5.01.2010

Plante CIA-Killer-Kommando
Mord in Hamburg?

US-Magazin 'Vanity Fair' mit "Verschwörungstheorie"

Emblem der CIA Hamburg (LiZ). Er sieht aus wie ein durchschnittlicher Deutscher. Vielleicht würde ein Anthropologe römische Vorfahren aus der Besatzungs-Zeit von vor 2000 Jahren vermuten. Nachbarn in Hamburg beschreiben Mamun Darkazanli, den deutschen Geschäftsmann syrischer Herkunft, als höflich, gutbürgerlich gekleidet und mit feinen Manieren. Nun veröffentlichte das US-Magazin 'Vanity Fair' eine Story, wonach CIA-AgentInnen und MitarbeiterInnen der Söldnerfirma Blackwater die Ermordung dieses Mannes in Hamburg vorbereitet haben sollen.

Beim US-amerikanischen Geheimdienst CIA steht der 51-jährige Mamun Darkazanli angeblich im Verdacht, über viele Jahre ein Helfer der angeblich existierenden Terror-Organisation Al-Qaida gewesen zu sein. Laut 'Vanity Fair' soll Darkazanli deshalb auf einer Todesliste der CIA gestanden haben. Und über den geplanten Mord-Anschlag breitet das Magazin einiges an Material aus: Ein Killer-Kommando habe Darkazanli wochenlang observiert. Dabei seien weder die deutschen Sicherheitsbehörden noch der BND informiert worden. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte US-Präsident George W. Bush die CIA nach offiziellen Angaben autorisiert, Al-Qaida-Terroristen aufzuspüren und zu töten. Wie es hieß war die "Lizenz zum Töten" 1975 vom früheren US-Präsidenten Ford aufgehoben worden. Der Darkazanli-Job habe den simplen Titel "Find, fix and kill" getragen. In die Hansestadt sei das Killer-Kommando unerkannt eingereist und habe Darkazanli über Wochen beschattet, um den richtigen Ort und Zeitpunkt des "Zugriffs" vorzubereiten. Das Programm soll dann "wegen des Mangels an politischem Willen" eingestellt worden sein.

In den USA gelten die deutschen - noch geltenden - rechtsstaatlichen Maßstäbe als zu lax oder zu streng, je nachdem aus welchem Blickwickel die Angelegenheit betrachtet wird. Leben und Freiheit des Mamun Darkazanli wird von CIA und US-Regierungskreisen offenbar als Symbol für ein deutsches Versagen beim Anti-Terror-Kampf angesehen. Den deutschen Sicherheitsbehörden war nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von US-amerikanischen Regierungsmitgliedern vorgeworfen worden, sie seien über viele Jahre nicht rigoros genug gegen Darkazanli vorgegangen, obwohl dieser früh Kontakt zu Al-Qaida-Leuten gepflegt habe und unter anderem mit drei Mitgliedern der angeblichen Hamburger Terrorzelle bekannt gewesen sei, von denen behauptet wird, sie hätten die Anschläge auf WTC und Pentagon vorbereitet: "Die deutsche Regierung hat islamistische Gruppen offenbar nicht als Bedrohung wahrgenommen", heißt es in einem Bericht des US-Kongresses. Zeitweise wurde massiv Druck auf deutsche Gerichte ausgeübt, die die Aussage von anonym auftretenden "Zeugen" aus den USA als Beweismittel hätten akzeptieren sollen.

Im September 2004 hatte die spanische Justiz gegen Darkazanli einen Haftbefehl verhängt, weil er zu einer spanischen Terrorzelle Kontakt gehabt haben soll. Aber das Bundesverfassungsgericht kippte 2005 auf eine Verfassungsbeschwerde Darkazanlis hin das deutsche Gesetz zum europäischen Haftbefehl.

Offenbar hing das Leben Darkazanlis viele Jahre am sprichwörtlichen seidenen Faden. Bereits seit 1993 war die CIA hinter ihm her. Bei einem in Afrika festgenommenen Terrorverdächtigen soll Darkazanlis Hamburger Telefonnummer aufgetaucht sein. In den folgenden Jahren fand sich seine Telefonnummer angeblich auch bei europäischen Terror-Verdächtigen. Mitte der neunziger Jahre vermittelte er den Kauf eines Schiffes, das angeblich für Al-Qaida bestimmt sein sollte. Und laut einem Bericht der 'Chicago Tribune' muß sich Darkazanli 1999 den besonderen Zorn der CIA zugezogen haben: Der US-Geheimdienst habe damals vergeblich versucht, Darkazanli als Agenten anzuwerben. Verwunderlich wäre es nicht, wenn die Vorwürfe gegen Darkazanli lediglich dem Zweck gedient haben, ihm eine Mitarbeit als Agent schmackhaft zu machen.

