Zu den Darstellungen des Vereins „ausgestrahlt“
zum Standortauswahlverfahren
Mit der Suche nach dem bestmöglich sicheren Standort für hochradioaktive Abfälle steht Deutschland vor besonderen Herausforderungen. Die Zeiträume, die dabei zu betrachten sind, entziehen sich unserer Vorstellungskraft – nämlich eine Million Jahre. Dementsprechend einzigartig ist auch das Auswahlverfahren, das 2017 von Bundestag und Bundesrat im überparteilichen Konsens beschlossen wurde. Es gibt kein vergleichbares Infrastrukturprojekt in Deutschland, bei dem der Gesetzgeber eine so umfassende und frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit vorsieht. Dies ist eine der Konsequenzen, die aus den seit Jahrzehnten unbeantworteten Fragen nach einer sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle gezogen wurden.
Ohne fachliche und politische Vorfestlegungen
Momentan befindet sich das Standortsuchverfahren noch am Anfang. Das Endlager soll am Ende in einer tiefen geologischen Schicht errichtet werden. Ohne jegliche fachliche oder politische Vorfestlegungen wird zunächst ganz Deutschland hinsichtlich seiner geologischen Situation betrachtet – es wird daher von einer „weiße Landkarte“ gesprochen.
Bevor überhaupt erste Ergebnisse der Erhebung vorliegen, hat die Organisation „.ausgestrahlt e.V.“ eine Deutschlandkarte veröffentlicht, in der sie 129 Landkreise und kreisfreie Städte in Deutschland als vermeintliche potenzielle Standorte für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle benennt. Dies hat in einigen Gemeinden Verunsicherung ausgelöst. Seitdem verbreitet „.ausgestrahlt e.V.“ über Publikationen und Teilnahmen an regionalen Diskussionsveranstaltungen seine interessengeleiteten Informationen zum Standortauswahlverfahren.
Zur Rolle des Vereins „ausgestrahlt“
Dem Sprecher des Vereins „.ausgestrahlt e.V.“, Jochen Stay, wurde eine aktive Mitarbeit in der vom Bundestag und Bundesrat eingesetzten „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ angeboten. Die gesamtgesellschaftlich zusammengesetzte Kommission erarbeitete von 2014 bis 2016 Empfehlungen für die Novellierung des Standortauswahlgesetzes. Herr Stay hat im Gegensatz zu anderen Umweltverbänden die Möglichkeit der Einflussnahme auf das Standortauswahlverfahren abgelehnt und sich somit auch gegen eine gemeinschaftliche Lösung des Atommüllproblems im Sinne des Gemeinwohls entschieden. Link zur Erklärung des Vereins
Bei der aktuell von der Organisation betriebenen Eindruckserweckung einer Vorfestlegung bedient sich der Verein auch des Mittels der falschen Behauptungen. Das BfE nimmt zu einigen Behauptungen von „.ausgestrahlt e.V.“ aus der Atommüll-Zeitung Nr. 1, aus dem Blogeintrag „Anspruch und Wirklichkeit“ und aus der jüngsten Stellungnahme von Jochen Stay zum Fachgespräch der Bundestagsfaktion „Die Linke“ im Folgenden Stellung:
Erforschung unterschiedlicher Lagerungsoptionen
„Der Bundestag hat 2017 mit dem Standortauswahlgesetz (StandAG) beschlossen, die Erforschung unterschiedlicher Lagerungsoptionen nicht zu vertiefen. Das spart Zeit und Geld.“
Mit der Novellierung des StandAG wurden im Jahr 2017 die Empfehlungen der „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ umgesetzt. Die Kommission hatte unterschiedliche Entsorgungsoptionen umfassend geprüft und mehrere wissenschaftliche Gutachten beauftragt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass nach dem jetzigen Stand von Wissenschaft und Technik und in Abwägung von wissenschaftlich-technischen und gesellschaftlichen Faktoren die Entsorgung in einer tiefen geologischen Formation die beste Option ist. Faktoren, wie z.B. die Stabilität von demokratischen Strukturen oder bevorstehende Naturkatastrophen im Zuge des Klimawandels spielten in der Abwägung ebenso eine Rolle wie die moralische Pflicht zur Verantwortungsübernahme gegenüber nachfolgenden Generationen. Die Behauptung, Zeit und Geld habe zu einer Einengung der Betrachtung von Alternativen geführt, ist falsch. Es geht um die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, die Lösung für eine nachhaltige Entsorgung des Atommülls im Sinne der bestmöglichen Sicherheit anzugehen.
