19.10.2013

Nitrat-Belastung im deutschen Grundwasser
steigt dramatisch

Nitrat aus dem Wasserhahn
Brüssel (LiZ). Nach einem gestern veröffentlichten Bericht der EU-Kommission ist die Nitrat-Belastung in Deutschland und in Malta am höchsten in Europa. Die Verunreinigung der Gewässer durch Nitrate ist zwar in den vergangenen 20 Jahren leicht zurückgegangen, aber der Eintrag durch künstlichen Nitratdünger aus der industriellen Landwirtschaft steigt wieder dramatisch.

Aus dem Bericht über die Umsetzung der Nitrat-Richtlinie geht hervor, daß trotz insgesamt leicht positiver Tendenz die Nitrat-Belastung und Eutrophierung - also das übermäßige Wachstum von schädlichen Pflanzen und Algen, das das Leben in Flüssen und Seen erstickt - noch in vielen EU-Mitgliedstaaten Probleme bereitet. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik mußte eingestehen, daß Nitrate eine "starke Belastung für die Biodiversität, die Gewässer und die Agrar-Flächen" darstellen. An eine Förderung der Biolandwirtschaft oder eine Umstellung der Agrar-Subventionen (siehe hierzu unseren Artikel v. 28.08.13) denkt in der EU-Bürokratie aber offensichtlich niemand. Der Bericht stellt lediglich fest, daß die Landwirtschaft "nicht genügend Anreize" erhalte, um den Einsatz von Nitratdünger einzuschränken.

Nicht länger geleugnet werden kann zudem, daß die Belastung der Wasserqualität durch die industrielle Landwirtschaft in einigen Gebieten immer noch zunimmt. Der EU-Bericht weist darauf hin, die Ursache hierfür seien "einige Verfahren der Intensivlandwirtschaft", die "stark von Düngemitteln abhängig sind, die die Gewässerqualität vor Ort verschlechtern". In Deutschland und Malta sind die Probleme beim Grundwasser am größten, während die Verunreinigung der Oberflächengewässer in Malta, Großbritannien und Belgien am stärksten ist. Beinahe vier von zehn Seen in Europa leiden demnach unter Eutrophierung. Akut ist die Lage in den Niederlanden, wo 100 Prozent des Süßwassers betroffen ist.

Bekanntlich trägt nicht nur der Einsatz von Mineraldünger in der industriellen Landwirtschaft, sondern auch die Massentierhaltung zu übermäßigen Nitrat-Konzentrationen bei. Nitrat aus den Exkrementen der Schweine-, Rinder- oder Geflügel-Haltung sickern in Bäche, Flüsse und Grundwasser ein. Sie verursachen häufig ein übermäßiges Algenwachstum (siehe hierzu etwa unseren Artikel v. 29.07.11), was zu Störungen der Wasser-Ökosysteme führt. Ebenso gehören Luftverschmutzung, gravierende Schädigungen der Wälder, Bedrohung der Biodiversität und die Ausbreitung von Todeszonen in der Ostsee zu den Folgen.

Durch die hohe Nitrat-Belastung des Grundwassers kommt es zu Verunreinigungen des Trinkwassers. Für Nitrat gilt in Deutschland ein relativ lascher Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter Trinkwasser. Nitrat kann im menschlichen Körper zu Nitrosaminen umgebaut werden kann. Diese sind krebserregend.

Im aktuellen Bericht lobt sich die EU-Bürokratie selbst dafür, daß sie vor 20 Jahren das Problem erkannt habe. Die Nitrat-Richtlinie trat EU-weit im Jahr 1992 in Kraft. Doch zugleich heißt es im Bericht: "Obwohl sie in den Mitgliedstaaten bereits gut eingeführt ist, ist ihre vollständige Umsetzung in einigen Ländern noch problematisch." So laufen derzeit gegen sechs Mitgliedstaaten (Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Lettland, Polen und die Slowakei) diesbezügliche Vertragsverletzungsverfahren.

Nach einer Untersuchung der Umweltbundesamtes (UBA), die im Juli bekannt wurde, stammt das Nitrat im Grundwasser hauptsächlich aus der industriellen Landwirtschaft - und zwar aus dem dort eingesetzten Stickstoffdünger. In Ackerbaugebieten lag bei 24 Prozent der Messstellen die Nitrat-Konzentration über 50 Milligramm je Liter Wasser - dem Grenzwert der Trinkwasser-Verordnung. Das UBA versuchte daher auf EU-Ebene auf eine Verschärfung der Dünge-Verordnung zu drängen. 'Report Mainz' veröffentlichte im Juli ein internes Schreiben der EU-Kommission an das deutsche Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV), laut dem diese über "die Entwicklung der Wasserqualität in Deutschland besorgt" ist. Darin fordert sie, daß Deutschland sicherstellen müsse, daß die Wasserqualität in einem ange­messenen Zeitrahmen akzeptabel werde. Eine "Verbesserung der derzeit geltenden Maßnahmen" zum Grundwasserschutz sei erforderlich, um die Ziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen.

