4.11.2015

Gabriel spendiert
zusätzliche Subventionen

Gabriel als Subventions-Moses - Karikatur: Samy
Berlin (LiZ). Im Januar hatte Bundeswirtschafts-Minister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel noch großmäulig verkündet, einen "Kapazitätsmarkt" werde es mit ihm nicht geben. Nun hat er unter dem Label "Sicherheitsbereitschaft" sogar eine feste Subventions-Summe von 1,6 Milliarden Euro für acht alte und ineffiziente Braunkohle-Kraftwerke zugesagt.

Profitieren werden von den vereinbarten Subventionen der Konzern RWE, dessen Kraftwerksblöcke Frimmersdorf P und Q, Neurath C sowie Niederaußem E und F begünstigt werden, der Konzern Vattenfall mit den Blöcken Jänschwalde E und F sowie der Konzern Mibrag mit dem Kraftwerk Buschhaus. Zusammen kommen diese Kraftwerksblöcke auf eine Gesamtleistung von lediglich 6 Gigawatt. Für jeden Kraftwerksblock erhalten die Betreiber noch vier Jahre lang zusätzliche Subventionen. 2016 soll der erste Block "in die Reserve" - 2023 wären alle acht de facto stillgelegt. Dabei erwägte RWE schon lange, die beiden letzten verbliebenen Blöcke des Braunkohle-Kraftwerks Frimmersdorf aus Wirtschaftlichkeitsgründen stillzulegen. Die beiden anderen Blöcke in Niederaußem stehen sogar bereits auf der Rückbauliste der Bundesnetzagentur zur Abschaltung für das Jahr 2019.

Schon im Januar 2014 hatte Professor Christian Hey, Generalsekretär des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung, davor gewarnt, daß mit dem sogenannten Kapazitätsmarkt eine weitere Form der Subventionierung geschaffen werde, die allein dem Zweck diene, unrentable Kraftwerke weiter zu betreiben. Im Juni 2014 warnte das Bundeskartellamt vor der Einführung eines Kapazitätsmarktes. Allerdings behielt sich Kartellamts-Chef Andreas Mundt, der seit Jahren beide Augen bei den durch das Oligopol der "Großen Vier" in die Höhe getriebenen Strompreisen verschließt, ein Hintertürchen offen: "Das kann nur die Ultima Ratio, das letzte Mittel sein, falls es wirklich dazu käme, daß die Versorgungssicherheit nicht anders gewährleistet werden kann." Mit dem Modell eines Kapazitätsmarktes hätten die Atom- und Kohlestrom-Konzerne für die Bereithaltung von Kraftwerken, die eigentlich zur Stilllegung vorgesehen sind, im sogenannten Reserve-Betrieb eine von der Stromproduktion unabhängige Prämie erhalten (Siehe hierzu unseren Artikel v. 21.01.15).

Um seinen Kurswechsel zu verschleiern, verleiht Gabriel nun dem selben Subventions-Tatbestand das Label "Sicherheitsbereitschaft" statt Kapazitätsmarkt. Acht alte und ineffiziente Braunkohle-Kraftwerke sollen im sogenannten Reserve-Betrieb verbleiben, statt endgültig stillgelegt zu werden. Für diese "Sicherheitsbereitschaft" erhalten die Betreiber in den kommenden sieben Jahre insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro. Bezahlen müssen dies die StromverbraucherInnen: Der Aufschlag von rund 0,05 Cent pro Kilowattstunde wird ab 2016 fällig und Gabriel deklariert dies als Beitrag zum Klimaschutz.

Mit dieser heute gesetzlich beschlossenen Erhöhung der Subventionen greift die deutsche Bundesregierung erneut zu Ungunsten der vielen kleinen Betreiber von dezentralen Windkraftwerken, Solaranlagen, Kleinwasser-Kraftwerken und Biogasanlagen in den Markt ein. Schon in den vergangenen beiden Jahren konnten Merkel und Gabriel mit etlichen restriktiven Änderungen am EEG über 100.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien zerstören (Siehe unsere Artikel v. 17.06.15 und v. 2.03.15).

