3.02.2014

CCC erstattet Anzeige gegen Bundesregierung
wegen NSA-Schnüffelei

Best agreement between Merkel and USA - Collage: Samy
Berlin (LiZ). Daß die Merkel-Regierung über die NSA-Schnüffelei durchaus Bescheid wußte und nichts dagegen unternahm, ist mittlerweile offensichtlich. Deshalb erstattete heute der Chaos Computer Club (CCC) zusammen mit der Internationalen Liga für Menschenrechte und weiteren Bürgerrechtsgruppen Strafanzeige beim Generalbundesanwalt.

Die Anzeige richtet sich unter anderem gegen die Bundes­regierung und die deutschen Geheimdienste BND (Bundesnachrichtendienst), MAD (Militärischer Abschirmdienst) und "Verfassungsschutz". Die Bürgerrechtsgruppen werfen der kriminellen Vereinigung aus US-amerikanischen, britischen und deutschen Geheimdienst-AgentInnen und ihren Vorgesetzten wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière illegale geheimdienstliche Tätigkeiten sowie Beihilfe hierzu, Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs der BundesbürgerInnen und Strafvereitelung im Amt durch Duldung und Kooperation mit der US-amerikanischen NSA und dem britischen GCHQ vor.

Offenbar zielt die Anzeige darauf ab, den öffentlichen Druck gegen die Merkel-Regierung, die sich bislang lediglich durch Verlautbarungen und Nichtstun bei gleichzeitig demonstriertem freundschaftlichem Einvernehmen mit US-Außenminister John Kerry auszeichnet, zu erhöhen. Nach Monaten immer neuer Veröffentlichungen aus den durch den Whistleblower Edward Snowden erbeuteten Geheim-Dokumenten über flächendeckende Schnüffelei und offensive Angriffe auf informationstechnische Systeme besteht laut CCC längst Gewißheit darüber, daß in- und ausländische Geheimdienste in Deutschland illegal handelten.

Der CCC will außerdem erreichen, daß Generalbundesanwalt Harald Range endlich seine rechtsstaatliche Pflicht erfüllt und die längst überfälligen Ermittlungen aufnimmt. Die Verantwortlichen in den Geheimdiensten und in der Bundesregierung haben nach Überzeugung des CCC die verbotenen Tätigkeiten nicht nur geduldet, sondern aktiv und in erheblichem Umfang gefördert und somit Beihilfe geleistet. Die Anzeige bezieht sich auf die Verletzungen einschlägiger deutscher Rechtsnormen wie Paragraph 99 des StGB (verbotene geheimdienstliche Agententätigkeit), die Paragraphen 201 und Folgende des StGB (Verletzungen des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs) und Paragraph 258 StGB (Strafvereitelung), die vom Generalbundesanwalt von Amts wegen verfolgt werden müssen.

"Jeder Bundesbürger ist von der massenhaften geheim­dienstlichen Ausforschung seiner Kommunikationsdaten betroffen. Dagegen schützen ihn allerdings unsere Gesetze und bedrohen diejenigen mit Strafe, die eine solche Ausforschung zu verantworten haben. Entsprechend sind Ermittlungen des Generalbundesanwalts geboten, gar eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit. Es ist bedauerlich, daß gegen die Verantwortlichen und die Umstände ihrer Straftaten nicht längst ermittelt wurde," sagte heute Dr. Julius Mittenzwei, Jurist und langjähriges Mitglied des CCC.

Es sei nicht akzeptabel, daß die öffentlichen Stellen bislang kaum zur Aufklärung der geheimdienstlichen Machenschaften beigetragen haben, obwohl das Ausspähen vor aller Augen geschieht, etwa im sogenannten Dagger-Komplex und auf den August-Euler-Flugplatz bei Griesheim. Zusammen mit der Internationalen Liga für Menschenrechte e. V., digitalcourage e. V. und weiteren BürgerrechtlerInnen will der CCC durch die Ermittlungen mehr Informationen über die strafbaren Aktivitäten in- und ausländischer Geheimdienste ans Licht der Öffentlichkeit bringen und mit Hilfe der Behörden die Straftäter zur Strecke bringen.

Die Internationale Liga für Menschenrechte (ILMR) rief zudem BürgerInnen und Vereinigungen auf, sich der Strafanzeige anzuschließen, um sie so "öffentlichkeitswirksam zu unterstützen". Die Schwesterorganisationen in Frankreich und Belgien wollen dort vergleichbare Anzeigen erstatten. Sollten diese abgewiesen werden, könne ein solcher Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gebracht werden. ILMR-Vizepräsident Dr. Rolf Gössner sagte heute zu seiner Motivation, die Anzeige mit zu erstatten: "Dieser Schritt ist der Versuch, die allenthalben spürbare Ohnmacht angesichts der Überwachungsdimension und der täglichen Enthüllungen zu durchbrechen." Die politisch und strafrechtlich Mitverantwortlichen in Bundesregierung und Geheimdiensten müssten endlich ausfindig gemacht und zur Rechenschaft gezogen werden. Gössner wies darauf hin, daß bundesdeutsche Geheimdienste wie der BND sogar Überwachungsinstrumente und -Infrastrukturen mit der NSA teilen.

Die Organisationen forderten zudem, daß Edward Snowden als sachverständiger Zeuge nach Deutschland geladen wird. Voraussetzung hierfür sei laut CCC allerdings, daß Snowden, der sich in Moskau aufhält, den notwendigen Schutz vor Auslieferung in die USA oder vor Kidnapping durch US-Spezialkommandos erhält. In den vergangenen Monaten war oft allzu leichtfertig gefordert worden, der Whistleblower solle zu Aussagen nach Deutschland kommen.

Regierungssprecher Steffen Seibert lehnte eine Stellungnahme zu der Strafanzeige ab.

 

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