4.10.2011

Ozonloch über der Arktis
Stratosphäre aus dem Gleichgewicht

Ozonloch über der Arktis, 6. März 2011 Potsdam (LiZ). Über der Arktis hat sich ein Ozonloch gebildet, das bereits fast so groß ist wie die früheren Ozonlöcher über der Antarktis. Betroffen ist eine Fläche, die etwa fünfmal so groß ist wie Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt ein inter- nationales Team von Wissen- schaftlerInnen unter Beteiligung des Potsdamer Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung.

Die beunruhigenden Ergebnisse der aktuellen Studie über das arktische Ozonloch wurden jetzt in der renommierten Wissenschaftszeitschrift 'Nature' veröffentlicht. Ausgedünnt hat sich die Ozonschicht bereits seit dem Frühjahr. Bei der Bildung des neuen Ozonlochs spiele auch der Treibhauseffekt eine Rolle, so die ForscherInnen. Bekanntlich kommt es trotz der in der langfristigen Tendenz ansteigenden globalen Temperatur nicht selten zu extremen Kältephasen. Und eine solche über Monate anhaltende Kälte trug zur Ausdünnung der Ozonschicht über dem Nordpol bei.

Ozonzerstörende Stoffe entstehen bei Temperaturen von mindestens Minus 78 Grad Celsius. Negativ wirkte sich zudem ein ungewöhnlich stabiler Polarwirbel aus. Es handelt sich dabei um ein Tiefdruckgebiet, das die polaren Luftmassen zusammenhält und eine Durchmischung verhindert. "Das ist wie eine Art Kochtopf, in dem die ozonzerstörenden Mechanismen erst wirksam werden können," erklärt Atmosphärenforscher Markus Rex vom Potsdamer Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Schimmernden Perlmuttwolken sind ein sichtbares Zeichen dafür, daß die Stratosphäre aus dem Gleichgewicht geraten ist. Sie bilden sich bei großer Kälte in 10 bis 30 Kilometern über dem Erdboden. Darin enthalten sind natürlich vorkommende Salpeter- und Schwefelsäure. In diesen Wolken wiederum verwandeln sich die Abbauprodukte der in den Industriestaaten emittierten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) in aggressive Chemikalien, die bei Sonneneinstrahlung Ozon zerstören. Das Ozonloch zog binnen zwei Wochen über Teile Skandinaviens, Rußlands und der Mongolei hinweg. Der Ozongehalt in der Stratosphäre sank enorm. Nach den Messungen der ForscherInnen ging die arktische Ozonschicht Anfang dieses Jahres zeitweilig um 80 Prozent zurück.

Tiefe Temperaturen in der Stratosphäre laufen zudem parallel mit dem globalen Temperaturanstieg an der Erdoberfläche. Seit den 1960er Jahren beobachten WissenschaftlerInnen einen Trend zur Abkühlung in der Stratosphäre. Vereinfacht gesagt halten die steigenden Treibhausgas-Konzentrationen die Wärmestrahlung der Erde in den tieferen Luftschichten zurück: Während es also unten immer wärmer wird, wird es oben immer kälter – optimale Voraussetzungen zur Bildung von Ozonlöchern.

Von den Auswirkungen des aktischen Ozonloch können neben Tieren und Pflanzen weitaus mehr Menschen direkt betroffen sein als bei den vor Jahren zu beobachtenden Ozonlöchern über der nahezu unbewohnten Antarktis. Von diesen Ozonlöchern war das dortige Ökosystem bedroht und noch heute müssen sich die AustralierInnen dick eincremen, wenn sie sich sonnen wollen. Selbst harmlose Aktivitäten im Freien können schnell zu Hautverbrennungen führen. Für die BewohnerInnen Australiens ist das Risiko am lebensgefährlichen schwarzen Hautkrebs, dem malignen Melanom, zu erkranken, 13 Mal so hoch wie im Durchschitt der anderen Länder. Die Zahl der Fälle von Hautkrebs stieg zwischen 1982 und 2007 um 27 Prozent. Es dauerte viele Jahre bis 1987 endlich technische Maßnahmen durchgesetzt werden konnten, um den Ausstoß von FCKW aus Industrieanlagen, Spraydosen oder auch Kühlschränken einzudämmen. Doch die Folgen der Zerstörung sind bis heute spürbar.

Das arktische Ozonloch kann bis über dicht besiedelte Gebiete abtriften. Markus Rex hat berechnet, daß es sich in südlicher Richtung bis auf Breitengrade im Bereich Roms bewegen kann. Es sei "großes Glück" gewesen, daß das arktische Ozonloch Deutschland in diesem Jahr nur in den Küstenregionen gestreift hat und dann Richtung Osten abgedriftet ist. Sonnenbrand wäre in den betroffenen Regionen zunächst nur eine der harmloseren Folgen, so Markus Rex. Die erhöhte Belastung mit UV-Strahlung ist mit der eines Hochsommers vergleichbar. Dies geschieht allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem niemand damit rechnet und die Haut der Menschen noch vergleichsweise empfindlich reagiert. "Spürbar" jedoch seien die UV-Strahlen im Frühjahr nicht: "Die Sonne ist nicht heißer, sie sticht auch nicht. Den Sonnenbrand bemerkst du erst, wenn es bereits zu spät ist," erläutert Markus Rex. Denkbare Folge des Ozonloches könne daher langfristig ein Anstieg der Hautkrebsrate sein.

Zwar wurde die Produktion von FCKW weltweit mit einem im Jahr 1987 unter dem Dach der UNO verabschiedeten Abkommen weitgehend unterbunden, diese Chemikalien sind jedoch verhältnismäßig stabil und zerfallen erst im Laufe von Jahrzehnten. Nach heutigem Wissensstand wird es bis um das Jahr 2100 dauern, bis die im vergangenen Jahrhundert produzierten FCKW weitgehend verschwunden sein werden.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Beschleunigtes Amphibiensterben
      Ein Drittel aller Amphibien vom Aussterben bedroht
      (8.03.07)

      Wird das Ozonloch größer? (8.01.07)

      JedeR vierte AustralierIn hat Hautkrebs
      Ozonloch und Chemiepolitik (5.03.04)