Die Umweltschutz-Organisation BUND prangert diese neue Subvention der Braunkohle als "Goldenen Handschlag" an. Und Greenpeace kritisiert, die "Sicherheitsbereitschaft" verlange von den Kohle-Konzernen "lachhaft wenig Klimaschutz" und zahle ihnen dafür "unverschämt viel Geld". Das Bündnis Klima-Allianz hatte bereits im Vorfeld kritisiert, daß auch für die Abschaltung des Kraftwerks Niederaußem Geld fließen wird, obwohl dieses ohnehin schon zur Stilllegung angemeldet gewesen sei. Insgesamt wird die Verstromung von Steinkohle und Braunkohle hierzulande bereits mit jährlich 13 Milliarden Euro subventioniert. Die Subventionen für Atomstrom betragen - trotz angeblichem Atom-Ausstieg - weiterhin rund 9 Milliarden Euro pro Jahr. Allein RWE wird durch die neue Subvention unter dem Label "Sicherheitsbereitschaft" jährlich weitere 800 bis 900 Millionen Euro für Kraftwerke erhalten, die das Unternehmen größtenteils ohnehin stilllegen wollte. Der Stadtwerke-Verbund Trianel hat angekündigt, gegen das Subventions-Gesetz vor Gericht zu ziehen.

Die Bezeichnung "Sicherheitsbereitschaft" ist vor dem Hintergrund der gigantischen Überkapazitäten im deutschen Kraftwerkspark ein absurder Witz. Schon zu Zeiten als die "rot-grüne" Bundesregierung die Öffentlichkeit mit der Verkündung eines Atom-Ausstiegs erstmals zu täuschen versuchte, summierte sich die Gesamtleistung des deutschen Kraftwerksparks zur Stromerzeugung auf insgesamt 111 Gigawatt. Dem stand ums Jahr 2000 lediglich ein Bedarf von maximal 73 Gigawatt gegenüber. Denn selbst an dem Tag mit dem höchsten Stromverbrauch im Jahr 1997, einem "Allzeitmaximum", wurden nur 73 Gigawatt in Anspruch genommen. Schon vor 15 Jahren hätten daher sämtliche 19 in Betrieb befindlichen Atom-Reaktoren in Deutschland, die zusammen auf eine Gesamtleistung von nur 23 Gigawatt kamen (wenn sie denn alle zugleich am Netz waren!) von einem auf den nächsten Tag stillgelegt werden können, ohne daß es zu Engpässen bei der Stromversorgung gekommen wäre. Selbst ohne Atomkraftwerke hätte es um das Jahr 2000 in Deutschland immer noch eine Kraftwerks-Überkapazität von 15 Gigawatt gegeben (Siehe hierzu etwa diesen Diskussions-Beitrag v. 3.07.2000). Bis 2014 hat sich die Gesamtleistung des deutschen Kraftwerksparks zur Stromerzeugung auf insgesamt 189 Gigawatt erhöht. Hier die Daten der Übertragungsnetzbetreiber:

Kraftwerkspark Deutschland 2014 - Grafik: Regenbogen Nachrichten

Dem steht jedoch nur eine Spitzenlast gegenüber, die maximal 81 GW Leistung zu ihrer Deckung erforderte. Selbst unter Berücksichtigung einer Reserve wäre der Stromverbrauch in Deutschland mit einem Kraftwerkspark mit einer Gesamtleistung von 86,2 Gigawatt abgesichert. Eine Studie im Auftrag der Anti-AKW-Organisation '.ausgestrahlt' wies im Juni nochmals darauf hin, daß ein Atom-Ausstieg von heute auf morgen in Deutschland technisch ohne Probleme zu realisieren wäre (Siehe unseren Artikel vom 25.06.15).

Da der Stromverbrauch - wie wir schon vor 15 Jahren prognostizierten - in Deutschland bei rund 600 TWh (1 Terawattstunde = 1 Milliarde Kilowattstunden) stagniert, hatten diese wachsenden gigantischen Überkapazitäten (physikalischer Terminus: überschüssige Leistung) einen wachsenden Strom-Export zu Folge.

Strom-Überschuß Deutschland 1999-2014 - Grafik: Regenbogen Nachrichten

Der Grund für diese wachsenden Überkapazitäten liegt darin, daß die "Großen Vier", die Atomstrom- und Kohlestrom-Konzerne E.on, RWE, Vattenfall und EnBW nicht in der Lage waren, Kraftwerke stillzulegen. Denn dies hätte bedeutet, anderen Konzernen einen Marktanteil zu überlassen. Sie sind daher gezwungen, in Kauf zu nehmen, daß infolge des Überangebots an Strom auf dem europäischen Markt die Strompreise an der Leipziger Stromhandelsbörse EEX Jahr für Jahr sinken. Statt alte, ineffektive und sogar defizitäre Kraftwerke stillzulegen, nahmen sie sogar in Kauf, in den vergangenen Jahren massiv rote Zahlen zu schreiben. Denn der Strom-Konzern, dem die Banken als erstem die Kredite streichen, ist weg vom Fenster. Und dies wird - zunächst - vermutlich keinen der vier am deutschen Markt vertretenen Konzerne treffen. Auch die häufig gestellte Frage, warum die "Großen Vier" nicht längst auf den Markt der erneuerbaren Energien aufgesprungen sind, ist leicht zu beantworten. Dies ist ihnen aus strukturellen Gründen nicht möglich (Hermann Scheer etwa hat dies in seinem Buch 'Energieautonomie', 2006, ausführlich analysiert).

