5.07.2015

Griechisches Referendum: griechisches Nein
Sieg der Unteren Zweidrittel
Sieg für Europa

griechisches Nein - Grafik: Samy
Athen (LiZ). Auf der Grundlage der bisher ausgezählten Stimmen zeichnet sich mit rund 60 Prozent ein klares "Nein" beim Referendum in Griechenland zu den von der demokratisch nicht legitimierten Troika geforderten Tribut-Zahlungen ab.

Ob das Regierungsbündnis aus Syriza und ANEL nun allerdings in der Lage ist, dieses Votum zum Vorteil der unteren Zweidrittel der griechischen Bevölkerung umzusetzen, ist sehr fraglich. Leider hatte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble - unfreiwillig - ganz korrekt festgestellt, daß die griechische Regierung in den fünf Monaten seit dem Wahlsieg am 25. Januar "nichts getan" hat. Tatsächlich hat sie weder die Renten erhöht, noch eine effektive Besteuerung der Reichen realisiert, noch die gigantischen Rüstungs-Ausgaben gedrosselt. In diesen fünf Monaten hat sie nichts unternommen, um in Griechenland die Reichen, die Steuerflüchtlinge und die Wirtschafts-Profiteure stärker an der Last zu beteiligen.

Fast täglich überfluteten die europäischen Mainstream-Medien die Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten mit der Ankündigung immer neuer "Deadlines" (5. Juni, 19. Juni, 30. Juni), Verhandlungs-Marathons, Fristverlängerungen und "Countdowns" bis zum mehrmals neu angesetzten Datum einer vermeintlichen Pleite Griechenlands - alles, um Griechenlands Regierungs-Chef Alexis Tsipras von der als links firmierenden Syriza und seinen Wirtschafts-Minister Yanis Varoufakis als harte Verhandlungs-Partner der Troika erscheinen zu lassen. Und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach davon, die EU sei bereit, "Griechenland weit entgegenzukommen". Die dramatische Inszenierung von Verhandlungen, während der auch Tsipras immer wieder von "Annäherung" fabulierte, war offensichtlich nichts anderes als eine Schmierenkomödie.

Bisher war das einzige "substantielle" Zugeständnis von Seiten der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF), daß die in Griechenland verhaßte Troika in »die Institutionen« umbenannt wurde. Die in den Mainstream-Medien kolportierte zeitliche Streckung von Schulden-Zahlungen war nichts weiter als Kosmetik. Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel ist schon seit vier Jahren klar, daß Griechenland nicht in der Lage ist, jemals die Schulden zu begleichen. Dies belegen auch die von Wikileaks am 1. Juli veröffentlichen Geheim-Dokumente aus den Giftschränken der NSA (Siehe unseren Artikel v. 1.07.15).

Wenig bekannt war bisher in Deutschland auch, wofür frühere griechische Regierungen den staatlichen Etat verschleuderten: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl (11 Millionen) ist Griechenland das am höchsten gerüstete Land in Europa. Auch die Armee ist mit 130.000 Mann - selbst an NATO-Maßstäben gemessen - völlig überdimensioniert. Dennoch gab es in den vergangenen fünf Monaten keinerlei Anzeichen, daß die neue griechische Syriza-ANEL-Regierung daran etwas zu ändern gedenkt. Wenig bekannt ist, daß sich Tsipras vor dem 25. Januar mit Vertretern der Armee-Führung traf und diesen versicherte, die Schlagkraft der Armee zu erhöhen und die Truppenstärke von 130.000 Soldaten beizubehalten. Und Anfang April hat Tsipras mit dem US-Konzern Lockheed Martin einen Vertrag im Volumen von 500 Millionen Euro über die Modernisierung von fünf Militär-Flugzeugen unterzeichnet.

Und trotz "Hilfs"-Programmen und Austeritäts-Politik - also einer Ausplünderung der unteren zwei Drittel der griechischen Bevölkerung und einer Absenkung des Gesundheitssystems auf das Niveau eines "Dritte-Welt-Staates" - kauften Griechenlands Partei-PolitikerInnen weiter Waffen. Griechenland ist Europas größter Rüstungs-Importeur. Das griechische Militär verfügt über 1.600 Panzer - die deutsche Bundeswehr über 400. Und rund 31 Prozent des importierten Rüstungs-Materials kommen aus Deutschland.

All die Ausgaben für Rüstung und Militär, die den griechischen Etat von Schulden-Rekord zu Schulden-Rekord trieben, lagen in den vergangenen zehn Jahren um mindestens 40 Milliarden Euro über dem Niveau, was die griechischen Regierungen bei einem nach europäischen Maßstäben durchschnittlichen Militär-Etat ausgegeben hätte. Finanziert wurde dies weit überwiegend von deutschen und französischen Banken, die so die Geschäfte ihrer nationalen Rüstungs-Konzerne ankurbelten. Daher ist es auch nicht verwunderlich, daß über 75 Prozent der Schulden-Zahlungen Griechenlands direkt in die Tresore von Banken umgeleitet wurden. So konnten die Banken gerettet und die Schulden nach und nach umgeschichtet werden. Griechenland steht mittlerweile nicht mehr in der Schuld der Banken, sondern vor allem die SteuerzahlerInnen Deutschlands und Frankreichs sollen am Ende bluten. Und damit diese nicht erkennen, für wen sie bluten sollen, wird - vor allem auf dem Papier des in Deutschland meistverkauften Toilettenpapiers mit den vier Buchstaben - gegen die GriechInnen gehetzt. Doch offensichtlich lassen sie sich dies nicht länger gefallen. Das Ergebnis des Referendums ist zumindest ein Anfang.

Es ist zugleich ein Ansatz zu einer demokratischen Umgestaltung Europas. Auch in anderen europäischen Staaten erkennen immer mehr Menschen, daß die EU kein demokratisches Gebilde ist. Sie lassen sich nicht mehr davon täuschen, daß die Mainstream-Medien Europa und die EU gleichsetzen und alle Bestrebungen zu einer demokratischen Umgestaltung Europas als anti-europäisch diffamieren. In diesem Sinne hat Griechenland, das als Wiege der Demokratie gilt, Europa mit seinem mehrheitlichen griechisches Nein beim Referendum zu einem unschätzbaren Sieg verholfen.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Wikileaks: NSA bespitzelt auch
      die deutsche Regierung (1.07.15)

      "Nein zu diesem Vertrag!"
      Brief von Linken in Syriza (28.02.15)

      Griechenland und EU
      Kompromiß oder Bluff? (24.02.15)

      Griechenland: Durchbruch für Syriza
      Ende des Elends? (25.01.15)

      Schmiergelder für griechische Panzer-Deals?
      Ermittlungen gegen KraussMaffeiWegmann (14.11.14)

      Banken bekommen
      zweites Griechenland-Hilfspaket (21.02.12)