28.04.2010

Kritik an Bayer-Konzern

Produktionsanlage für Nano-Röhren

Bayer-Konzern Leverkusen (LiZ). Der Bayer-Konzern richtet in Leverkusen die weltgrößte Produktionsanlage für Nano-Röhren ein. Umweltschutz-Organisationen und Bürgerinitiativen protestieren dagegen, daß der Konzern die Genehmigung als "Versuchsbetrieb" auf dem Schleichweg erlangte und so Mensch und Natur massiv gefährdet.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Nordrhein-Westfalen, die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) kritisieren die Inbetriebnahme einer Produktionsanlage für Nano-Röhren aus Kohlenstoff in Leverkusen. Die weltweit größte Anlage ihrer Art, die Ende Januar die Produktion aufgenommen hat, war von der Bezirksregierung Köln als "Versuchsbetrieb" eingestuft worden und deshalb von einem Genehmigungsverfahren nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes befreit. Der Bau der "Technikum" etikettierten Fabrik beruht lediglich auf einer Genehmigung des Leverkusener Bauamts.

Claudia Baitinger vom BUND erklärte: "Bei allem Respekt: ein Bauamt ist nicht in der Lage, die Risiken von neuartigen Stoffen zu prüfen. Wir fordern ein Genehmigungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit sowie eine toxikologische Bewertung der in Leverkusen produzierten Nanotubes!". Baitinger wird zum Thema in der Bayer-Hauptversammlung am 30. April in den Kölner Messehallen sprechen. Rund 4.000 Aktionäre nehmen an der Veranstaltung teil.

Philipp Mimkes von der CBG ergänzte: "Die Produktion von potentiell gefährlichen Stoffen darf nicht unter Ausschluß der Öffentlichkeit genehmigt werden. Eine Anlage mit einer Produktionsmenge von 200 Tonnen eines Nano-Materials überschreitet zudem deutlich den im Bundesimmissionsschutzgesetz genannten Technikums-Maßstab." Die in Leverkusen hergestellten Nano-Röhren werden unter dem Handelsnamen 'Baytubes' bereits vermarktet, was nach Einschätzung von Mimkes "nicht gerade ein Beleg für einen Versuchsbetrieb" sei.

Professor Dr. Martin Führ, der an der Hochschule Darmstadt unter anderem Umweltrecht lehrt, kommt zu folgender Beurteilung: "Nach den vorliegenden Informationen ist die erteilte Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen das Bundesimmissionsschutzgesetz rechtswidrig. Jeder Anwohner kann dagegen Widerspruch einlegen und damit Bau und Betrieb der Anlage zum Stillstand bringen. Bayer hat sich hier in eine sehr prekäre Situation hinein manövriert. Hier hilft nur, umgehend die Anforderungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes einzuhalten."

Die von Bayer MaterialScience produzierten Nano-Röhren aus Kohlenstoff (Carbon Nanotubes, abgekürzt: CNTs), sollen in Lacken, beim Bau von Rotorblättern und in Sportartikeln wie Skiern oder Hockey-Schlägern eingesetzt werden. Das Gefährdungspotential der neuen Stoffe ist weitgehend unbekannt. Tierversuche deuten darauf hin, daß bestimmte CNTs die Entstehung von Krebs ähnlich wie Asbestfasern begünstigen können. DNA-Schäden der Aorta sind ebenso möglich wie eine Beeinträchtigung der Lungenfunktion. Nano-Röhren können vom Körper sowohl über die Atemwege als auch durch die Haut hindurch aufgenommen werden.

Aus Sicht der Umweltverbände ist offensichtlich, daß eine Anlage dieser Größenordnung keine "Versuchsanlage" darstellt. Vor einer Genehmigung müsse der Betreiber darlegen, daß von der Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, insbesondere welche Emissionen und Immissionen in welcher Höhe zu erwarten sind, welche Wirkungen auf Umwelt und Gesundheit damit verbunden sind, wie hoch die Belastung innerhalb der Anlage ist und welche Mengen dieses speziellen Feinstaubs bei einem Störfall austreten können.

 

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