London (LiZ). Die britische Tages- zeitung 'Guardian' enthüllt in der Vorab-Veröffentlichung aus einem neuen Buch* des US-amerika- nischen Wissenschaftlers Sasha Polakow-Suransky ein geheimes militärisches Abkommen, worin der heutige Präsident Israels Schimon Peres dem Staat Südafrika Atomwaffen zum Kauf angeboten hat. Die damalige israelische Regierung war zu diesem Deal offenbar bereit, um Uran für die eigene Atomwaffen-Produktion zu erlangen.
Die als "streng geheim" klassifizierten Protokolle der Besprechungen zwischen leitenden Beamten aus den beiden Ländern im Jahr 1975 beweisen, daß Südafrikas damaliger Verteidigungsminister und spätere Staatspräsident (1984 bis 1989) Pieter Willem Botha wegen nuklearen Sprengköpfe anfragte und Schimon Peres, damals Israels Verteidigungsminister und heutiger Präsidenten, diese "in drei Größen" anbot. Die beiden Männer unterzeichneten auch eine weit reichende Vereinbarung über militärische Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Diese enthielt eine Klausel enthielt, wonach "die Existenz dieser Vereinbarung" geheim bleiben sollte.
Die israelischen Behörden versuchten laut 'Guardian' Druck auf die heutige ANC-Regierung Südafrikas auszuüben, um diese davon abzuhalten, die Dokumente auf Polakow-Suranskys Anfrage hin freizugeben. Die heutige Veröffentlichung ist besonders brsiant in Hinblick auf die in New York stattfindenden Gespräche über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen, die sich in dieser Woche mit dem Nahen Osten beschäftigen sollen. Sie wird auch den Versuch der israelischen Regierung erschweren, sich als eine Macht darzustellen, die - falls sie über Atomwaffen verfügte - diese "verantwortungsbewußt" zu handhabenund nicht zu mißbrauchen, wohingegen Ländern wie dem Iran nicht zu trauen sei.
Eine Sprecherin des israelischen Präsidenten Schimon Peres sagte heute, der Bericht des 'Guardian' sei ohne Grundlage und es habe "nie irgendwelche Verhandlungen" zwischen den beiden Ländern gegeben. Sie wollte die Authentizität der vorgelegten Dokumente nicht kommentieren.
Die Dokumente aus den Archiven des Staates Südafrika zeigen, daß das Militär der Apartheid-Ära die Atom-Raketen nicht nur als Abschreckungswaffe besitzen wollte, sondern auch für Präventivschläge gegen die Nachbarstaaten vorsah. Aus dem Dokument geht weiterhin hervor, daß sich beide Seiten 31. März 1975 trafen. Bei den Gesprächen haben israelische Beamte "Südafrika offiziell angeboten, einige der nuklearträgerfähigen Jericho-Raketen aus ihrem Arsenal" zu verkaufen.
Unter den Teilnehmern der Sitzung war der südafrikanische Chef des Generalstabs, Generalleutnant RF Armstrong. Er fertigte unmittelbar anschließend ein Memo an, in dem er die Vorteile für Südafrika bei einem Kauf der Jericho-Raketen darlegte - aber nur im Falle einer Ausstattung mit Atomwaffen.
Das Memo, das mit "streng geheim" gekennzeichnet wurde und auf denselben Tag wie das Treffen mit den Israelis datiert ist, war bereits aufgedeckt, aber außerhalb dieses Kontexts nicht vollständig verstanden worden, da nicht bekannt war, daß es direkt mit dem israelische Angebot desselben Tag verknüpft ist und daß es die Grundlage für eine direkte Anfrage an Israel war. In diesem Memo schreibt Armstrong: "In Anbetracht der Vorzüge eines Waffensystems wie dem angeboten, wurden bestimmte Annahmen gemacht: a) daß die Raketen mit nuklearen Sprengköpfen ausgestattet werden, die in der RSA (Republik Südafrika) hergestellt oder von anderswo bezogen werden."
Aber Südafrika war Jahren davon entfernt, Atomwaffen bauen zu können. Wenig mehr als zwei Monate später, am 4. Juni, trafen sich Schimon Peres und Pieter Willem Botha in Zürich. Ab da trug das Jericho-Projekt den Codenamen Chalet.
Aus dem streng geheimen Protokoll der Sitzung geht hervor: "Minister Botha zeigte Interesse an einer begrenzten Anzahl von Einheiten Chalet unter dem Vorbehalt, daß die korrekte Nutzlast zur Verfügung stehe." Weiter geht aus dem Dokument hervor: "Minister Peres sagte, die korrekte Nutzlast sei in drei Größen erhältlich. Minister Botha drückte seinen Dank aus und sagte, er werde entsprechende Vollmacht erbitten."
