28.12.2013

CCC-Kongress in Hamburg
Kampf gegen Geheimdienste

nichts zu verbergen
Hamburg (LiZ). Im Mittelpunkt des 30. CCC-Kongresses steht der Kampf gegen die Geheimdienste. Die Enthüllungen über die flächen­deckende Überwachung der weltweiten Kommunikation durch Geheimdienste und ihre Lakaien hat auch die Hacker-Gemeinde, die seit Jahren warnte, durch ihre gigantische Dimension überrascht. Über Video-Schaltungen sind Glenn Greenwald und Julian Assange auf dem Kongress präsent.

"Wir sind aus einem bösen Traum aufgewacht in einer Realität, die noch schlimmer ist," sagte Tim Pritlove vom Chaos Computer Club (CCC) in der Eröffnungs-Rede zum 30. Jahrestreffen. Er forderte die TeilnehmerInnen zum Widerstand gegen die staatliche Überwachung auf. Die Zahl der TeilnehmerInnen ist mit rund 8000 durch die Veröffentlichungen aus dem Fundus des Whistleblowers Edward Snowden im Vergleich zu den vergangenen Jahren noch einmal deutlich gestiegen. "Das ist Rekord," freut sich Constanze Kurz, eine der SprecherInnen des CCC. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie der gemeinsame Kampf gegen die Überwachung vorangetrieben werden kann. Wichtig ist aus Sicht der Hacker Verschlüsselung und Anonymisierung.

Vier Tage lang nimmt der CCC das Congress Center Hamburg in Beschlag. Vom 27. bis 30. Dezember 2013 unterstützen rund 500 freiwillige HelferInnen die Veranstaltung, helfen am Eingang, moderieren die rund 130 Vorträge an oder versehen diese gleich live mit Untertiteln für die Video-Übertragung ins Netz. Auf den Gängen des Congress Center Hamburg herrscht babylonische Sprachenvielfalt. Die Internet-Außenanbindung des 30. CCC-Kongresses (30C3) wird erstmalig die Rekordbandbreite von 100 GBit erreichen, die mit Hilfe von Sachspenden von Internet-Anbietern und Netzwerk-Ausrüstern realisiert werden soll.

Gestern hielt der mit Edward Snowden verbundene Journalist Glenn Greenwald per Video-Schaltung aus Brasilien eine vielbeachtete Rede. Wegen des starken Interesses an der "Keynote" mußte sie parallel in die beiden großen Sälen des Kongress-Zentrums übertragen werden. Als kleines Schmankerl erzählt Greenwald, daß ihm die Enthüllungen Snowdens fast entgangen wären, weil ihm die Software, mit der dieser seine eMails verschlüsselte, zunächst zu kompliziert war. Mittlerweile schäme er sich, wenn ihn heute JournalistInnen oder Hacker kontaktieren, die ihre eMails nicht verschlüsseln.

Greenwald forderte die ZuhörerInnen dazu auf, ihre Fähigkeit in den Dienst der Internet-Freiheit zu stellen und nicht für Geheimdienste zu arbeiten: "Es liegt in eurer Macht!" Er sprach auch von der abgeschotteten Situation, in der Snowden derzeit in Rußland leben muß: "Einige der größten Länder Europas haben von Snowdens Enthüllungen profitiert - aber ihre Regierungen tun nichts, um ihm zu helfen." Offenbar ist die Abhängigkeit von der US-Regierung zu groß. Greenwald appellierte an seine ZuhörerInnen, das Risiko des Widerstands und des Kampfes gegen die Geheimdienste realistisch zu sehen: "Es hat einen Preis, das zu tun. Edward Snowden hat einen hohen Preis dafür bezahlt, eure Rechte zu verteidigen, und er hat es dennoch getan."

Auch der Wikileaks-Mitbegründer Julian Assange wird per Video-Schaltung aus der ecuadorianischen Botschaft in London mit einem Vortrag präsent sein. Bekanntlich kann Assange die Botschaft, in die er sich wegen eines Gerichtsentscheid flüchten musste, seit mittlerweile 18 Monaten nicht verlassen. Ihm droht die Auslieferung nach Schweden und damit mittelbar die Abschiebung in die USA, wo er mit einer hohen Gefängnisstrafe rechnen muß. Sein Thema: Effektiver Widerstand gegen die Massenüberwachung.

Auf dem internationalen 30. CCC-Kongress stehen insgesamt rund 130 Vorträge auf dem Programm. Sie wurden erstmalig von mehreren ExpertInnen-Teams, die jeweils für einen inhaltlichen Schwerpunkt verantwortlich waren, aus mehr als 360 Einreichungen ausgewählt. Die Thmenschwerpunkte sind: Hardware & Making, Art & Beauty, Science & Engineering, Security & Safety sowie Politics, Ethics & Society. Ergänzt wird das Programm durch Workshop- und Junghacker-Angebote, welche im Vergleich zum Vorjahr noch stärker in den Fokus der Veranstaltung rücken sollen.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

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      Bundesweit Demos gegen Geheimdienst-Schnüffelei
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      Big Brother hört mit
      Hintertür per SIM-Karte (21.07.13)

      Microsoft half offenbar bei Schnüffelei
      und unterstützte NSA
      beim Umgehen von Verschlüsselungen (12.07.13)

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      Snowden: Britischer Geheimdienst GCHQ
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      "Anti-Terror-Datei"
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