11.01.2011

300 ProfessorInnen und BUND unterstützen
Appell gegen Massentierhaltung

Little Brother is watching you Berlin (LiZ). 300 ProfessorInnen und weitere WissenschaftlerInnen sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) unterstützen den Appell gegen Massentierhaltung. "In der Massenhaltung wird mit Tieren auf eine Weise umgegangen, die uns als Gesellschaft beschämen muß", heißt es darin. Die WissenschaftlerInnen verweisen auf die fatalen Auswirkungen der Massentierhaltung auf Umwelt, Klima, Gesundheit und globale Gerechtigkeit.

Der Appell1 fordert den Ausstieg aus der Massentierhaltung und die Transformation zu einer sozial-ökologischen Landwirtschaft. Hierfür sei nach Ansicht der Wissenschaftlrinnen eine Neuausrichtung der Agrarsubventionen nach Tier- und Umweltschutzstandards, ein Stop von Exportsubventionen und eine Haltungskennzeichnung für Fleisch, ähnlich wie sie bereits für Eier gilt, nötig. Generell müsse der Tier- und Klimaschutz in der Tierhaltung wirksam verbessert werden. Zu den Unterzeichnern des Appells gehören so renommierte Professoren wie der Theologe Eugen Drewermann, der Umweltethiker Konrad Ott, der Mediziner Wolfram Sterry, der Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer und der Philosoph Dieter Henrich.

"Wir wollen mit diesem Appell demonstrieren, daß es sich bei der Debatte um Massentierhaltung längst nicht mehr nur um ein Randthema von Tierschützerinnen und Veganern handelt", erklärt ein wenig undiplomatisch Friederike Schmitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin am philosophischen Seminar der Universität Heidelberg und eine der InitiatorInnen der Aktion. "Immer mehr Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft wollen sich nicht länger mit den Zuständen in der industriellen Tierhaltung abfinden," so Schmitz. Die Aktion stelle dies insbesondere für die deutsche Wissenschaft unter Beweis, meint sie optimistisch. Neben einer Reihe von ProfessorInnen haben auf der Internetseite
www.gegen-massentierhaltung.de
zahlreiche weitere UnterstützerInnen den Appell unterzeichnet. Insgesamt sind es inzwischen über 8000 Menschen.

Mobilisierend wirken werde dabei auch eine zentrale Demonstration gegen Massentierhaltung am 22. Januar in Berlin, hofft Friederike Schmitz. Das Motto der Demo "Wir haben es satt!" paßt nun insbesondere perfekt zum neuen Dioxin-Skandal. "Wir wollen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner die gesammelten Appell-Unterschriften möglichst bald nach der Demonstration übergeben. Bis dahin rufen wir weiter zur Unterzeichnung auf", erklärt Schmitz.

Umwelt- und Tierschutzverbände unterstützen den Appell. Professor Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sagte: "Im industriellen Maßstab ist Tierhaltung nur möglich, wenn Umwelt- und Tierschutz in den Verordnungen für die Haltung der Tiere ausgeblendet werden. Viel zu viele Tiere werden auf geringstem Raum in immer größeren Ställen zusammengepfercht und bezahlen mit ihrem Leid für das Profitstreben der Fleischkonzerne und das Versagen der Politik."

Weiger weist erneut darauf hin, daß ExpertInnenen über Hundert mögliche Verfahren zur Tierhaltung hinsichtlich Umwelt- und Tierschutz bewertet haben. In der Praxis der Fleischerzeugung sind aber ausgerechnet die Stallformen mit den schlechtesten Noten im Tier- und Umweltschutz wie beispielsweise die Mast auf Betonböden ohne frisches Stroh und ohne Auslauf am weitesten verbreitet.

Während linke Gruppierungen darauf hinweisen, daß der dem Kapitalismus zu Grunde liegende Zwang zur Profimaximierung zu einer industriellen Landwirtschaft und all den damit verbundenen Problemen wie dem Beimischen von Giften und Abfällen unters Essen führt, neigt der BUND zu einer etwas verkürzten Erklärung: "Billigfleisch kommt immer durch Preisdumping zustande."

Für immer mehr Menschen wird allerdings offenbar, daß die Umweltkosten beispielsweise für die anhaltend hohen Nitratbelastungen durch Gülle in Gewässern nicht die Agrarindustrie sondern die Allgemeinheit trägt. Wenig bekannt ist dagegen, daß der in Kürze bevorstehende Tod der Ostsee und das weiträumige Absterben aller dort vorkommenden Lebewesen hauptsächlich durch die Stickstoff- und Nitrat-Einträge der industriellen Landwirtschaft in den Anrinerstaaten und darunter vor allem der BRD provoziert wird. Dabei handelt es sich um Folgen, die kostenmäßig gar nicht mehr zu erfassen sind und die von keiner Allgemeinheit mehr aufgefangen werden können.

Professor Sievert Lorenzen, Zoologe in Kiel und Vorsitzender von 'Provieh e.V.' erklärte in einer Stellungnahme zum Appell: "Zu einer tiergerechten Nutztierhaltung gehört auch eine artgemäße Fütterung. Der aktuelle Dioxin-Skandal zeigt, wie teuer uns scheinbar billige Tierprodukte zu stehen kommen. Außerdem ist damit zu rechnen, daß wegen der Dioxinbelastung im Futter tausende Tiere sinnlos vernichtet werden. Das ist ebenso erschütternd wie qualvolle Haltungsbedingungen oder Gefahren durch antibiotika-resistente Krankheitserreger. Es ist höchste Zeit für ein Umdenken in der Agrarpolitik."

Professor Björn Frank, Volkswirtschaftler an der Universität Kassel, kritisiert, SteuerzahlerInnen seien gezwungen, subventionierte Billigschnitzel mitzufinanzieren. Die Tierethikexpertin und Professorin Ursula Wolf von der Universität Mannheim mahnt, der derzeit sehr hohe Fleischkonsum in Deutschland könne nur durch eine tierquälerische, industrielle Produktion gesichert werden. Für diese Praxis und das mit ihr verbundene Leiden der Tiere gebe es keine Rechtfertigung.

Weitere Informationen zur Berliner Demonstration am 22. Januar:
www.wir-haben-es-satt.de

Der Appell ist zu finden unter:
www.gegen-massentierhaltung.de

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

1 Siehe unseren Artikel vom 23.11.10 und frühere:

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      "Bananenrepublik Deutschland"
      Lächerliche Strafe für Tierquäler (3.11.10)

      Die Ostsee stirbt
      Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)

      'Foodwatch' deckt auf:
      BSE-Gefahr nicht gebannt
      Tiermehl-Schmuggler kommt mit Bußgeld davon
      (26.06.10)

      Bio-Landwirtschaft
      Option für Klimaschutz
      und Sicherung der Welternährung (26.01.10)

      Wald-AIDS weiter virulent
      Aigner veröffentlicht "Waldzustandsbericht 2009"
      (22.01.10)

      Auch 2008 stieg die Zahl der Tierversuche
      Ohne gesicherte wissenschaftliche Notwendigkeit
      (27.10.09)

      Klimaschutz durch Verzicht auf Fleisch
      Bis 2050 über 20.000 Milliarden US-Dollar (17.07.09)

      Bundesregierung unterliegt:
      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich
      (9.06.09)