Alle Landkreise in Deutschland sind betroffen
„129 Landkreise und kreisfreie Städte in Deutschland könnten von der Suche nach einem tiefengeologischen Lager für hochradioaktiven Atommüll betroffen sein, da es auf ihrem Gebiet oder in direkter Nachbarschaft entsprechende Gesteinsformationen gibt.“
Diese Darstellung ist falsch. Betroffen sind 294 Landkreise in Deutschland – also alle. Es gilt die sogenannte „weiße Landkarte“. Alle Regionen und Gebiete in Deutschland werden bei der Suche mit betrachtet. Aktuell befindet sich das Suchverfahren am Anfang. Die für ein Endlager überhaupt näher zu betrachtenden Gebiete werden erstmals mit Bekanntgabe der sogenannten Teilgebiete benannt. Laut Aussage des Unternehmens BGE mbH, das mit der konkreten Datenerhebung beauftragt ist, wird der Vorschlag zu möglichen Teilgebieten Mitte 2020 veröffentlicht.
Veröffentlichung von Zwischenergebnissen
„Nach der jetzt laufenden ersten Anwendung der Ausschlusskriterien fallen große Gebiete aus der Suche heraus. Umgekehrt wird es für alle anderen konkreter. Veröffentlicht werden sollen diese Zwischenergebnisse nicht.“
„.ausgestrahlt e.V.“ kritisiert im Zusammenhang dieses Zitats außerdem den Informationsfilm des BfE, insbesondere die Aussage „Ausschluss und Auswahl der Regionen können Bürgerinnen und Bürger von Anfang an im Internet mitverfolgen“. Diese Aussage des BfE würde nicht der Wahrheit entsprechen.
Die Behauptungen entbehren jeder Grundlage. Auf der extra eingerichteten Informationsplattform des BfE werden alle für die Standortauswahl wesentlichen Dokumente des Bundesamtes und der BGE mbH veröffentlicht. Erste Zwischenergebnisse liegen mit dem Zwischenbericht Teilgebiete vor, den die BGE mbH für Mitte 2020 angekündigt hat. Der Bericht umfasst entsprechend des gesetzlich vorgegebenen Verfahrens die Ergebnisse der Anwendung und Betrachtung der Ausschlusskriterien, Mindestanforderungen und geologischen Abwägungskriterien. Die dann durch das BfE einzurichtende Fachkonferenz Teilgebiete, an der sich z.B. auch Vertreterinnen und Vertreter aus den betroffenen Regionen sowie Bürgerinnen und Bürger beteiligen können, wird darüber beraten und Stellungnahmen abgeben können.
Beteiligungsmöglichkeiten
„2020 will die BGE eine erste Eingrenzung der infrage kommenden Regionen veröffentlichen – solange tappt die Bevölkerung im Dunkeln. Die Betroffenen werden vor vollendete Tatsachen gestellt.“
Die „formelle“ Beteiligung, d.h. die Beteiligung gemäß StandAG, beginnt, wenn die BGE mbH 2020 erste Teilgebiete vorschlägt. Dann wird die Fachkonferenz Teilgebiete eingesetzt. Hier werden die Betroffenen aber nicht „vor vollendete Tatsachen gestellt“, sondern zu einem sehr frühen Zeitpunkt beteiligt, bevor erste Entscheidungen getroffen werden. Der Vorwurf der vollendeten Tatsachen entspricht nicht der Wahrheit.
Jeder Bürger und jede Bürgerin hat schon jetzt in dieser frühen Phase des Verfahrens, d.h. noch bevor Betroffenheit besteht, Zugang zu umfassenden Informationen. Das BfE und die BGE mbH stellen auf ihren Internetseiten umfangreiche Informationsmaterialien zur Verfügung und werden weitere Informationsaktionen vornehmen, noch bevor erste Ergebnisse der Datenerhebung und Auswertung vorliegen. Dazu geht das BfE auch aktiv auf Bürgerinnen und Bürger zu und sucht den Austausch. Seit Beginn des Standortauswahlverfahrens ist das BfE z.B. mit der Mobilen Endlagerausstellung in der Bundesrepublik unterwegs, um über die Endlagersuche aufzuklären. In der 1. Statuskonferenz Endlagerung hat das BfE gemeinsam mit den im Standortauswahlverfahren beteiligten Akteuren öffentlich den Stand der Endlagersuche diskutiert. Im Januar 2019 hat das BfE außerdem in vier regionalen Workshops den direkten Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der kommunalen Gebietskörperschaften gesucht und dabei auch viele wertvolle Anregungen für die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Regionen mitgenommen. Einzelheiten zur Öffentlichkeitsbeteiligung des BfE in der Startphase der Endlagersuche sind im Konzept „Information, Dialog, Mitgestaltung“ dargestellt.
