Göttingen (LiZ). Zu ihrer bundes- weiten Herbstkonferenz hatten sich Atomkraft-GegnerInnen zwischen Freitag und Sonntag in Göttingen getroffen. Zur Debatte standen eine Bewertung des Teilerfolgs der Anti-AKW-Bewegung mit der Stilllegung von acht von 17 Atom-Reaktoren, der gerade erst aufgedeckte Strahlen-Skandal in Gorleben, der für November erwartete CASTOR-Transport von LaHague nach Gorleben, eine Positionierung zum angekündigten Neubeginn einer Endlagersuche und Aktionen zum ersten Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Fukushima im kommenden Jahr.
Lagebestimmung als auch Rückblick und Ausblick der Anti-AKW-Bewegung dienen sollte. Leider hatten krankheitsbedingt Thorben Becker, Leiter des Bereichs Energiepolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), und Jeffry Roffo von der IG Metall kurzfristig abgesagt. Jochen Stay von der Initiative '.ausgestrahlt' war kurzfristig eingesprungen und diskutierte mit Michael Wilk vom AKU Wiesbaden, Mathias Eickhoff von SofA Münster und Martin Nesemann vom Anti-AKW-Magazin 'anti atom aktuell'. Die Einschätzung des von "Schwarz-Gelb" mit "rot-grüner" Unterstützung erneut verkündeten Atom-Ausstiegs im Spannungsfeld zwischen Niederlage und Erfolg zeigte deutlich verschiedene Maßstäbe auf. Während etwa Jochen Stay von einem "großen Teilerfolg" vor dem Hintergrund der "Laufzeitverlängerungen" des vergangenen Herbstes sprach, erinnerten andere an den real vollzogenen Atom-Ausstieg in Österreich (1978) und in Italien (1987). Konsens bestand darüber, daß ein realer Atom-Ausstieg in Deutschland in den kommenden Jahren hart erkämpft werden muß, da die Stilllegung von neun der 17 Atom-Reaktoren lediglich für einen Zeitpunkt nach der kommenden Bundestagswahl 2013 versprochen wurde und damit keineswegs unwiderruflich terminiert ist. Zudem waren sich alle Anwesenden einig, daß ein Zeitraum bis 2022 bis zur Stilllegung des letzten deutschen Atom-Reaktors und weiterer Atomanlagen wie etwa der Urananreicherungsanlage in Gronau inakzeptabel ist. Nach dem Informationsaustausch in mehreren Arbeitsgruppen einigten sich die Anwesenden am Sonntag auf eine Resolution, in der an der alten Forderung nach einem sofortigen Atom-Ausstieg festgehalten wird:
Fukushima hat die zwingende Notwendigkeit der sofortigen Stilllegung aller Atomanlagen weltweit abermals dramatisch deutlich gemacht. Mit der Stilllegung von acht beliebig ausgewählten Atom-Reaktoren hat die Bundespolitik aber lediglich dem gesellschaftlichen Druck in Deutschland Rechnung getragen.
Die Politik feiert ihren "Atom-Ausstieg" und hofft, ein unbequemes Thema los zu sein. Acht Atom-Reaktoren sind vom Netz. Dies ist ein Erfolg des jahrzehntelanges Widerstandes gegen Atomenergie. Die Freude darüber vernebelt aber nicht unseren klaren Blick: Nein, eine logische Konsequenz aus den Ereignissen in Fukushima oder gar ein grundlegender Wandel der Energiepolitik ist dieser "Atom-Ausstieg" nicht! Nein, dieser "Konsens" kann nicht unserer sein!
Neun Atom-Reaktoren laufen weiter, verbunden mit der Gefahr großer Katastrophen. Jeden Tag wird weiter Atommüll produziert. Uranabbau und Uranverarbeitung (Gronau, Lingen) und Atomtransporte gehen weiter. Die Bundesregierung fördert mit Hermesbürgschaften den Neubau von Atomkraftwerken z.B. in Brasilien und hält an der EURATOM-Mitgliedschaft fest. Und Firmen aus Deutschland wie E.on, RWE und die Deutsche Bank sind weltweit am Atomgeschäft beteiligt.
Die sichere Aufbewahrung von Atommüll ist und bleibt eine unlösbare Aufgabe. Über das Atommüll-Dilemma kann nicht durch ein Festschreiben eines Endlagersuchgesetzes hinweggetäuscht werden. Die Ereignisse um das Atommüll-Lager ASSE II und die willkürliche Entscheidung eines "Endlagers" Gorleben sind nicht aufgearbeitet, die politisch Verantwortlichen wurden nicht zur Verantwortung gezogen. Die Stilllegung aller Atomanlagen ist zwingend notwendig vor der Suche nach Standorten für die Lagerung von Atommüll.
Die nachgewiesene Grenzwertüberschreitung am Zwischenlager Gorleben verstößt selbst gegen atomrechtliche Genehmigungen des Betriebs und weiterer Atommülltransporte. Jegliche Freisetzung ionisierender Strahlung verletzt das Recht der Menschen auf körperliche Unversehrtheit. Grenzwerte dienen nicht dem Schutz von Menschen, sondern dem Betrieb von Atomanlagen. Sollte der CASTOR trotzdem rollen, werden wir dem wiederum unseren entschlossenen und vielfältigen Protest und Widerstand entgegensetzen .
Mit Aktionen heute am AKW-Grohnde, zum CASTOR-Transport nach Gorleben (24. November ab Frankreich, Demonstration in Dannenberg am 26.11.), einer internationalen Urankonferenz im Februar in Münster und weltweiten Aktionen zum 1. Fukushima-Jahrestag am 11. März 2012 geht die Auseinandersetzung unvermindert weiter.
Und da Strahlung keine Grenzen kennt, protestieren AtomkraftgegnerInnen auch in den Grenzregionen weiter gemeinsam gegen die dortigen Atomanlagen und vernetzen ihren Widerstand.
Sofortige Stilllegung aller Atomanlagen weltweit!
Nutzung regenerativer Energieträger und effektiver Energienutzung in BürgerInnenhand!