Betreiber von Wasserwerken befürchten, den Grenzwert für Nitrat von 50 Milligramm pro Liter bald nicht mehr einhalten zu können. Bernhard Röhrle vom Zweckverband Landeswasser­versorgung in Stuttgart erklärt gegenüber 'Report Mainz': "Die Situation ist besorgniserregend. Wir müssen dringend und kurzfristig reagieren, so daß es zu keinen Grenzwert­überschreitungen kommt." Und Egon Harms vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbund sagt: "Die Situation ist für uns hier mittlerweile hoch dramatisch, weil die Nitrat-Werte wieder steigen."

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Agrar-Subventionen
      BUND fordert Neuausrichtung (28.08.13)

      VGH-Urteil: Natürliches Mineralwasser
      darf Pestizide enthalten (2.08.13)

      Phosphat-Dünger
      Industrielle Landwirtschaft ohne Zukunft (7.05.13)

      Dem deutschen Wald geht es schlechter
      als in den 1980er-Jahren (4.02.13)

      Pestizide vernichten Amphibien
      Umweltbundesamt fordert Beschränkungen (1.02.13)

      Speer-Azurjungfer ist Libelle des Jahres 2013
      Vom Aussterben bedroht (5.01.13)

      Umweltverbände: Aigners Pestizid-Aktionsplan
      ist "mangelhaft" (25.10.12)

      Flächenfraß weiter lebensgefährlich
      BUND fordert Biotopverbund (17.07.12)

      Greenpeace deckt auf
      Pestizide in Obst und Gemüse (26.03.12)

      Wald-AIDS greift um sich
      Zustand der Buchen auf historischem Tiefpunkt (2.02.12)

      Gartenrotschwanz bald ausgerottet
      Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Giftige Grünalgen an der bretonischen Küste
      Sarkozy: "Industrielle Landwirtschaft unschuldig" (29.07.11)

      BUND fordert Aufgabe der Pläne
      zum Elbe-Ausbau und Elbe-Saale-Kanal (9.02.11)

      Uran im Trinkwasser
      foodwatch kritisiert neuen Grenzwert (29.11.10)

      Appell gegen Massentierhaltung
      Für eine Agrar-Wende (23.11.10)

      Die Ostsee stirbt
      Mord per Ackerbau und Viehzucht (27.07.10)

      Hormone im Klärwasser
      Arzneimittelrückstände bedrohen Fische (17.04.10)

      Ostsee-Pipeline gefährdet Ökosystem
      WWF fordert Kompensationen (21.12.09)

      Uran im Trinkwasser
      'Foodwatch' kritisiert zu hohe Belastung (26.11.09)

      Umweltfrevel im Nationalpark
      Nothafen Darßer Ort wird ausgebaggert (6.11.09)

      Deutschlands Wasserverbrauch:
      160 Milliarden Kubikmeter jährlich (3.08.09)

      Der Rhein wird aufgeheizt
      AKW Fessenheim mit maßgeblichem Beitrag (30.06.09)

      Bundesregierung unterliegt:
      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)

      Globale Wasserkrise steht bevor
      Weltwasserforum 2009 in Istanbul (15.03.09)

      Hormone im Mineralwasser
      Plastikflaschen in der Kritik (12.03.09)

      Die Ostsee stirbt
      Immer weniger Schweinswale (28.01.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Steigende Pestizidbelastung
      bei konventionellem Obst und Gemüse
      Politik fördert weiterhin einseitig
      agro-industrielle Landwirtschaft (24.07.08)

      Umweltverbrechen Mais-Anbau
      Nitrat und Pestizide verseuchen das Grundwasser (18.05.08)

      "Umwelt"-Minister Gabriel macht den Coca-Cola-Vertreter
      in der Schule
      Was hat Coca-Cola wirklich mit Wasser zu tun? (24.04.08)

      Die Ostsee stirbt
      Gabriel desinteressiert (15.11.07)

      Die Ostsee stirbt
      Deutschland schaut zu (28.09.07)

      Wasser,
      globale Umweltzerstörung und Klimakatastrophe (14.05.07)

      Schmetterlinge in Deutschland
      80 Prozent vom Aussterben bedroht (13.04.05)

      Explosivstoff Wasser
      Nahost braucht eine gerechtere Verteilung... (1.02.04)

      Agrar-Wende
      Nichts als heiße Luft (24.01.04)

      Wasser und Weltbank (13.07.03)

      Wer gräbt den Armen
      das Wasser ab? (30.03.03)

      Wucher mit Wasser
      Die Folgen der Privatisierung der Wasserversorgung
      (22.03.03)