29.08.2011

Erneuerbare bei über 20 Prozent
Energiewende dennoch gebremst

Erneuerbare Energien: Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft, Biogas,... Berlin (LiZ). Mitte dieses Jahres überschritten die erneuerbaren Energien die Marke von 20 Prozent am deutschen Strombedarf. Doch nach wie vor wird deren Wachstum gebremst.

Laut einer Schätzung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) deckte Strom aus Sonne, Wind, Wasser und Biogas im ersten Halbjahr 2011 mit 57,3 Gigawattstunden 20,8 Prozent des deutschen Strombedarfs. Die Windenergie lieferte mit rund 7,5 Prozent den größten Anteil in diesem Bereich. Es folgt Biomasse mit 5,6 Prozent, wobei hier die Berechnungsgrundlage ein wenig dubios ist und nicht allein Biogas-Anlagen zu diesem Ergebnis beitrugen. Die Photovoltaik konnte ihren Anteil durch einen massiven Zubau von Anlagen und viel Sonne im Frühjahr fast verdoppeln und damit die Wasserkraft vom dritten Platz verdrängen. Insgesamt lieferten Photovoltaik-Anlagen 3,5 Prozent. Wasserkraft, deren Ausbau in Deutschland besonders rigoros behindert wird, lieferte klimatisch bedingt sogar weniger als im Vorjahr und sank von 3,6 auf 3,3 Prozent. Dubios ist zudem, daß - zu Gunsten des Endergebnisses - auch der Strom aus Müllkraftwerken bei der Bilanz der Erneuerbaren mitgezählt wurde und zusammen mit Geothermie und anderen erneuerbaren Energiequellen unverändert etwa 0,8 Prozent beiträgt.

Wie sehr in Deutschland das Wachstum der erneuerbaren Energien behindert wird, zeigt das Abflachen der Entwicklungs-Kurve:

Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland, 1991 bis 2020

Bis 2020 soll nach der Zielvorgabe der Bundesregierung der Anteil der erneuerbaren Energien auf 35 Prozent des Strombedarfs wachsen. Diese von den Mainstream-Medien als "ambitioniert" bezeichnete 35-Prozent-Vorgabe bedeutet nichts anderes, als daß der restriktive Kurs beibehalten und das Wachstum der erneuerbaren Energien weiterhin gebremst werden soll. So sollen in den kommenden Jahren vorrangig Mittel in den Ausbau von großen Offshore-Windparks - also solchen im Küstenbereich - fließen. Hiervon profitieren in erster Linie die "Großen Vier".

Das Oligopol der vier Strom-Konzerne E.on, RWE, Vattenfall und EnBW, das in der Vergangenheit den Ausbau der Erneuerbaren nach Kräften behindert hat, wird sich auch in Zukunft nicht vom Saulus zum Paulus wandeln. Schon der kürzlich verstorbene Wegbereiter der erneuerbaren Energien und Präsident von Eurosolar, Hermann Scheer, hatte gewarnt: "Es spricht jedoch entschieden mehr dagegen als dafür, dass nunmehr die großen Energiekonzerne die treibenden Kräfte werden könnten. (...) Investitionen in Großkraftwerke und Infrastrukturen haben Amortisationszeiten von zwei bis drei Jahrzehnten. Die jeweiligen einzelnen Investitionen erfolgen nie zum gleichen Zeitpunkt. Die Zahl vorfinanzierter Großinvestitionen ist immer ungefähr so groß wie die der abgeschriebenen. (...) Die Lokomotivführerrolle für erneuerbare Energien wird auch in Zukunft nicht aus dem konventionellen Energiesystem kommen. Es sei denn, wir würden einen Bummelzug für ausreichend halten."

