Stuttgart (LiZ). Nach Angaben der VeranstalterInnen haben sich am Samstag rund 60.000 Demon- strantInnen an der Menschenkette zwichen dem baden-württem- bergischen AKW Neckarwestheim und Stuttgart beteiligt. Die überwiegende Mehrzahl der TeilnehmerInnen sprach sich für einen sofortigen Atom-Ausstieg in Deutschland aus. Die VeranstalterInnen vermuten, daß infolge der atomaren Katastrophe in Japan rund 50 Prozent mehr als die erwarteten 40.000 an der Menschenkette teilnahmen.
Allein am Schloß in Ludwigsburg demonstrierten mindestens 10.000 Menschen. Die rund 45 Kilometer lange Menschenkette wurde nach Angaben der VeranstalterInnen gegen 15 Uhr nahezu vollständig geschlossen. Während sich die weit überwiegende Mehrheit der DemonstrantInnen für einen sofortigen Atom-Ausstieg in Deutschland aussprach, richteten sich viele in ihren Wortmeldungen gegen die im Herbst von "Schwarz-Gelb" beschlossene "Laufzeit- verlängerung" für die deutschen AKW. Mehr oder weniger deutlich geht daraus der Wunsch nach einer Rückkehr zu dem von "Rot-Grün" vor zehn Jahren als "Atom-Ausstieg" verkündeten Gesetz hervor. Allerdings scheint dabei vielen nicht klar zu sein, daß dieses Gesetz keine effektive Begrenzung der Laufzeiten festlegte und zugleich die Verdoppelung des bis zum Jahr 2000 in deutschen AKW produzierten radioaktiven Abfalls garantierte.
Pfarrer Ulrich Kornig sagte: "Wir können nicht nach Japan schauen und gleichzeitig den Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke ignorieren." Auch wenn es in Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nicht zu so starken Erdbeben wie in Japan kommen könne, sei das Risiko von Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen ebenso wenig auszuschließen wie das Risiko des Erdbebens in Japan, das stärker war, als bei der Auslegung der Atomkraftwerke vorgesehen. Der Geschäftsführer des Landesverbands des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland), Berthold Frieß, der wie Pfarrer Kornig zu den OrganisatorInnen der Menschenkette gehört, sagte in Neckarwestheim, die aktuelle Lage am japanischen AKW Fukushima Daiichi zeige, wie riskant der Einsatz dieser Energietechnologie sei. "Wir sind mit unseren Gedanken bei den Opfern in Japan und hoffen, daß diese furchtbaren Ereignisse auch bei der Landesregierung für ein Umdenken sorgen", sagte Frieß. Die Mehrzahl der TeilnehmerInnen dürfte allerdings sowohl den Glauben an eine von den Energie-Konzernen unabhängige Politik bei Merkel und Mappus als auch die Hoffnung auf eine Wende im Falle von "rot-grünen" oder "rot-rot-grünen" Koalitionen verloren haben. Der Schritt in die Öffentlichkeit bedeutet nach Aussagen vieler TeilnehmerInnen der Menschenkette die bewußte Entscheidung, sich in Zukunft selbst aktiv für eine Wende in der Energiepolitik einzusetzen.