Informationsangebote des BfE
„Das BfE versucht nun, Informationsveranstaltungen mit dem Label „Beteiligung von Anfang an“ zu versehen.“
Information ist eine Voraussetzung für Beteiligung. Deshalb macht das BfE selbstverständlich Informationsangebote. Wir gehen in der Startphase der Endlagersuche jedoch über Informationsangebote hinaus und setzen in unserem Beteiligungskonzept auf vier Ebenen an:
- Information, um die Grundlage für Beteiligung zu schaffen.
- Dialog, um das Sammeln von Ideen zu ermöglichen, zu einem Zeitpunkt, in dem noch weitreichende Gestaltungsspielräume bestehen.
- Mitgestaltung, um detaillierte Hinweise bei z.B. Vorlagen und Konzepten zu bekommen, die schon konkreter ausgearbeitet sind.
- Überprüfung, um die Öffentlichkeitsbeteiligung und das Standortauswahlverfahren regelmäßig zu evaluieren.
Wie unsere konkreten Angebote aussehen, kann man hier nachlesen.
Ziel der Endlagersuche
„Behörden sprechen von Beteiligung. Dahinter steckt nur eine Werbekampagne [...] die frühzeitige „Mitnahme“ ist jedoch tatsächlich eine Abwehrmaßnahme gegen befürchtete Proteste. Es ist der Versuch, ein breites Bündnis gegen die Standortgemeinde zu schließen, die der Staat am Ende zum Atommüll-Lager erklärt. Ob dieser Standort geeignet ist oder nicht, spielt dann keine Rolle mehr.“
Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein wichtiges Element im vergleichenden, wissenschaftsbasierten und ergebnisoffenen Standortauswahlverfahren. Das übergeordnete Ziel der Suche ist aber ganz klar, den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit zu finden. Hierbei gibt es keine geographischen Vorfestlegungen. Die Eignung eines Standortes spielt also die zentrale Rolle bei der späteren Entscheidung. Darüber hinaus muss sich der am Ende des Suchverfahrens herauskristallisierte Standort einem umfassenden Prüfungs- und Genehmigungsverfahren nach den strengen Anforderungen des Atomgesetzes stellen.
Die Erfahrungen in 40 Jahren gescheiterter Endlagersuche in Deutschland zeigen, dass man einen Standort nur dann finden wird, wenn das Verfahren auf vorher festgelegten wissenschaftlichen Kriterien aufbaut und die Öffentlichkeit in jedem Schritt des Verfahrens beteiligt wird. Das StandAG formuliert hierzu in §1 Abs. 1: „Ziel der Öffentlichkeitsbeteiligung ist eine Lösung zu finden, die in einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird und von den Betroffenen toleriert werden kann. Hierzu sind Bürgerinnen und Bürger als Mitgestalter des Verfahrens einzubeziehen.“ Diesen Auftrag nimmt das BfE als Träger der Öffentlichkeitsbeteiligung und Aufsichtsbehörde gegenüber der BGE mbH ernst. Durch Beteiligung und Transparenz können Bürgerinnen und Bürger das Verfahren von Beginn an nachvollziehen und Verbesserungen einfordern. Die abschließende Entscheidung über den Standort wird aber nicht einzelnen Interessengruppen überantwortet, sondern bleibt angesichts des Risikopotenzials und der Verantwortung für das Gemeinwohl dem Deutschen Bundestag vorbehalten.