Noch deutlicher erkennbar ist das gebremste Wachstum bei der Entwicklung der Windenergie:

Windkraftanlagen in Deutschland 1990 bis 2007

Nicht zufällig wurde zusammen mit dem sogenannten Atom-Ausstieg auch beschlossen, daß Steuergelder im dreistelligen Millionenbereich aus den Förder-Töpfen für umweltschonende Energien ausgerechnet zur Förderung der Neubaus von Kohlekraftwerken verwendet werden sollen. (Siehe unseren Artikel v. 14.07.11) Nach wie vor beläuft sich die deutsche Kohle-Subvention auf jährlich rund 13 Milliarden Euro. Und während die Atomenergie in Deutschland - trotz proklamiertem "Atom-Ausstieg" - weiterhin mit rund 14 Milliarden Euro pro Jahr subventioniert wird, fallen für die Förderung der erneuerbaren Energien im Vergleich hierzu nur Krümel ab. Die Situation in Deutschland gleicht einem Rennen, bei dem der eine Teilnehmer mit einem Fahrrad, die anderen jedoch mit Formel-1-Boliden ausgestattet werden.

Daß es auch anders geht beweist das Binnenland Sachsen-Anhalt. In den Jahren unter dem "schwarzen" Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer hatte der Anteil der Erneuerbaren beim Strom längst die 40-Prozent-Marke überschritten. Zugleich wurde im "schwarz-gelb" regierten Baden-Württemberg gerade einmal 16 Prozent erreicht. Wie wenig auch von der neuen "grün-roten" Landesregierung zu erwarten ist, zeigt sich anhand der im baden-württembergischen Koalitionsvertrag vom April dieses Jahres genannten Ziel-Vorgabe, bis 2020 einen Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung in Baden-Württemberg von zehn Prozent zu erreichen. Realistisch muß diese Ankündigung offenbar so verstanden werden, daß auch in Baden-Württemberg der Ausbau der Erneuerbaren weiterhin gebremst werden soll.

Dagegen zeigen neueste Umfragen, daß 94 Prozent der deutschen Bevölkerung den Ausbau der erneuerbaren Energien für wichtig oder sehr wichtig erachten. 65 Prozent seien dafür auch bereit, Ökostrom-Anlagen in der Nachbarschaft mitzutragen, ergab eine Umfrage von TNS Infratest im Auftrag der 'Agentur für Erneuerbare Energien'.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      David gegen Goliath
      Neckargemünd kann Stromnetz kaufen (20.08.11)

      Steuergelder für CO2-Schleudern
      Kohlekraftwerke weiterhin subventioniert (14.07.11)

      Atom-Ausstieg?
      Lügenpack! (1.07.11)

      Atom-Ausstieg teuer?
      Im Gegenteil: Ersparnis von jährlich
      mehr als 8 Milliarden Euro (10.05.11)

      Baden-Württemberg: "Grün-Rot" fällt
      der Anti-Atom-Bewegung in den Rücken (28.04.11)

      RWE-Hauptversammlung
      Großmann unbeirrt auf Atom-Kurs (20.04.11)

      David gegen Goliath
      Titisee-Neustadt übernimmt Stromnetz (6.04.11)

      Erneuerbare Energien
      Auszeichnung für Planegg (27.01.11)

      Madagaskar
      Solarenergie für die Rettung der Wälder (18.01.11)

      Vattenfall
      Ein Fall von Greenwashing (6.01.11)

      Bürger-Energie Alpirsbach
      mit zweiter Photovoltaik-Anlage (19.12.10)

      86 Prozent der Deutschen:
      Erneuerbare Energien sind wichtig
      Wieviel kostet Öko-Strom wirklich? (16.10.10)

      Photovoltaik statt Atomenergie
      Zwentendorf wird Forschungszentrum (11.10.10)

      Verbände fordern Energieeffizienz
      und zukunftsweisendes Energiekonzept (24.08.10)

      Greenpeace deckt auf: Deutsche Kohle-Subvention
      mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)

      Umweltverbände warnen vor Hype um Elektro-Auto:
      "Potemkinsches Dorf der Elektromobilität" (29.04.10)

      Konkurrenz für die Großen Vier
      Kommunen drängen auf den Strom-Markt (14.04.10)

      Energie-Kommune Wildpoldsried im Allgäu
      Dreimal soviel Ökostrom wie Eigenverbrauch (8.04.10)

      Der Kampf um das Strom-Netz hat begonnen
      EnBW lockt Bürgermeister mit Gänsebraten (23.10.09)

      Zukunftsweisender Gerichtsentscheid
      gegen Strom-Konzerne / BGH erzwingt Dezentralisierung
      und stärkt Erneuerbare Energien (29.09.09)