21.04.2010

google und Zensur

Deutschland weit vorne

bunte Zensur-Schere Mountain View (LiZ). Der Betreiber der Internet-Suchmaschine 'google' gibt sich von nun an transparent: Auf einer Weltkarte (http://www.google.com/ governmentrequests/) wird ab jetzt angezeigt, wieviele Anfragen von staatlichen Stellen zur Löschung von Internet-Seiten und zur Herausgabe von NutzerInnen-Daten gestellt worden seien. Überprüfbar sind diese Angaben allerdings nicht. Deutschland wird damit ein düsteres Zensur-Zeugnis ausgestellt. Aus der BRD stammen demnach mehr Anfragen als aus dem gesamten Rest Europas.

China ist wegen dem Ausstieg 'googles' aus dem Land - vermutlich wegen eines Hacker-Angriffs auf Betriebsgeheimnisse - nicht von der neuen Zensur-Weltkarte erfaßt. Immerhin lassen sich Zahlen über die Anfragen aus insgesamt 47 Staaten nun miteinander vergleichen. Dementis der betroffenen Staaten wurden bislang nicht bekannt. Anzeigen lassen sich auf der Zensur-Weltkarte per Maus-Klick Daten aus dem Zeitraum Juli und Dezember 2009. Sie beziehen sich nicht allein auf die Suchmaschine, sondern auch auf andere 'google'-Angebote wie Youtube, Picasa und 'google mail'.

Bei Löschanfragen steht Deutschland laut 'google' mit insgesamt 188 auf dem zweiten Platz nach Brasilien (291). Auf Platz drei und vier folgen Indien (142) und die USA (123). In 94 Prozent der Fälle sei 'google' den Aufforderungen deutscher Behörden ganz oder teilweise nachgekommen. Allerdings spielte dabei - entgegen dem in den vergangenen Monaten in den Mainstream-Medien verbreiteten Anschein - Kinderpornographie laut 'google'-Sprecher Kay Oberbeck fast keine Rolle. Bei den Inhalten, deren Löschung in Deutschland beantragt wird, geht es laut Oberbeck häufig um rechtsradikales Gedankengut: Rechte Propaganda, Leugnung des Holocausts und Nazidevotionalien waren der Gegenstand von rund 11 Prozent aller Gesuche auf Entfernung von Inhalten. Weitere häufige Gründe seien Gewaltverherrlichung und Persönlichkeitsverletzungen. Auch Urheberrechtsverletzungen spielten laut Overbeck in diesem Zusammenhang fast keine Rolle.

'google' schlüsselt die Löschanfragen aus Deutschland wie folgt auf:

7 Blogger (gerichtliche Anordnungen wegen Rechtsverstößen)
3 Blogger (unspezifiziert)
4 google Suggest* (per Gerichtsbeschluß)
2 google Video (Sperrungen)
1 Bilder-Suche (wegen Verhinderung einer Bildsuche)
94 Web-Suche (per Gerichtsbeschluß)
4 Web-Suche (unspezifiziert)
3 YouTube (per Gerichtsbeschluß)
70 YouTube (unspezifiziert)

* bei google Suggest handelt es sich um die Wortvorgaben, die bei der Eingabe eines Suchbegriffs von 'google' automatisch eingeblendet werden.

'google' gibt nach eigener Darstellung auch Auskunft darüber, wie oft Regierungen Informationen über google-NutzerInnen eingeholt hätten ("data requests"). Auch hier führte Brasilien mit 3.663 Anfragen zu Informationen aus google-Nutzerkonten die Rangliste an, gefolgt von den USA mit 3.580 Anfragen und Großbritannien mit 1.166 Gesuchen. Deutschland belegte den siebten Platz mit 458 Anfragen.

'googles' Chef-Justiziar David Drummond schreibt in einem Blog-Eintrag, staatliche und gerichtliche Eingriffe im Internet nähmen derzeit rapide zu.. So sei es keine Überraschung, daß 'google' wie andere Technologiefirmen regelmäßig Anfragen von Regierungen zum Löschen von Inhalten erhalten. Die meisten Anfragen zur Sperrung oder Herausgabe von Daten seien durchaus legitim. 'google' gehe es mit dem neuen Werkzeug vor allem darum, die NutzerInnen besser zu informieren. "Wir glauben, daß größere Transparenz zu weniger Zensur führen wird."

Laut Daten der 'OpenNet Initiative' ist die Zahl der Regierungen weltweit, die Zensur im Internet ausüben, von insgesamt vier im Jahr 2002 auf mittlerweile 40 gestiegen ist.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Internet-Sperren und Cecilia Malmström
      Unfähig zur Diskussion (15.04.10)

      Internet-Zensur nun aus Brüssel?
      Vorwand Kinderpornographie und erschreckende
      Ignoranz gegenüber Sachargumenten (29.03.10)

      Internet-Sperren-Gesetz von der Leyens
      soll gestoppt werden (27.12.09)

      Demo "Freiheit statt Angst" in Berlin
      20.000 gegen Überwachungswahn (13.09.09)

      'aspekte'-Sendung mit Kritik an Internet-Sperren-Gesetz
      Ex-Bundesverfassungsrichter Hoffmann-Riem
      äußert schwerwiegende Bedenken (1.08.09)

      Internet - Kinderpornographie
      - Vorwand für politische Zensur
      Anhörung im Bundestag (4.06.09)

      Internet - Kinderpornographie
      - Vorwand für politische Zensur
      Regierung spricht von Gremium zur Kontrolle des BKA
      (26.05.09)

      Gegen politische Zensur des Internets
      Online-Petition gegen Internetsperre
      am ersten Tag mehr als 16.000 UnterzeichnerInnen
      (5.05.09)

      Mit Stop-Schild gegen Kinderpornos?
      Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur gegründet
      (17.04.09)

      Aufstehn für ein freies Internet
      CCC will "Zensursula" besuchen (16.04.09)

      wikileaks.de gesperrt
      Beginn der Internet-Zensur in Deutschland? (11.04.09)

      Hausdurchsuchung bei Inhaber der Domain wikileaks.de
      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      als Vorwand für politische Zensur (25.03.09)

      Aktionismus gegen Kinderpornographie
      zielt auf Zensur des Internets
      Im Visier ist das letzte Kommunikationsfeld
      für freie linke Nachrichten (1.02.09)