Jülich (LiZ).
2.285 Brennelemente-Kugeln aus dem ehemaligen Kernforschungs- zentrum Jülich sind verschwun- den. Insgesamt 290.705 solcher Kugeln wurden in einem Forschungsreaktor zwischen 1967 und 1988 eingesetzt. Vermutet wird, daß ein Teil davon abgezweigt wurde, um sie in dem bei Hamburg gelegenen Forschungszentrum GKSS zur Entwicklung miniaturisierter Atomwaffen zu benutzen. Am 12. September 1986 war es auf dem Gelände der GKSS oder des benachbarten AKW Krümmel laut Zeugenaussagen zu einer Explosion gekommen, bei vermutlich der radioaktives Material in die Umgebung gelangte.
Von den für den Versuchsreaktor im Kernforschungs- zentrum Jülich produzierten 290.705 Brennelemente-Kugelnlagern befinden sich heute lediglich 288.161 in 152 CASTOR-Behältern im "Zwischenlager" Jülich. Die tennisballgroßen Kugeln enthalten tausende winziger PAC-Kügelchen, in denen in einer Graphit-Keramik-Umhüllung Plutonium, Americium und Curium enthalten ist. Sie sollten großtechnisch im THTR (Thorium-Hochtemperatur-Reaktor) in Hamm-Uentrop eingesetzt werden. Der THTR wurde 1989 wegen ausufernder Kosten und immer neuer technischer Probleme stillgelegt.
Mittlerweile wurde eine offensichtlich falsche Spur gelegt: "Allem Anschein nach" seien die Kugeln im niedersächsischen angeblichen Versuchs-Endlager Asse II gelandet, erklärte die "rote" nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Sie kann jedoch nicht einmal Indizien für diese Behauptung präsentieren. Es ist zwar bekannt, daß von dem bis Ende 2008 zuständigen Helmholtz-Zentrum München - unter der Aufsicht des Bundesfoschungsministeriums - keine vollständigen Listen über die in Asse II eingelagerten radioaktiven Abfälle geführt wurden. In Asse II durften jedoch - zumindest offiziell - nur schwach- und mittelradioaktive Abfälle und daher keine Brennelemente deponiert werden. Ein Sprecher des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), das seit Anfang 2009 für Asse II zuständig ist, erklärte, aus den vorliegenden Unterlagen gehe nicht hervor, daß die vermissten radioaktiven Kugeln in dem Bergwerk lagerten. "Es ist nicht nachvollziehbar, daß der Betreiber der Jülicher Anlage und die Landesaufsicht nicht Auskunft geben können, wo die abgebrannten Kernbrennstoffe verblieben sind."
Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung, die die Verantwortung für das Kernforschungszentrum Jülich trug, weiß anscheinend nicht, wo die verschwundenen 2.285 Brennelemente-Kugeln verblieben sind. Ein Teil der produzierten Kugeln ging laut Protokollen beim Versuchsbetrieb zu Bruch, doch dabei handelt es sich im Vergleich zu den verschundenen 2.285 Kugeln um eine geringe Zahl.
Im "Versuchs-Endlager" Asse II wurden zwischen 1967 und 1978 rundt 126.000 Fässer mit Atommüll eingelagert - angeblich um die Endlagerung zu erforschen. Das Endlager gilt als marode und ist vom Absaufen bedroht. Das BfS erklärt seit nunmehr 14 Monaten, die dringend erforderliche Rückholung des Atommülls vorzubereiten.
Siegfried Faust, Sprecher des Bündnisses 'Westcastor' kommentierte das Verschwinden der Brennelemente-Kugeln aus Jülich: Es handele sich um "einen Skandal, daß sich unsere Befürchtungen, das Forschungszentrum geht leichtfertig mit der Entsorgung des ultragefährlichen Brennelementemülls um, bestätigt hat." Faust fordert eine lückenlose Aufklärung.
Anmerkungen
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