18.08.2010

Zweck der Killertruppe KSK
von Bundeswehr-General bestätigt:
"Es geht darum, Extremisten auszuschalten"

...ausschalten Berlin (LiZ). Ein Interview des Berliner 'Tagesspiegel' mit Josef Dieter Blotz, Bundeswehr-General und Sprecher der "Schutztruppe" ISAF, wurde von der 'Zeit' nachveröffentlicht und mit der treffenden Überschrift versehen: "Es geht darum, Extremisten auszuschalten". 'Zeit'-Mitherausgeber und Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt muß wohl geschlafen haben. Anfang August hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle die Behauptung aufgestellt, gezielte Tötungen von Verdächtigen nach israelischem und US-amerikanischem Vorbild seien mit dem Völkerrecht vereinbar. Nach Angaben der NATO machen auch SoldatInnen des deutschen Kommandos Spezialkräfte (KSK) gezielt Jagd auf Verdächtige, um sie "auszuschalten."

General Blotz sagte laut 'Tagesspiegel' wörtlich: "Gezielte Tötungen durch Spezialkräfte der Bundeswehr hat das Verteidigungsministerium definitiv ausgeschlossen. Das Kommando Spezialkräfte, KSK, der Bundeswehr ist jedoch auch dafür eingesetzt worden, Netzwerke von Extremisten auszuschalten. Abgesehen davon sollte man dieses etwas reißerisch dargestellte Thema nüchterner betrachten. Es ist völlig klar und völlig verständlich, dass Extremisten, deren Hauptbeschäftigung darin besteht, unsere Soldaten zu erschießen und in die Luft zu sprengen, verfolgt und bekämpft werden müssen. Wenn man über Informationen verfügt, wo solche Extremisten zu finden sind, muss versucht werden, diese auszuschalten noch bevor sie unsere Soldaten angreifen können. Genau darum geht es."

Die gezielte Tötung von Verdächtigen durch KSK-SoldatInnen wurde bislang von der Bundesregierung geleugnet. Dabei ist spätestens seit einem Bericht des 'stern' vom November 2004 bekannt, welche Aufgabe das KSK am deutschen Parlament vorbei in Afghanistan zu erfüllen hat. Auch als Außenminister Westerwelle kürzlich gezielte Tötungen zu rechtfertigen suchte, erneuerte er das Dementi, deutsche SoldatInnen seien daran nicht beteiligt. Doch offenbar wird mit dem Interview des Bundeswehr-Generals versucht, einen schleichenden Übergang zu bewerkstelligen. Der Zeitpunkt scheint günstig zu sein, denn es erregte wenig Aufmerksamkeit, als Anfang August der Sprecher des Kriegs-Ministeriums Christian Dienst erklärt, daß "auch die gezielte Tötung im Einklang mit dem Völkerrecht" stünde.

Ähnlich hatte es Kriegsminister zu Guttenberg verstanden, mit dem Übergang zur neuen Sprachregelung, beim Afghanistan-Krieg handele es sich um einen "nicht-internationalen bewaffneten Konflikt", die beschönigende Wortwahl vom "Stabilisierungseinsatz" in Vergessenheit geraten zu lassen. Seit Februar redet er nun auch von Krieg, wobei er allerdings immer wieder betont, dabei handele es sich lediglich um eine "umgangssprachliche Formulierung".

Am 4. August hatte Außenminister Westerwelle nach einer von ihm geleiteten Kabinettssitzung erstmals gezielte Tötungen als rechtmäßig verteidigt. Bevor hier juristische Spitzfindigkeiten analysiert werden sollen, sei an erster Stelle darauf hingewiesen, daß zwischen dem nach Regeln festgelegten mörderischen Treiben im Krieg und gezielten Tötungen von Verdächtigen ein beträchtlicher Unterschied besteht. Im einen Falle ist anhand von Uniform und Bewaffnung klar ist, wer ermordet werden darf und wer nicht. Bei gezielten Tötungen können ZivilistInnen ermordet werden, die unbewaffnet sind und lediglich das Pech hatten, namentlich auf eine Liste geraten zu sein. Kein ein ordentliches Gerichtsverfahren, weder Anklage noch Verteidigung oder gar Revision sind hier gewährleistet. Bei gezielten Tötungen mit Hilfe ferngesteuerter Drohnen ist nicht einmal nachprüfbar, ob sich überhaupt Waffen in dem zerstörten Gebäude befanden. Hinzu kommt, daß es in der Regel bei den in verdeckten Operationen durchgeführten gezielten Tötungen keine Zeugen gibt und allenfalls in Ausnahmefällen gefilmt wird. Wer auf die Todeslisten kommt, entscheiden Militärs und Geheimdienste, so daß auch im Nachhinein eine juristische Kontrolle weitestgehend ausgeschlossen wird.