Die sogenannte Kapazitäts-Reserve oder "Sicherheitsbereitschaft" soll nun angeblich - und dies vor dem Hintergrund der bestehenden Überkapazitäten und der jährlichen gigantischen Strom-Exporte - dazu dienen, in dem Falle einzuspringen, wenn "es kein ausreichendes Stromangebot für die bestehende Nachfrage gibt". Da es sich aber um völlig unflexible Braunkohlekraftwerke handelt, sind diese gar nicht in der Lage auf einen etwaigen - vor über 15 Jahren tatsächlich noch vorgekommenen - plötzlich eintretenden Engpaß in der Stromversorgung zu reagieren. In die heute im Bundestag verabschiedete gesetzliche Subventions-Regelung mußte daher zur rechtlichen Absicherung der Konzerne die Klausel aufgenommen werden, daß der Einsatz der "Reserve-Kraftwerke" elf Tage im Voraus angekündigt werden muß.

Die reale Politik dieser "schwarz-roten" Bundesregierung steht in diametralem Gegensatz zu deren öffentlichen Bekundungen und zeigt, daß es sich bei Klima-Versprechen wie etwa jenem von Kanzlerin Angela Merkel beim G7-Gipfel auf Schloß Elmau im Juni diesen Jahres, als sie von Dekarbonisierung redete, nur um heiße Luft handelt.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Witz der Woche / Karikatur von Samy
      Gabriel, der Moses auf dem Scherbenhaufen (4.11.15)

      RWE an Schulen?
      Lobbycontrol protestiert (2.11.15)

      Hinkley Point: Chinesischer Staats-Konzern
      investiert in schwarzes Loch (21.10.15)

      Für nur 5 Cent: 90 Prozent Reduktion
      der CO-Emissionen bis 2050 (19.10.15)

      Atom-Ausstieg ist sofort möglich
      Studie im Auftrag von .ausgestrahlt (25.06.15)

      Gabriel zerstört Solar-Fabrik
      Sabotage an Energie-Wende vernichtet
      hunderttausende Arbeitsplätze (25.04.15)

      Schwarze Demo in Berlin
      für Treibhaus-Effekt und Kohle-Engel Gabriel (25.04.15)

      Sabotage an der Energie-Wende
      Bürgerschaftliches Engagement sinkt (2.03.15)

      Kohlekraftwerk Moorburg
      "Rot-schwarz-grüner" Klimaschutz? (28.02.15)

      Untergräbt Gabriel
      das Vertrauen der Atomwirtschaft? (21.01.15)

      Anti-Arbeitsplatz-Minister Gabriel:
      30.000 Jobs durch EEG-Sabotage vernichtet (25.10.14)

      Menschenkette gegen Braunkohle-Abbau
      7.500 TeilnehmerInnen für Energie-Wende (23.08.14)

      China strebt Ausstieg
      aus Kohle-Verstromung an (10.08.14)

      Deutsche Kohlekraftwerke sind führend
      in Europa auf Weg in Klimakatastrophe (22.07.14)

      Gabriel blockiert Energie-Wende
      EEG de facto abgeschafft (27.06.14)

      Braunkohle-Abbau in Brandenburg
      "Wirtschaftlich unsinnig und klimapolitisch fatal" (7.06.14)

      Die Linkspartei und die Braunkohle
      Dialog mit Greenpeace geplatzt (2.06.14)

      Umfrage im Auftrag von Greenpeace:
      79 Prozent in Brandenburg gegen Braunkohle (1.06.14)

      Die Linkspartei und die Braunkohle
      Greenpeace-Disput vorerst ohne Ergebnis (27.05.14)

      Greenpeace stellt Linkspartei
      Glaubwürdigkeit oder Braunkohle (26.05.14)

      Linkspartei für und
      gegen Braunkohle-Abbau? (26.01.14)

      Klimakatastrophe ist Gemeinwohl
      Braunkohle-Abbau triumphiert vor Gericht (17.12.13)

      Rauchzeichen von "Rot-Grün"
      NRW bleibt schwarz (13.12.13)

      Klima: WMO gibt neuen Höchststand
      bei CO bekannt (6.11.13)

      Atom-Ausstieg?
      Ein Vergleich zwischen D und GB (2.11.13)

