Militarisierung der Entwicklungshilfe
und Ämterpatronage
Berlin (LiZ). Vor der Bundestagswahl warb die "FD"P dafür, das Bundesministerium für Entwicklungszusammenarbeit abzuschaffen. Als die Partei dann die Chance bekam, den Chefsessel dieses Ministeriums mit ihrem Generalsekretät Dirk Niebel zu besetzen, schlug sie zu. Niebel hatte sich bis dahin nie für die Thematik interessiert. Dafür aber gibt er sich ausweislich seines Lebenslaufs als Militärfachmann - immerhin war Niebel einmal Fallschirmspringer. Nun besetzt Niebel konsequent einen wichtigen Posten im Ministerium mit einem guten Freund, Oberst Friedel Eggelmeyer, der vom Fach ebenso viel Ahnung hat wie sein neuer Chef.
Niebels Entscheidung, die Stelle des Chefs der Abteilung 3 im Entwicklungshilfe-Ministerium mit Oberst Eggelmeyer zu besetzten, hat nicht allein mit Ämterpatronage, sondern zugleich mit einer politischen Neuausrichtung zu tun. Einer Neuausrichtung, die Niebel allerdings von seiner Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ("S"PD) übernommen hat: Die Entwicklungszusammenarbeit wird immer stärker militarisiert und in die Kriegsstrategie eingebunden.1
Kritisiert wird in Fachkreisen nicht allein, daß Militärs mehr und mehr in die Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit hineinreden - das Leben von MitarbeiterInnen vor Ort wird durch die Vermischung von Aufbauhilfe und Militäreinsatz immer stärker gefährdet. Dies kritisierte im August vergangenen Jahres auch die 'Welthungerhilfe'. In Afghanistan starben 16 HelferInnen allein im Jahr 2009. Zugleich waren 172 Übergriffe auf Nichtregierungsorganisationen zu verzeichnen und mehrere große Hilfsorganisationen verließen das Land. Je stärker die EntwicklungshelferInnen in militärische Konzepte wie dem von der "vernetzten Sicherheit" eingebunden werden, desto häufiger werden sie zur Zielscheibe für die Aufständischen. Die traditionelle Neutralität beispielsweise des Roten Kreuzes hat sich über viele Jahrzehnte bewährt und wurde lange Zeit von allen Konfliktparteien geschätzt und respektiert.
Doch auch in Hinblick auf Ämterpatronage folgt Niebel den Spuren seiner "roten" Vorgängerin und versucht diese noch zu übertreffen. Bereits vor über zehn Jahren hieß es in den Nachrichten: "Die Mitarbeiter sind empört, der Personalrat erwägt eine außerordentliche Personalversammlung. Der Grund: Es häufen sich die Fälle, wo Ressortchefin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Parteifreunde mit attraktiven Posten versorgt, statt qualifizierte, bewährte Mitarbeiter des Hauses zu befördern."
Niebel nun hat gleich in den ersten Tagen seines Ministerdaseins mehrere Posten mit in der Sache unerfahrenen "FD"P-PolitikerInnen besetzt. Und während er bis in den September 2009 von einer Abschaffung des Entwicklungshilfe-Ministeriums geredet hatte, schuf er mittlerweile 20 Stellen neu. In Berlin wird dies als die bei Parteien übliche Verteilung von Versorgungsposten angesehen. Die Berufung von Oberst Eggelmeyer zum Chef der für Afrika zuständigen Abteilung 3 ist also nur der vorläufige Höhepunkt einer gezielt betriebenen Günstlingswirtschaft. "Wir halten bei nunmehr zehn externen Besetzungen in wenigen Wochen die Grenze für erreicht", schrieb der Personalrat nun an Niebel. "Die institutionellen Kenntnisse und fachlichen Erfahrungen" der MitarbeiterInnen dürften nicht "ungenutzt" bleiben.
Auch die Hilfs-Organisation 'Brot für die Welt' protestiert. Die Direktorin von 'Brot für die Welt' und der 'Diakonie Katastrophenhilfe', Cornelia Füllkrug-Weitzel, wirft Niebel vor, sein Amt bisher nur als Förderer der deutschen Wirtschaft zu verstehen. Der Blick des neuen Entwicklungshilfe-Ministers gelte nicht primär den Armen und der Frage, warum sie arm seien und was ihnen helfen würde, ihre Armut zu überwinden. Ihn interessiere offenbar allein die Frage, "was die deutsche Wirtschaft braucht, speziell der Mittelstand und die Pharmaindustrie also diejenigen, denen die FDP nahe steht", sagte Füllkrug-Weitzel gegenüber der 'Stuttgarter Zeitung'. Ihre Kritik gilt unter anderem einem 14-Millionen-Euro-Deal, bei dem Niebel Geld aus dem Entwicklungsetat für den Ankauf deutscher Impfdosen zur Bekämpfung der Schweinegrippe in Afrika zur Verfügung stelle.
Selbst die OECD kritisiert mittlerweile die mangelhafte Entwicklungshilfepolitik von "Schwarz-Gelb". Am Dienstag gab die Organisation bekannt, daß Deutschland zu den wenigen Ländern gehört, die ihre Finanzierungszusagen für das Jahr 2010 nicht einhalten. Nur 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird die BRD in diesem Jahr für Entwicklungsländer ausgeben - seit vielen Jahren versprechen deutsche Bundesregierungen, diesen Satz wenigstens auf die von den Industrienationen in einer Selbstverpflichtung proklamierten 0,7 Prozent zu erhöhen.
Nach dem, was sich Niebel in nur drei Monaten im Amt geleistet hat, wird er zumindest in der Öffentlichkeit nicht mehr als "Leistungsträger" angesehen. Nach einer aktuell vom 'stern' veröffentlichten Umfrage schneidet Niebel noch schlechter ab als die übrigen Mitglieder des "schwarz-gelben" Kabinetts.
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Anmerkungen
1 Siehe hierzu:
Afghanistan-Krieg: 'Welthungerhilfe' kritisiert
Vermischung von Aufbauhilfe und Militäreinsatz (16.08.09)
Siehe auch unsere Artikel:
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