30.03.2013

Mehr Menschen beim Ostermarsch
Protest gegen Atombombe, Drohnen und Waffenexporte

Ostermarsch in Stuttgart, 30.03.2013, Foto: Klaus Schramm
Berlin (LiZ). Deutlich mehr Menschen als im vergangenen Jahr haben an den Ostermärschen teilgenommen. Nach wie vor richtet sich der Protest gegen die unverminderte Gefahr, daß sich die Menschheit mit der Atombombe selbst auslöscht. In Redebeiträgen in Berlin, Bremen, Hannover, Leipzig, Saarbrücken, Stuttgart, München und vielen anderen Städten wurde die deutsche Bundesregierung wegen der Anschaffung von Drohnen und wegen der Waffen-Exporten kritisiert. Thema waren etwa auch die Militärforschung an Universitäten und der mögliche Einsatz der Bundeswehr im Inneren bei sich verschärfenden sozialen Konflikten.

Die hohe Beteiligung bei den diesjährigen Ostermärschen ist offenbar vor allem der Empörung über eine Politik geschuldet, die sich rigoros über alle in Meinungsumfragen ermittelten Mehrheiten hinwegsetzt. Wie von vielen TeilnehmerInnen, die zum ersten Mal in ihrem Leben zu einem Ostermarsch kamen, zu erfahren war, empörte sie vor allem, daß sich die Bundesregierung über die Mehrheit der Deutschen hinwegsetzt, die sich gegen eine Anschaffung von Drohnen für die Bundeswehr ausspricht.

Dabei ist diese Ignoranz gegenüber demokratischen Grundregeln nichts Neues: Seit 2001 regieren "Rot-Grün", "Schwarz-Rot" und "Schwarz-Gelb", ohne sich etwa um die in den vergangenen zehn Jahren ermittelten Umfragewerte von 70 bis 80 Prozent zu scheren, die sich gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Afghanistan-Krieg aussprachen. Repräsentative Meinungs­umfragen ergaben auch ein eindeutiges Votum gegen Waffenhandel: Laut einer Forsa-Umfrage vom Sommer 2011 lehnten es 73 Prozent der Befragten ab, daß "Deutschland Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien liefert". Ende 2011 lehnten bei einer Emnid-Umfrage 78 Prozent der Befragten jegliche Rüstungs-Transfers in andere Staaten ab ("Sollte Deutschland ihrer Meinung nach Waffen oder andere Rüstungsgüter in andere Länder verkaufen oder nicht?").

Im vergangenen Jahr war die größte Beteiligung an einem Ostermarsch in Hamburg mit 450 TeilnehmerInnen zu verzeichnen. In Berlin nahmen heute 800 Menschen am Ostermarsch teil. Anstelle von Plakaten oder Transparenten hatten viele TeilnehmerInnen selbstgebastelte Drohnen-Attrappen mitgebracht. In Stuttgart forderten viele der rund 500 RüstungsgegnerInnen auf Plakaten, die deutsche Kampfpanzer zeigten: "Legt den Leo an die Kette". In Bremen war "Bomben gegen Terroristen treffen Zivilisten" auf einem Transparent zu lesen. In Saarbrücken demonstrierten rund 400 Menschen und wiesen dabei auf die Friedensverpflichtung des Grundgesetzes hin. Diese Friedenspflicht müsse weiterhin für die deutsche Politik gelten und dürfe nicht durch eine militärgestützte Machtpolitik abgelöst werden, forderte Clemens Ronnefeld vom Internationalen Versöhnungsbund. Vielerorts forderten die Friedensgruppen auch eine friedliche Lösung der Kriege in Mali und Syrien und warnten vor einem drohenden Krieg gegen den Iran. Auffallend häufiger als im vergangenen Jahr waren in vielen Städten Regenbogenfahnen mit der Aufschrift "Pace" zu sehen.

