27.02.2012

Wikileaks blamiert Stratfor
Kommerz-Geheimdienst gehackt

stratfor hacked London (LiZ).
Wikileaks veröffentlicht eMails des US-amerikanischen Kommerz-Geheimdienstes Stratfor. Dieser verkauft sein von weltweit operierenden AgentInnen gesammeltes Herrschaftswissen zahlenden KundInnen in aller Welt. Heute begründete Wikileaks-Gründer Julian Assange die bereits am frühen morgen begonnenen Veröffentlichung: Sie zeige, wie die Geheimdienstarbeit "privatisiert und kommerzialisiert" wird.

Das in Texas beheimatete US-Unternehmen Stratfor wurde Weihnachten 2011 von HackerInnen der Gruppe 'Anonymous' heimgesucht, die damit laut eigenem Statement den "militärisch-industriellen Komplex" (Wortschöpfung von US-Präsident Eisenhower, 17. Januar 1961) bloßzustellen. Offenbar waren bei dieser Gelegenheit die rund 5 Millionen eMails erbeutet worden, die nun Wikileaks der Weltöffentlichkeit präsentiert. Assange wollte allerdings keine Auskunft geben, woher die Stratfor-eMail stammen. Er berief sich dabei auf den von Wikileaks generell praktizierten InformantInnen-Schutz.

Bei dem Angriff im vergangenen Dezember fielen 'Anonymous' auch die Daten von rund 20.000 AbonnentInnen der Stratfor-Geheimberichte in die Hände. Darunter befinden sich offenbar etliche öffentliche Einrichtungen, so daß auf diesem Wege nicht zuletzt europäische Steuergelder dazu verwendet werden, um am Ende die Interessen der US-Regierung zu fördern.

Julian Assange betonte, daß es sich bei Stratfor um eine private Firma handele, die als Geheimdienst für Regierungen, Militärs und Konzerne arbeitet und fernab jeder staatlichen Kontrolle gefährlicher als staatliche Geheimdienste wie CIA, BND oder MI6 sei. So produzierte Stratfor etwa für die US-Marine eine Vorhersage der geopolitischen Entwicklung der kommenden drei Jahre. Zutage kommen nun Überwachungs-Aktionen im Auftrag von Coca-Cola und Dow Chemical. So hatte der US-amerikanische Brause-Produzent die TierschützerInnen von Peta durch Stratfor ausspionieren lassen.

Assange trat auf der Medien-Konferenz in London zusammen mit Mike Bonano von den 'Yes Men' auf. Die 'Yes Men' hatten zum 20. Jahrestag des Chemieunglücks im indischen Bhopal 3. Dezember 1984 im Jahr 2004 eine fiktive Kampagne gestartet, in der sich der Verursacher, der Chemie-Konzern Dow Chemical, für das Leid der Bevölkerung entschuldigte und Geld in Aussicht stellte. Aus den nun von Wikileaks veröffentlichten Stratfor-eMails geht hervor, daß Mike Bonano von Stratfor im Auftrag von Dow Chemical bespitzelt wurde. Bonano prangerte das Ausmaß der privaten Überwachung an und wies auf weitere Firmen hin, die wie Stratfor als Kommerz-Geheimdienste agieren.

Auch Wikileaks sei im Fadenkreuz von Stratfor gewesen, behauptet Assange. Hierfür will er in den kommenden Tagen Beweise liefern. Laut Assange habe Stratfor auch Pläne verfolgt, einen eigenen Hedge-Fonds einzurichten und dabei die Insider-Informationen direkt zu Geld zu machen.

Die Qualität der von Stratfor versilberten Informationen steht allerdings laut Wikileaks zumindest nicht immer in Relation zu den geforderten Preisen. Zur Medien-Konferenz in London waren via Skype zwei Reporter der libanesischen Zeitung Al-Akhbar zugeschaltet. Diese werteten die Qualität einiger zur Prüfung vorgelegter Stratfor-Dossiers über den Nahen Osten als äußerst mangelhaft: Die meisten Stratfor-AgentInnen sprächen kein Arabisch und verließen sich beim Abfassen ihrer Berichte auf den "Übersetzungs"-Service eines bekannten Suchmaschinen-Anbieters.

Stratfort wollte die Authentizität der heute veröffentlichten eMails nicht bestätigen, verurteilte die Wikileaks-Aktion aber als "abscheulich".

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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      wurden Grundrechte verletzt (16.02.12)

      Größerer Widerstand gegen "Zensus 2011"
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      Max-Planck-Institut:
      Vorratsdatenspeicherung völlig ineffektiv (27.01.12)

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      Erfolg für Anonymous Mexico
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      CCC analysiert "Bundes-Trojaner"
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