22.12.2009

Coltan-Boom bedroht
Gorillas im Kongo

Blutige Geschäfte
- die dunkle Seite der glitzernden High-Tech-Welt

München (LiZ). Die vom Aussterben bedrohten Gorillas in der zentralafrikanischen "Demokratischen Republik" Kongo (im weiteren: DR Kongo) werden seit Jahren immer weiter zurückgedrängt. Eine rücksichtslose Wilderei und das tödliche Ebola-Virus haben die Bestände der Menschenaffen in den vergangenen 25 Jahren um 60 Prozent schrumpfen lassen. Nun verschärft die steigende Nachfrage nach Coltan, einem Erz, für das bereits Ende der 1990er Jahre Millionen Menschen ihr Leben lassen mußten, auch die prekäre Situation der letzten Gorillas.

Die Artenschutz-Organisation 'Pro Wildlife' warnt vor den verheerenden Folgen für die Gorillas: Die immer weiter in bislang unberührte Urwald-Gebiete vorrückenden Coltan-Minen zerstören den Lebensraum der Tiere. Und für die Fleischversorgung der in den Minen Beschäftigten werden die Menschenaffen im großen Stil gewildert. Hinter dem Begriff "Buschfleisch" verbirgt sich in aller Regel der illegale Raubbau an den Restbeständen der Gorillas.

Das Erz Coltan, das aus einer Verbindung der beiden Metalle Niob (im US-amerikanischen Sprachgebrauch: Columbium) und Tantal besteht, wird für die Produktion von Mobiltelefonen, Spielkonsolen und Laptops benötigt. Nicht nur für die zivile, sondern insbesondere für die militärische Produktion zählt Coltan zu den "unverzichtbaren" Rohstoffen. Das seltene Metall Tantal ist extrem hitze- und säurebeständige und einfach zu verarbeiten. Neben dem massenhaften Einsatz in "Handys" kommt es in Flugzeugmotoren, Airbags, Nachtsichtgeräten und Kondensatoren zum Einsatz. Insbesondere in der Raumfahrttechnik und bei High-Tech-Waffen spielt der Stoff eine wichtige Rolle. Das Pentagon stuft Tantal als "strategischen Rohstoff" ein. In den vergangenen Jahren stieg zudem die industrielle Nachfrage nach dem anderen Bestandteil des Coltan, nach Niob.

'Pro Wildlife' fordert, daß Elektronik-Konzerne kein Coltan aus dem Kongo mehr verarbeiten dürfen, bis zuverlässige Umweltstandards Raubbau und Wilderei ebenso ausschließen wie eine Mitfinanzierung des Bürgerkriegs. In den Bürgerkriegs-Regionen der DR Kongo spielt sich neben dem humanitären auch ein ökologisches Desaster ab. Coltan wird in den dortigen Minen nahezu ausschließlich im Auftrag verfeindeter Milizen abgebaut. Diese bezahlen ihren Waffen-Nachschub gegen Dumpingpreise mit dem auf dem Weltmarkt immer stärker nachgefragten Coltan. Zugleich werden die Beschäftigten in den Minen, die in katastrophalem Tagebau ihr Leben riskieren, mit dem Fleisch illegal erlegter Wildtiere versorgt.

Bereits während des ersten High-Tech-Booms um die Jahrtausendwende wurde die Hälfte aller Graurücken-Gorillas im Kahuzi-Biega-Nationalpark getötet. Auch der Virunga-Nationalpark, einer der letzten Zufluchtsorte der Berggorillas, ist betroffen. Nun schlägt 'Pro Wildlife' Alarm: "Seit vor einem Jahr die weltweit größte Coltan-Mine in Australien geschlossen wurde, ist der Kongo zum Coltan-Hauptlieferanten geworden", berichtet Dr. Sandra Altherr von 'Pro Wildlife'. "Und noch immer gehören europäische Firmen zu den Kunden der kongolesischen Milzen, die mit Coltanabbau ihren Krieg finanzieren." Präziser wäre es, Ursache und Wirkung zu benennen: Konzerne schüren und finanzieren den "Bürgerkrieg", um so billig an einen kostbaren Rohstoff zu gelangen.

Vor einem Jahr beendeten die Betreiber der Wodgina-Mine in Australien ihre Förderaktivitäten - unter anderem, weil sie mit den Dumpingpreisen für Coltan aus Zentralafrika nicht mehr mithalten konnten. Australien war bis dato mit 31 Prozent Markt-Anteil die weltweit größte Quelle für Coltan. Im Frühjahr stoppten zwei weitere Minen in Kanada und Mozambik die Produktion. "Zwar können manche Hersteller von High-Tech-Produkten noch auf Coltan-Vorräte zurückgreifen, doch nun entstehen Versorgungslücken, die aus dem Kongo aufgefüllt werden", so die 'Pro-Wildlife'-Sprecherin. Stammten 2004 nur 92 Tonnen Coltan aus dem Kongo, waren es 2007 bereits 426 und 2008 sogar etwa 517 Tonnen - im Jahr 2009 ist mit über 750 Tonnen zu rechnen.

Coltan aus dem Kongo findet noch immer seinen Weg auf den europäischen Markt - entweder direkt oder über den Umweg Ruanda. Laut einer ExpertInnengruppe der Vereinten Nationen beziehen Firmen mit Sitz in Belgien, England, Österreich, der Schweiz und in Holland kongolesisches Coltan. "Wer Coltan aus dem Kongo verarbeitet, finanziert einen grausamen Bürgerkrieg und macht sich mitschuldig an der Ausrottung der Gorillas", erklärt Altherr. Derzeit entwickelt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover eine geochemische Methode, um die Herkunft von Coltan nachzuweisen. Bisher gibt dies jedoch noch keine Sicherheit: "Solange Firmen keine Nachweispflicht für eine umweltverträgliche Coltan-Produktion haben und die Unabhängigkeit der Testlabors nicht gewährleistet ist, geht der Raubbau im Kongo weiter", so die 'Pro-Wildlife'-Sprecherin.

 

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