sargnagel für die EU (9.04.10)

      Kein Aprilscherz:
      BRD-Verschuldung bei 1690 Milliarden Euro (1.04.10)

      Arbeitslosigkeit in Frankreich über 10 Prozent
      Höchster Stand seit 10 Jahren (4.03.10)

      Neue Verluste bei Fannie Mae
      15 Milliarden von US-Regierung (27.02.10)

      Weltwirtschaftskrise: US-Immobilienmarkt
      mit neuem Negativ-Rekord
      VW-Gewinn um 80 Prozent gesunken (26.02.10)

      Bankensterben in den USA
      greift weiter um sich (25.01.10)

      Das Fundament der Schweiz schwankt
      Konflikt mit USA um UBS bricht erneut auf (25.01.10)

      Rückgang im Güterverkehr um 11,7 Prozent
      Weltwirtschaftskrise trifft Güterbahn
      härter als LkW-Konkurrenz (21.01.10)

      Über 10 Prozent Rückgang beim BIP
      Weltwirtschaftskrise traf BRD 2009 schwer (14.01.10)

      Neue Schockwelle befürchtet
      Staatspleiten rücken näher (12.01.10)

      "Konsumkarneval mit nicht datiertem Aschermittwoch"
      Eine Analyse des Psychologen Stephan Grünewald
      (19.12.09)

      Weltwirtschaftskrise: Zahl der Insolvenzen
      in Deutschland nimmt zu, Produktion sinkt (8.12.09)

      Der Turmbau zu Dubai
      Offenbarungseid schickt Börsen weltweit auf Talfahrt
      (26.11.09)