Philippsburg (LiZ). Der Strom-Konzern EnBW hat Nebelwerfer auf dem Gelände des Atomkraftwerks Philippsburg (Kreis Karlsruhe) installiert und behauptet, so einen effektiven Schutz gegen Terror-Angriffe mit einem Linienflugzeug nach Vorbild des 11. September 2001 bieten zu können. Fachleute bezweifeln allerdings die Wirksamkeit dieser Maßnahme. Baden-Württembergs Minister- präsident Stefan Mappus bescheinigt dem AKW-Betreiber hingegen sein vollstes Vertrauen.
Das baden-württembergische "Umwelt"-Ministerium hatte die Genehmigung für den Bau Ende Juni gegeben. Ein Antrag für eine Vernebelungsanlage liegt auch bereits für das AKW Neckarwestheim vor. Mit Hilfe eines innerhalb von 40 Sekunden nach Eintreffen des Alarms versprühten Nebels rings um das AKW Philippsburg soll aus einem Flugzeug heraus die Anlage nicht mehr erkennbar sein. Der Alarm soll ausgelöst werden, wenn ein Linienflugzeug seine Route verläßt und auf das AKW zusteuert. Die Reaktoren in Philippsburg gelten wegen ihrer herausragenden Lage als besonders verletzlich.
Fachleute bezweifeln jedoch die Wirksamkeit von Vernebelung als Schutz vor Terrorangriffen. Gerade in Zeiten, in denen Navigation mittels GPS (Global Positioning System) selbstverständlich sei, lasse sich ein Terror-Pilot wohl kaum von einer Vernebelung irritieren, schrieb Cornelia Ziehm in einem Gutachten im Jahr 2008. Aus einem von der Umweltschutz-Organisation BUND in Auftrag gegebenen Gutachten geht hervor: "Zwar stehen an einigen wenigen Atomkraftwerken inzwischen Vernebelungsanlagen, diese bieten jedoch keinen ausreichenden Schutz und erschweren im Ernstfall sogar Rettungskräften oder der Feuerwehr ihre Arbeit. Und ein anfliegendes Flugzeug kann auch in einer Nebelwolke sicherheitsrelevante Anlagenteile treffen." Auch Hermann Scheer, Präsident der Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien (Eurosolar) bezeichnet die Ausrüstung von Atomkraftwerken mit Nebelwerfern als "wenig plausibel".
Das Triebwerk einer gezielt zum Absturz gebrachten Linienmaschine kann die Betonkuppel jedes der 17 in Betrieb befindlichen deutschen Atomkraftwerke durchbrechen. Zu dieser mechanischen Wirkung kommt ein Brand mit vielen tausend Liter Kerosin hinzu. Dabei können die Hauptkühlleitungen des Reaktors zerstört werden. Eine Katastrophe wie in Tschernobyl wäre die unausweichliche Konsequenz. Sicherheit vor einer Katastrophe, die weite Teile Mitteleuropas für Jahrzehnte unbewohnbar machen würde, bietet allein die Stilllegung der Atomkraftwerke.
Die Betonhülle des Reaktorgebäudes, die das radioaktive "Herz" des AKW schützen soll, ist beim Reaktor I des AKW Philippsburg nur 80 bis 90 Zentimeter stark. Sie kann also mit relativ geringer Gewaltanwendung zerstört werden. Das AKW Philippsburg mit seinen zwei Reaktoren liegt etwa 30 Kilometer nördlich von Karlsruhe am Rhein. Block I wurde im Mai 1979, Block II im Dezember 1984 in Betrieb genommen.
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Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Terrorziel Atomkraftwerk
TV-Magazin 'Frontal21' veröffentlicht Geheimbericht
(17.06.09)
Atomkraftwerke sind potentielle Terror-Ziele
BUND warnt vor 9/11 in Deutschland (5.09.08)
Schwerer Störfall im AKW Philippsburg I
Reaktor heruntergefahren (6.06.08)
Neues EPR-Atomkraftwerk
kann durch Flugzeug-Attacke zerstört werden (26.03.08)
Lizenz zum Abschuß von Passagierflugzeugen
Bundesverfassungsgericht entscheidet
über "Luftsicherheitsgesetz" (9.11.05)
Präventiver Abschuß von Flugzeugen
Es geht um ungesicherte AKWs (12.01.05)
AKW Neckarwestheim
"Blankes Entsetzen" (29.11.04)
Amt für Fragenschutz
Wendländer bekommen keine Auskunft von "Rot-Grün"
(21.06.04)
Deutsche AKWs ungesichert gegen Flugzeug-Terror
Geheime GRS-Studie in österreichischen Medien
(17.12.03)
AKWs ungeschützt
gegen Terror-Angriffe (7.04.03)
Atom-Ausstieg selber machen!
Der deutsche "Atom-Ausstieg"
Info-Serie Atomenergie - Folge 2