5.05.2018

Marx-Statue in Trier
Schande für die deutsche Linke

Marx-Statue in Trier, steht auf dem Kopf - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Trier (LiZ). Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen: Marx hat mit den sogenannten realsozialistischen Diktaturen der UdSSR (bis 1990), Chinas oder Kubas ebenso wenig zu tun wie Jesus mit der Inquisition oder den Hexenverbrennungen. Nun wurde zum 200. Geburtstag von Karl Marx in seiner Geburtsstadt Trier eine Statue aufgestellt, die von der "Volksrepublik" China spendiert wurde. Daß in der deutschen Linken nur wenig Protest dagegen zu vernehmen ist und sich in einigen als sozialistisch firmierenden Tageszeitungen in Artikeln über die Marx-Statue kein kritisches Wort über China finden läßt, ist eine Schande für die deutsche Linke.

Immerhin konstatiert der Deutschlandfunk, daß "es ja einen demokratisch gefassten Stadtratsbeschluss dazu gab, sich den Bronze-Kitsch von China schenken zu lassen." Im März 2017 hatte der Trierer Stadtrat mehrheitlich für die Annahme des Geschenks aus China gestimmt. Oberbürgermeister Wolfram Leibe ("S"PD) hatte gesagt: "Karl Marx ist einer der größten Bürger in dieser Stadt und wir sollten ihn nicht verstecken." Mit dieser Aussage ist allerdings die Frage nicht beantwortet, ob Marx ausgerechnet durch eine vom chinesischen Staat gestiftete Statue in Trier repräsentiert werden kann - oder ob dies Marx von den Füßen auf den Kopf stellt. Die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland hatte unter Verweis auf die Menschenrechtslage in China gefordert, die Statue vorerst nicht einzuweihen. Doch diese Forderung ließ offen, ob Trier das Geschenk zurückweisen oder in einer Lagerhalle einmotten sollte.

Daß das diktatorisch regierte China weltweit deutlich weniger Tote und Hungernde zu verantworten hat als das US-amerikanische Imperium und daß erneuerbare Energien in China ein deutlich stärkeres Wachstum zu verzeichnen haben als in den USA und als in Europa, kann in einem Vergleich zwischen dem angeblich freien "Westen" und China nicht gering geschätzt werden. Eine nüchterne politische Gesamtbilanz bleibt allerdings auch im Falle Chinas negativ und einzelne positive Seiten dürfen daher nicht dazu verleiten, das chinesische politische System als vorbildlich hinzustellen oder gar als sozialistisch zu deuten. Unter einer Auswahl von Verbrechern kann auch der kleinere nicht als Vorbild dienen.

Um die Trierer Marx-Statue selbst lohnt es sich nicht, großes Bohei zu veranstalten. Immerhin gab sogar die Deutsche Bundespost 1968 eine Briefmarke mit dem Konterfei des Ökonomen und Philosophen Marx heraus - in den Farben rot und schwarz. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß dies auf Druck oder auch nur auf eine Anregung der "Achtundsechziger" erfolgte. Und im Deutschlandfunk kritisiert Henning Hübert die "mißglückte" Marx-Statue als Bronze-Kitsch. Von südwestdeutschen SWR stammt hingegen der tumbe Spruch: "Künstlerisch wertvoll ist die Statue zweifellos, immerhin wurde sie von einem der bekanntesten Künstler der Volksrepublik geschaffen."

Die Marx-Statue in Trier wirft in Hinblick auf den Klamauk, den der neue bayerische Ministerpräsident Markus Söder mit dem Aufhängen von Kreuzen veranstaltet, eine interessante Frage auf. Mit dem Kreuz ist schließlich untrennbar auch eine Figur verbunden. Warum gibt es so wenig Protest dagegen, daß ausgerechnet Söder, ein herausragender Menschen- und Naturfeind, Jesus für sich zu vereinnahmen versucht? Ausgerechnet Söder, der schon einmal Realsatire produzierte, als er sich ikonografisch vor dem Hintergrund von Mao und Franz Josef Strauß zu inszenieren versuchte (Siehe: Witz der Woche v. April 2015).

Im Falle des Trierer Marx-Denkmals können alle anti-autoritären Linken immerhin darauf hoffen, daß der Spruch Robert Musils zutrifft: "Nichts ist so unsichtbar wie ein Denkmal."

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      16. März 1968
      Das Massaker von My Lai (16.03.18)

      27. Februar 1933
      Wer steckte hinter dem Reichstagsbrand? (27.02.18)

      Mit Gauck gemeinsam Auschwitz gedenken?
      Putin versäumte nichts (27.01.15)

      Gorbatschow: Westen hielt Versprechen nicht ein
      Sorge vor "neuem Kaltem Krieg" (8.11.14)

      BRICS-Staatenbund gründet eigene Entwicklungsbank
      mit 100 Milliarden US-Dollar Kapital (15.07.14)

      US-Söldner in der Ukraine
      Obamas Spiel mit dem Feuer (11.05.14)

      Arafat und Polonium-210
      Scheinbar widersprüchliche Gutachten (26.12.13)

      Arafat wurde ermordet
      Erhöhte Polonium-210-Werte festgestellt (6.11.13)

      Bei einem Absturz 1961 in North Carolina
      entgingen die USA nur knapp einer Nuklear-Katastrophe
      (21.09.13)

      11. September vor 40 Jahren
      Ein blutiger Putsch mit Beteiligung der CIA (11.09.13)

      Der Prager Frühling
      und dessen Niederschlagung am 21. August 1968
      (21.08.13)

      Georg Elser
      Mut, Recht und Unrecht (4.01.13)

      Ermordung Víctor Jaras unter Pinochet-Diktatur
      Haftbefehle nach 39 Jahren (28.12.12)

      Berufsverbote
      1972: Willy Brandt - 2004: Annette Schavan (28.01.12)

      Klaus Barbie, der "Schlächer von Lyon",
      arbeitete im Kalten Krieg für den BND (20.01.11)

      Patrice Lumumba
      - mehr als ein Symbol (17.01.11)

      Faschistoide Menschenversuche
      mit Wissen der US-Regierung (3.10.10)

      Verbrecherische Menschenversuche
      bei französischen Atombomben-Tests (17.02.10)

      60 Jahre Unrechts-Staat BRD
      (23.05.09)

      10. Jahrestag des Kosovo-Kriegs
      Propaganda von der "humanitären Katastrophe"
      bis heute aufrechterhalten (24.03.09)

      Wer verursachte 1988 die Lockerbie-Katastrophe?
      Nach wie vor Zweifel... (21.12.08)

      Frankreichs Verbrechen auf Moruroa
      188 Atom-Bomben und die Folgen (29.09.08)

      Der "Sturm auf die Stasi-Zentrale"
      - eine Farce (15.01.05)

      Ukraine
      Alles dieselbe Bagage (1.01.05)

      Unrechtsstaat
      Ein Anti-Kommentar von Klaus Schramm (25.08.04)

      Zum Tod von Günter Gaus
      (16.05.04)

      Der 17. Juni 1953
      Zur Antizipation eines Jahrestages (16.06.03)

      Die vergessenen Kriege
      (28.03.03)