Transparenz und Nachvollziehbarkeit
„Es gibt bei den Akteur*innen keinen Willen und keinen Weg für echte Transparenz […] Bezeichnend auch die Begründung von BfE-Präsident Wolfram König, warum die vier regionalen Veranstaltungen seines Amtes in Ulm, Frankfurt, Leipzig und Hamburg im Januar nur für kommunale Vertreter*innen, aber nicht für Menschen aus kritischen Organisationen oder gar für die Öffentlichkeit zugänglich waren: „Transparenz und Nachvollziehbarkeit bedeutet eben nicht, dass alle Türen geöffnet sind für jedermann. Das würde sicherlich nicht dazu führen, dass solche Diskussionen konstruktiver laufen.“
Im StandAG ist klar festgelegt, dass das Auswahlverfahren transparent und nachvollziehbar sein soll. Die im § 6 StandAG vorgeschriebene Informationsplattform, auf der alle für das Standortauswahlverfahren wesentlichen Unterlagen von BfE und BGE mbH veröffentlicht werden, bereitet den Weg für eine neue Form der Transparenz und ist ein wichtiger Baustein für die Nachvollziehbarkeit. Das schließt nicht aus, dass das BfE mit unterschiedlichen Zielgruppen gelegentlich den geschützten Raum suchen wird, insbesondere wenn dies von den Zielgruppen selbst gewünscht wird. Die Ergebnisse dieser Veranstaltungen werden auf der Informationsplattform öffentlich gemacht, so wie es kürzlich auch bei den regionalen Workshops mit Vertreter*innen der kommunalen Gebietskörperschaften geschehen ist.
Klagerechte
„Damit nicht genug: Das StandAG beschneidet die Klagerechte Betroffener massiv.“
Im Verlauf des Suchverfahrens können betroffene Gebietskörperschaften und ihre Einwohner*innen sowie Umweltverbände (konkret: anerkannte Vereinigungen nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes) vor dem Bundesverwaltungsgericht das Auswahlverfahren überprüfen lassen: Zur Prüfung stehen die am Ende von Phase 2 und Phase 3 ausgestellten Bescheide des BfE. Die Bescheide enthalten bei Erfüllung der Gesetzesanforderungen die Feststellung, dass das bisherige Standortauswahlverfahren bis zum Vorschlag über die untertägige Erkundung bzw. bis zum Standortvorschlag nach den Regelungen des StandAG durchgeführt wurde und der jeweilige Auswahlvorschlag diesen Regelungen entspricht.
Fachliche Kriterien
„Bei der Formulierung der geologischen Kriterien durch die Atommüll-Kommission galt die Direktive, dass kein Kriterium zu einem sofortigen Ausschluss Gorlebens führen dürfe.“
Die Kriterien bedienen keine Interessen einzelner Gruppen – somit auch nicht der Befürworter bzw. Gegner von Gorleben. Bei der Festlegung der Kriterien galt die Direktive der Wissenschaftlichkeit und der bestmöglichen Sicherheit. Die Kriterien basieren auf den Empfehlungen des AkEnd von 2002 und wurden durch die „Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ an den heutigen Stand von Wissenschaft und Technik angepasst. So ist unter anderem das Kriterium zum Schutze des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs durch einen günstigen Aufbau des Deckgebirges und die Anforderung der Maximaltemperatur an der Außenseite der Behälter von 100°C neu aufgenommen worden. Außerdem neu ist die gleichwertige Betrachtung des Gesteins Kristallin neben Salz- und Tongestein sowie zeitliche und technische Vorgaben zur Rückholbarkeit bzw. Bergbarkeit der hoch radioaktiven Abfälle.
Gebiete mit fehlender Datengrundlage
„Ergänzende Erkundungen sind im Gesetz [in Phase 1 des Verfahrens] nicht vorgesehen. Auch dann nicht, wenn aufgrund fehlender Informationen keine Bewertung eines Gebietes möglich ist.“
Fehlende Informationen in bestimmten Regionen Deutschlands führen nicht automatisch zum Ausschluss dieser Regionen aus dem Suchverfahren. Gemäß StandAG ist es Aufgabe des Unternehmens BGE mbH am Ende der Phase 1 - also gemeinsam mit dem Vorschlag für Standortregionen zur übertägigen Erkundung - auch einen begründeten Vorschlag zum weiteren Umgang mit den Gebieten vorzulegen, über die nur unvollständige Erkenntnisse vorliegen.
Fazit
Die Initiative „ausgestrahlt e.V.“ verfolgt das, was sie selbst kritisiert: Sie benennt, ohne dass sie transparent und nachvollziehbar verfährt, unmittelbar betroffene Gebiete und greift dabei auf eigene Interpretationen zurück. Das widerspricht genau dem, was das 2017 gestartete Suchverfahren einlösen soll: nämlich ein faires, ergebnisoffenes und nachvollziehbares Verfahren ohne Vorfestlegungen, das sich an fachlichen Kriterien orientiert – und nicht an einzelnen Interessen.
Stand: 03.04.2019