Die Verwendung des Euphemismus "korrekte Nutzlast" ist ein Hinweis auf die israelische Empfindlichkeit bezüglich des nuklearen Themas und wäre nicht benutzt worden, wenn es sich um konventionellen Waffen gehandelt hätte. Es kann sich auch deshalb nur um nukleare Sprengköpfe gehandelt haben, da aus Armstrong Memorandum deutlich hervorgeht, daß Südafrika sich für die Jericho-Raketen ausschließlich als Mittel zur Bereitstellung von Atomwaffen interessierte.
Botha kam unter anderem wegen der Kosten nicht mit dem Deal weiter. Darüber hinaus wäre jeder Deal von der endgültige Genehmigung durch Israels Ministerpräsidenten abhängig gewesen - und es ist ungewiß, ob diese zustande gekommen wäre.
Der Apartheid-Staat Südafrika baute schließlich seine eigenen Atombomben, wenn auch mehr oder weniger geheim mit israelischer Unterstützung. Aber die Zusammenarbeit im Bereich der Militär-Technologie wuchs nur im Lauf der darauffolgenden Jahre. Südafrika stellte einen großen Teil des Uran-Yellowcake zur Verfügung, das Israel zur Produktion seiner Atomwaffen benötigte.
Die Dokumente bestätigen die entsprechenden Konten eines ehemaligen südafrikanischen Marine-Kommandanten namens Dieter Gerhardt. Dieser wurde im Jahr 1983 wegen Spionage für die Sowjetunion zu Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung und dem Zusammenbruch des Apartheid-Regimes, sagte Gerhardt aus, daß es eine Übereinkunft zwischen Israel und Südafrika unter der Bezeichnung Chalet gegeben habe. Diese habe ein Angebot des jüdischen Staat enthalten, acht Jericho-Raketen mit "speziellen Sprengköpfe" auszurüsten. Gerhardt sagte, es habe sich dabei um Atombomben gehandelt. Aber bis heute gab es keinen dokumentarischen Nachweis des Angebots.
Einige Wochen bevor Peres sein Angebot über nuklearen Sprengköpfen gegenüber Botha aussprach, unterzeichneten die beiden Verteidigungsminister ein geheimes Abkommen über die militärische Allianz, das unter dem Codenamen Secment bekannt wurde. Sie war so geheim, daß sie eine Verleugnungs-Klausel der eigenen Existenz enthielt: "Es wird hiermit ausdrücklich vereinbart, daß selbst die Existenz dieser Vereinbarung (...) geheim bleiben soll und von keinem der Vertragspartner offengelegt werden darf." Die Vereinbarung enthält außerdem, daß keiner der Vertragspartner einseitig den Vertrag auflösen könne.
Die Existenz von Israels Atomwaffen Programm wurde von Mordechai Vanunu in der Sunday Times im Jahr 1986 enthüllt. Er lieferte Photografien aus dem Inneren der Dimona Nuklear-Anlage und gab detaillierte Beschreibungen der Prozesse, die bei einem Teil der Herstellung der Atomwaffen ablaufen, konnte aber keine schriftlichen Unterlagen liefern.
Dokumente, die iranischen Studenten aus der US-Botschaft in Teheran nach der Revolution von 1979 erlangt hatten, enthüllten, daß der Schah sein Interesse daran bekundet hatte, daß Israel Atomwaffen entwickelte. Doch erst die Dokumente Südafrikas liefern den Beweis, daß Israel war in der Lage war, Jericho-Raketen mit nuklearen Sprengköpfen auszurüsten.
Israel setzte die gegenwärtige südafrikanischen Regierung unter Druck, die Dokumente, die Polakow-Suransky anforderte, nicht freizugeben. "Das israelische Verteidigungsministerium versuchte, einen Zugriff auf das Secment-Abkommen zu blockieren. Es gegründete dies damit, es handele sich um sensitives Material, insbesondere hinsichtlich der Unterschrift und des Datums", sagt Polakow-Suransky. "Die Südafrikaner schien das nicht zu kümmern, sie haben ein paar Zeilen geschwärzt und überreichten es mir. Die ANC-Regierung macht sich keine großen Sorgen über den Schutz der schmutzigen Wäsche alter Verbündeter des Apartheid-Regimes."
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Anmerkungen
* Sasha Polakow-Suransky, The Unspoken Alliance: Israel's secret alliance with apartheid South Africa (Die verschwiegene Allianz: Israels geheime Verbindung mit dem Apartheid-Staat Südafrika)
Das Buch wird in den USA in dieser Woche veröffentlicht.
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