Westerwelle lobte sich selbst, er habe im Februar als erster die neue Sprachregelung vom "bewaffneten Konflikt" formuliert. Nun behauptete er, die Rechtslage sei "eindeutig" in seinem Sinne zu interpretieren: "Wir müssen wissen, daß gegnerische Kämpfer in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt in dem vom humanitären Völkerrecht gesteckten Rahmen gezielt bekämpft werden können und auch dürfen."

Im allgemeinen wird mit dem Begriff "humanitäres Völkerrecht" der Inhalt des Vierten Genfer Abkommens aus dem Jahr 1949 und der internationalen Abkommen über bürgerliche und politische Rechte von 1966 verstanden. Darin wird jedoch ausdrücklich verboten, unbewaffnete ZivilistInnen militärisch anzugreifen. Ebenfalls ausdrücklich verboten sind Hinrichtungen ohne rechtskräftiges Urteil. Die Mehrheit aller Staaten weltweit lehnt die von den USA und Israel geübte Praktik gezielter Tötungen ab, da sie den Grundlagen des bürgerlichen Rechtsstaats widerspricht. Von den Vereinten Nationen werden gezielte Tötungen regelmäßig verurteilt. Der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Liquidation von Hamas-Führern durch Israel scharf verurteilt und klar geäußert, daß solche Taten internationales Recht verletzten.

Das Vorgehen US-amerikanischer und israelischer Spezialkommandos - zuletzt wurde im Januar Mahmud al Mabhuh in Dubai im Hotel ermordet - erinnert an die Verbrechen der deutschen Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs. Bei Rache-Aktionen für ermordete deutsche Soldaten wurden massenhaft ZivilistInnen, tatsächliche oder vermeintliche PartisanInnen und auch Kriegsgefangene ermordet. Für die Mehrzahl dieser Verbrechen wurde nie jemand zur Rechenschaft gezogen, weil es angeblich keine entsprechende internationale Rechtsgrundlage dafür gab. Nach dem Krieg wurden zahlreiche Bestimmungen ins Völkerrecht aufgenommen, um solche Verbrechen zukünftig zu verhindern oder zumindest unter Strafe zu stellen. In Deutschland dauerte es Jahrzehnte, bis die Verbrechen der Wehrmacht, die dem bis dahin beschworenen Bild "sauberer Krieger" widersprachen, öffentlich gemacht werden konnten.

Wenn nun versucht wird, das Völkerrecht umzuinterpretieren, zeigt dies, daß keineswegs mit einer Deeskalation oder einem Abzug der Besatzungstruppen aus Afghanistan zu rechnen ist, sondern mit dem Gegenteil. Die "Eliten" in den USA und Deutschland wissen, daß es bei einer andauernden Annexion Afghanistans nötig sein wird, die ohnehin willkürlich gezogenen und unrealistischen Grenzen zwischen sauberer Kriegsführung und offen inhumanem Gemetzel niederzureißen.

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Christine Buchholz, sieht sich durch die Interview-Aussagen von Bundewehr-General Blotz in ihrer Einschätzung bestätigt, daß es sich beim bisherigen Leugnen des KSK-Auftrags um eine von vielen "Kriegslügen" gehandelt habe. Sie weist in einer aktuellen Stellungnahme darauf hin, daß das KSK seit 2001 am Krieg in Afghanistan beteiligt ist. Abgeordnete des Bundestages würden grundgesetzwidrig über dessen Einsätze aber nicht informiert. "Die Beteiligung an gezielten Tötungen und die Zuarbeit zu »Joint Priority Effects Lists« - sogenannten Todeslisten - sind bisher immer dementiert worden. Die Operationen der Spezialkräfte sind nicht wegzudenkender Teil des Krieges in Afghanistan, dessen Ziel die Aufstandsbekämpfung ist", so Buchholz. Sie bekräftigt daher die Forderung der Friedensbewegung nach einem sofortigen Abzug aller deutschen Truppen aus Afghanistan.

 

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Anmerkungen

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