      Schwarze Kassen bei der "grünen" EnBW?
      Baden-württembergische Staatsanwaltschaft ermittelt
      (28.10.13)

      EU-Kommissar Oettinger manipuliert
      Subventionsbericht zu erneuerbaren Energien (14.10.13)

      Tschechien: Stop der Förderung
      der erneuerbaren Energien -
      Subventionierung der Atomenergie? (15.09.13)

      Erneuerbare Energien - In einer realen Marktwirtschaft
      müßten die Strompreise sinken (12.07.13)

      Pleitewelle rollt weiter
      Solarfirma Conergy insolvent (5.07.13)

      Parteien-Politik sabotiert Solarwärme
      Deutschland im EU-Vergleich auf Platz 6 (27.06.13)

      Mehrheit in Polen gegen AKW
      Trotz erfolgloser Propaganda bleibt Regierung
      auf Atom-Kurs (19.04.13)

      Jährlich 3.100 Tote
      durch deutsche Kohlekraftwerke (3.04.13)

      Dem deutschen Wald geht es schlechter
      als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Braunkohle-Protest in Brandenburg
      Sternmarsch gegen "rot-rote" Energiepolitik (6.01.13)

      Erfolg für Klimarettung
      Kohlekraftwerks-Projekt Staudinger gestoppt (13.11.12)

      Strompreiserhöhungen wegen Energie-Wende?
      Zur Zeit werden Lügen verbreitet (09.11.12)

      Bundesregierung bremst
      Energie-Effizienz bei Neubauten (14.09.12)

      BUND: "Energie-Wende erfordert Effizienz-Verbesserung"
      7-Punkte-Programm vorgelegt (15.03.12)

      Trotz Kälte
      kein Strommangel in Deutschland (3.02.12)

      Steuergelder für CO-Schleudern
      Kohlekraftwerke weiterhin subventioniert (14.07.11)

      Vattenfall plant Abbaggerung von Dörfern
      Sternmarsch gegen Braunkohle-Abbau (2.01.11)

      Greenpeace deckt auf:
      Deutsche Kohle-Subvention mit jährlich 13 Milliarden Euro
      (4.06.10)

      Protestaktion bei Radrennen
      MIBRAG plant Braunkohlekraftwerk Profen (23.05.10)

      Stop
      für Kohlekraftwerks-Projekt Düsseldorf (26.04.10)

      Brandenburg: Linkspartei fällt um
      Platzeck darf weiter klimaschädliche Braunkohle verstromen
      (19.10.09)

      Stop für Kohlekraftwerk Mainz
      Klimakiller mit Finanzierungsproblemen (29.09.09)

      Bau des Kohlekraftwerks Datteln gestoppt
      Gericht erkennt erstmals Klimaschutz als Argument
      (24.09.09)

      Aus für Kohlekraftwerk Kiel
      Als Ersatz soll ein Gaskraftwerk gebaut werden (15.07.09)

      Freispruch für Robin-Wood-AktivistInnen
      Kletteraktion gegen neuen Kohlekraftwerksblock
      kein Hausfriedensbruch (25.06.09)

      Demo gegen Kohlekraftwerk Mainz
      4000 gegen Klimakiller und für Erneuerbare Energien
      (24.05.09)

      Protest gegen geplantes Kohlekraftwerk
      5000 in Emden (18.05.09)

      Hamburger Pseudo-Grüne machen Weg frei
      für Kohlekraftwerk Moorburg
      Wahlversprechen wie vorhersehbar gebrochen (30.09.08)

      6000 Menschen gegen die Kohlekraftwerkspläne
      Staudinger in Hessen und Jänschwalde in Brandenburg
      (13.09.08)

      Neues Mainzer Kohlekraftwerk stößt auf Ablehnung
      Wiesbadener Stadtparlament votiert dagegen (18.03.08)

      Klima-Protest in Karlsruhe
      Robin-Wood-Aktion gegen Ausbau
      des EnBW-Kohlekraftwerks (25.02.08)

      BI gegen neues Kohlekraftwerk in Lubmin
      BürgerInnen kämpfen für Klimaschutz (13.02.08)

      7 Kohlekraftwerke in 6 Monaten verhindert
      BürgerInnen kämpfen für Klimaschutz (7.02.08)

      Neues Kohlekraftwerk scheitert
      an Widerstand der BürgerInnen
      RWE im saarländischen Ensdorf gestoppt (26.11.07)

      Vattenfall zerstört Lacoma
      (28.09.07)

      Anstieg beim Kohlendioxidausstoß
      Seit Jahren nur leere Versprechen (2.04.07)