Eine deutliche Absage erteilten die TeilnehmerInnen der Ostermärsche auch den Werbeaktionen der Bundeswehr an Schulen und Universitäten. Beifall erhielt Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) als er in seiner Rede in Stuttgart die seit zwei Jahren amtierende "grün-rote" Landesregierung kritisierte, die viele ihrer WählerInnen enttäuscht und die Kooperations-Vereinbarung mit der Bundeswehr nicht gekündigt hat. Ebenso wird an der Universität Karlsruhe weiterhin mit Finanzmitteln des Landes Atomforschung betrieben und eine vierte Generation von Atomkraftwerken entwickelt. Pflüger sprach in seiner Rede auch die Verlegung deutscher 'Patriot'- Flugabwehr-Raketen in die Türkei an: Diese ziele auf die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien ab und so werde der Konflikt weiter angeheizt.

Die Einsatzgebiete der Bundeswehr in aller Welt könne er schon fast nicht mehr alle aufzählen, so Pflüger. Die Äußerung des deutschen Kriegsministers Thomas de Maizière, junge Männer würden in ihrer Zeit bei der Bundeswehr "männlicher" griff Pflüger ebenso auf, wie den jüngsten Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu erleichtern. Bei nicht wenigen TeilnehmerInnen verscherzte sich Pflüger allerdings Symphatien, als er indirekt Wahlwerbung für die Linkspartei bei der im Herbst anstehenden Bundestagswahl betrieb.

Ebenfalls mit Äußerungen des deutschen Kriegsministers de Maizière beschäftigte sich Dietrich Becker-Hinrichs, evangelischer Pfarrer und Mitarbeiter der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion. De Maizière hatte in einem Interview geäußert, Waffen seien "ethisch neutral". Dieser peinliche "Lapsus linguae" ist wohl nur damit zu erklären, daß de Maizière erfolgreich verdrängt hat, daß etwa Streubomben oder Landminen schon längst in internationalen Verträgen geächtet sind. Mit Blick auf Syrien sprach Becker-Hinrichs davon, daß dieses Land mit Waffen "vollgestopft" wurde und Mächte wie die USA und EU auf der einen Seite und Rußland und China auf der anderen ihre Interessen auf dem Rücken des syrischen Volkes austragen.

Becker-Hinrichs bedauerte, daß auch innerhalb der Kirchen immer noch das Argumente vorgebracht werde, der Einsatz von Militär sei nötig, um Völkermord zu verhindern. Dies, obwohl kein einziges historisches Beispiel genannt werden könne, welches diese These belegt. Alle Vorwände, die zur Rechtfertigung von Kriegen je genannt wurden, seien - so Becker-Hinrichs - nur die Tünche, hinter der die anderen Gründe verborgen werden sollen. Innerhalb der evangelischen Landeskirchen soll nun eine Synode darüber beraten, ob Krieg aus christlicher Sicht "ein für allemal geächtet" wird. Auch PazifistInnen auf humanistisch-atheistischer Grundlage werden es sicherlich uneingeschränkt begrüßen, wenn die christlichen Kirchen zu einer Klärung ihrer Position finden.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Zehntausende beim Ostermarsch
      Gegen Krieg und Atomwaffen (9.04.12)

      Ostermarsch in vielen Städten
      Protest gegen Atomenergie und Atombombe (23.04.11)

      50 Jahre Ostermarsch
      Gegen Atomwaffen und für Abzug aus Afghanistan
      (3.04.10)

      "Bewegung am Boden"?
      Die Friedensbewegung nach dem NATO-Gipfel (5.04.09)

      60.000 beim Ostermarsch
      Protest gegen fortgesetzte Kriege
      und gegen Unterdrückung in Tibet (24.03.08)

      Baden-württembergischer Ostermarsch in Stuttgart
      "Vernunft muß her statt Militär!" (23.03.08)

      Demonstration gegen Bombodrom am Neujahrstag
      Bundeswehr will Bombenabwurf üben (1.01.08)

      Ostermärsche setzen Zeichen gegen Tornado-Einsatz
      (8.04.07)

      Zehnausende bei Ostermärschen der Friedensbewegung
      (16.04.06)