11.02.2010

Gerichtsurteil:
Britische Regierung
muß Folterdokumente veröffentlichen
Obama in Verlegenheit

Obama im Nackt-Scanner London (LiZ). Für die britische Regierung unter Gordon Brown ist das jetzt ergangene Urteil ein herber Rückschlag. Außenminister David Miliband hatte gegenüber dem Londoner High Court argumentiert, eine Veröffentlichung der Folterdokumente über den mehr als vier Jahre lang auf Guantánamo eingekerkerten Briten äthiopischer Abstammung Binyam Mohamed würde die "nationalen Sicherheitsinteressen" tangieren. Tatsächlich geht aus den Akten hervor, daß Binyam Mohamed nicht nur von US-Militärs, sondern auch von Angehörigen des britischen Geheimdienstes gefoltert worden war. Im Februar 2009 wurde er wegen offenkundiger Unschuld entlassen und durfte nach Großbritannien zurückkehren.

Internationale Zeitungen, Radio- und TV-Sender hatten zusammen mit Menschenrechts-Organisationen darauf gedrungen, die geheimen Informationen veröffentlichen zu können und den Fall bis vors britische Berufungsgericht gebracht. Das Berufungsgericht stellte nun fest, daß im Fall Binyam Mohamed das öffentliche Interesse schwerer wiege, als die von Außenminister Miliband vorgebrachten Sicherheitsinteressen. Wenn die Bedenken Milibands zutreffen, droht nun eine "schwere Vertrauenskrise" zwischen der britischen und der US-amerikanischen Regierung, da über die aus den USA stammenden Akten Vertraulichkeit vereinbart worden sei. Offenbar hatte die US-Regierung unter Barack Obama damit gedroht, die Zusammenarbeit der Geheimdienste zu beenden, falls Akten aus den USA in Großbritannien veröffentlicht werden sollten. Die 'Wiener Zeitung' berichtet heute (online-Ausgabe) unter Bezug auf interne Quellen, daß das britische Gerichtsurteil zu einer "schweren Verstimmung" der US-amerikanischen Regierung geführt habe. In diesem Zusammenhang - ebenso wie bei der Erhöhung der Militärausgaben und der Fortsetzung der Kriegspolitik - erweist sich die von linken KritikerInnen vor der Präsidenschaftswahl an Obama vorgenommene Analyse als zutreffend, die eine Kontinuität der US-amerikanischen Politik von Clinton über Bush zu Obama vorhersagte.

Die Rolle der britischen Medien ist nach wie vor uneinheitlich: So sprach sich etwa ein Kommentator des als liberal geltenden 'Independent' für ein Recht der britischen Regierung auf Folter aus.

Der damals 24-jährige Binyam Mohamed war 2002 wegen Terrorverdachts in Pakistan festgenommen worden. Nach Zwischenaufenthalten in mehreren Geheimgefängnissen wurde er über vier Jahre lang in dem umstrittenen US-Lager in Guantánamo festgehalten und gefoltert. Nach seiner Freilassung im Februar 2009 erklärte Binyam Mohamed gegenüber der Öffentlichkeit: "Ich muß - mehr in Trauer als in Wut - sagen, daß sich viele an meinem Grauen in den vergangenen sieben Jahren mitschuldig gemacht haben. Ich will keine Rache. Nur soll die Wahrheit bekanntwerden, so daß niemand dasselbe aushalten muß wie ich."

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkung

Siehe auch folgende Artikel:

      Obama verspricht
      Bau neuer Atomkraftwerke in den USA (30.01.10)

      Plante CIA-Killer-Kommando Mord in Hamburg?
      US-Magazin 'Vanity Fair' mit "Verschwörungstheorie" (5.01.10)

      Obamas neue Terrorfront im Jemen
      Bis zu 120 Tote bei Angriff mit Marschflugkörpern (23.12.09)

      Gewaltfreiheit oder Krieg für den Frieden?
      Zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Barack Obama
      (17.12.09)

      Obama zeigt erneut Flagge
      Ein Verbot von Landminen wäre nicht im Interesse seiner Finanziers
      (25.11.09)

      "Friedens"-Präsident Obama erhöht Militär-Etat
      Neuer Weltrekord: 680 Milliarden US-Dollar (29.10.09)

      Obama schürt Konflikt in Somalia
      US-Waffenlieferung ins Krisengebiet (27.06.09)

      Globale Militärausgaben
      auf 1.464 Milliarden US-Dollar gestiegen (9.06.09)

      Obama erhöht den US-Kriegsetat
      Größtes Militär-Budget der Weltgeschichte (8.04.09)

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      Geheimes NATO-Abkommen deckte die Verschleppungen (27.03.09)

      Barack Obama und das Nadelöhr
      Ist von Obama anderes zu erwarten als von Bush? (9.10.08)

      "Rot-Grün" wußte bereits 2001
      von CIA-Gefängnissen in Europa
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      Wie lange kann sich Steinmeier noch halten? (26.10.06)

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      Interview mit Murat Kurnaz (5.10.06)

      Schwede spricht über Folter
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      Britischer Lordrichter kritisiert US-Regierung
      wegen Guantánamo (28.11.03)