Darkazanli weist die Vorwürfe zurück. Ihm sei "nicht bekannt" gewesen, daß "der Erwerber dieses Schiffs der Chef der Al-Qaida gewesen sein soll." Das ehemalige deutsche Nachrichtenmagazin 'der spiegel' mußte diese Feststellung am 19. Dezember 2009 zusammen mit einer Gegendarstellung Darkazanlis vom 30. November abdrucken. Diese Gegendarstellung bezog sich auf einen Artikel des 'spiegel' vom 19. Oktober 2009 auf Seite 17. Die lange Frist zwischen 'spiegel'-Artikel und Gegendarstellung deutet darauf hin, daß Darkazanli es zunächst im Guten versuchte und erst zeitverzögert von seinen rechtlichen Mitteln Gebrauch machte.

Weiter wurde Darkazanli zur Last gelegt, er habe in den neunziger Jahren die Vollmacht für ein Konto gehabt, das ErmittlerInnen dem damaligen angeblichen Finanzchef von Al-Qaida zuschrieben: "Mir ist bis heute nicht bekannt, daß der Inhaber des Kontos der Finanzchef der Al-Qaida war", teilt Darkazanli in seiner Gegendarstellung mit.

Angebliche Fotos von Darkazanli wurden verbreitet, die ihn bewaffnet am Hindukusch zeigen. Doch seine Frau Brigitte, die zu ihm hält, hat früh darauf hingewiesen, daß es sich um Fälschungen handeln müsse. Zwei Tage nach dem 11. September 2001 durchsuchten BeamtInnen des Bundeskriminalamts die Wohnung der beiden in Hamburg. Drei Wochen später wurden Ermittlungen wegen Terrorverdachts eingeleitet, die dann im Juli 2006 von der Bundesanwaltschaft eingestellt wurden. Offenbar hatte es behördenintern heftige Auseinandersetzungen um die Behandlung des Falles Darkazanli gegeben. Die Einstellungsverfügung wurde danach äußerst sorgfältig formuliert und umfaßt mehr als 70 Seiten.

Mamun Darkazanli hatte zwar über viele Jahre hin Angst, er könne von einem US-Kommando entführt werden, um möglicherweise in Guantanamo interniert zu werden. Doch er konnte sich nicht vorstellen, daß Killer auf in angesetzt seien, um ihn auf deutschem Boden zu ermorden. Gegenüber US-amerikanischen Reportern äußerte er, er vertraue auf die Rechtsordnung in seiner deutschen Heimat.

Welche Folgen der Bericht von 'Vanity Fair' haben wird, ist noch nicht vorherzusehen. Vermutlich werden deutsche Behörden keine Ermittlungen gegen Unbekannt einleiten.

Der Autor des Berichts, Adam Ciralsky, ist bereits seit einigen Jahren mit der Story befaßt. Auch mit der CIA dürfte er sich gut auskennen, da er früher als Anwalt für diesen Geheimdienst gearbeitet hat. Und nach Angaben des US-amerikanischen TV-Senders NBC arbeitet Ciralsky seit geraumer Zeit an einer Dokumentar-Serie, die von der Suche nach angeblichen Terrorverdächtigen und angeblichen KriegsverbrecherInnen handelt.

Der Bericht von 'Vanity Fair' erhält durch die aktuelle Situation besondere Brisanz. US-Präsident Barack Obama hatte entgegen seinem im Wahlkampf aufgebauten Image kurz vor Weihnachten einen Vergeltungsangriff mit Marschflugkörpern gegen vermeintliche Al-Qaida-Standorte im Jemen angeordnet, bei dem über 120 Menschen getötet wurden. Offenbar handelte es sich bei den Opfern überwiegend um ZivilistInnen. Umstritten sind solche Einsätze allerdings in erster Linie wegen der Frage, wie es mit dem Anspruch der USA, ein zivilisierter Staat zu sein, vereinbar ist, Menschen ohne Gerichtsverfahren, ohne Richter und ohne Möglichkeit der Verteidigung, zum Tode zu verurteilen. Auch in Deutschland wurde diese Frage durch die mittlerweile bekannt gewordenen Informationen über das Kundus-Massaker aufgeworfen.

 

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