Einen schönen guten Tag zusammen!
Ich gebe zu, für mich ist das hier ein ungewöhnliches Format. Bin ja eigentlich wissenschaftlich tätig.
Man könnte euch ja vorhalten, dass ihr Egoisten seid. Ja, könnte man sagen. Ihr wollt billig fliegen, ihr fahrt auch mit dem Auto und verlärmt Straßen und Innenstädte. Doch – und darum bin ich hier: Hier geht es um mehr als nur um Fluglärm. Ich sag`s mal so: Manchmal stelle ich mir vor, dass meine Kinder, jetzt 18 und 20, dass die auch mal Kinder haben und ich dann mal Enkel habe. Und wenn meine Enkel mich in 20 Jahren fragen ‚Opa, was hast du eigentlich gegen die globale Erwärmung unternommen, gegen die Klimahitze, die Heißzeit?‘ Dann werde ich nicht sagen: ‚Weißt du, davon hatte ich nichts mitbekommen‘. Ich werde auch nicht sagen: ‚Es war alles nicht so recht geklärt, die Experten waren sich nicht einig‘. Ich werde auch nicht sagen: ‚Ach was hätte ich schon dagegen unternehmen sollen, ich war ganz alleine‘. Ich werde sagen können ‚Ich habe dagegen gekämpft – gegen die Klimahitze‘. Und das ist das, was Sie hier im Grunde auch tun.
Jetzt mal zu eurer Orientierung. Die Deutschen emittieren gerade so ca. 11 Tonnen CO2 im Jahr. Wir haben in Paris versprochen, dass wir in Deutschland unsere CO2 Emission auf 1,5 Tonnen im Jahr verringern. Also Sie, Sie und du. Jeder für sich. Ich sage mal, wenn man alles richtig macht – nicht fliegt, nicht Auto fährt, kein Fleisch isst, regionale Produkte kauft – kommt man immer noch auf 5 Tonnen! Das Ziel, 1,5 Tonnen, ist extrem ambitioniert! Und eines ist sicher: Wir werden beim Klimaschutz keine Fortschritte erzielen, wenn wir ständig expandieren. Wir werden das Ziel niemals erreichen! Wir werden es nie erreichen, wenn in München der Flughafen ausgebaut wird, hier ein weiterer Terminal hinzukommt und in Hamburg der Flughafen ausgebaut wird. Ich sage, das erste ist beim Klimaschutz der Nicht-Ausbau – das ist das Dringendste, das man tun muss. Ich sage Ihnen nochmal warum – warum der Verkehrsbereich so wichtig ist.
Wir wissen von der Energiewende, den erneuerbaren Energien, die großen Fortschritte. Aber der einzige Bereich, wo sich in Deutschland die Situation seit den 30iger Jahren verschlechtert und nicht verbessert hat, ist der Verkehrsbereich. Deswegen ist es so wichtig, dass Sie hier stehen und gegen den Ausbau demonstrieren.
In meinem Buch „Ökoroutine“, da beschreibe ich das. Ich gebe nachher ein paar Flyer rum und übrigens, ich habe 5 Bücher mitgebracht. Wer schnell ist, kann eins haben – gegen eine kleine Spende. Jetzt kann man sich mal fragen ‚Warum geschieht denn nicht das, was geschehen muss?‘ ‚Warum wird der Flughafen ausgebaut und so weiter?‘ Ja, z.B. weil ein Unternehmen unter Wettbewerbsdruck steht. Würde VW z.B. jetzt vorab verkünden, dass sie ab 2023 nur noch emissionsfreie Autos verkaufen, dann würden die Aktien an der Börse sofort in den Keller stürzen, weil Mercedes dann die SUVs verkauft. Ein Unternehmen kann nicht beliebig das tun, was es für richtig hält. Und interessanterweise sagen die Top-Manager international bei einer Befragung der UN, auf die Frage ‚Was muss geschehen, für mehr Nachhaltigkeit in ihrem Unternehmen?‘ Da sagen 8 von 10 Managern ‚Dafür brauche ich radikale Vorgaben der Politik‘.
Von den Managern können wir nichts erwarten. Die tun nur das, was Rendite erwirtschaftet. Und das ist’s und nichts anderes, was man von ihnen erwartet – mehr erwartet man von ihnen nicht.
Es sind nicht nur Unternehmen miteinander im Wettbewerb, sondern auch Städte und Regionen. Und nur so ist es zu erklären, dass es die ganzen Regional-Flughäfen gibt, wie Münster-Osnabrück oder Kassel-Calden. In Münster sind 100 Millionen Steuergelder jetzt schon versenkt worden – an Subventionen! In der Hoffnung, dass so ein Provinz-Flughafen irgendwann eine internationale Top-Destination wird. Das hat nicht geklappt. Aber, die Kommunen sehen sich im Wettbewerb: ‚Wenn die mitmachen, dann müssen wir auch mitmachen‘. Die sind alle in einer Spirale drin, die die Katastrophe beschleunigt.
Ein anderer systemischer Grund, warum nicht geschieht, was geschehen muss, ist die Werbeindustrie. 30 Milliarden Euro werden jährlich ausgegeben, damit wir Dinge kaufen, die wir gar nicht brauchen. Wenn meine Tochter ankommt und sagt, sie brauche Nike-Turnschuhe, dann sagt sie das, weil sie denkt das ist ein ‚must have‘. Die Firma gibt jedes Jahr Millionen dafür aus, damit sie denkt, das ist ein cooles Produkt.
Neulich habe ich eine Anzeige gesehen – ich komme aus Osnabrück – steht darauf, auf so einer Leuchtreklame ‚Malle für alle – 29 Euro‘. Da habe ich gedacht: ‚das darf doch nicht wahr sein, mit Steuergeldern haben wir finanziert, dass dort jetzt quasi möglichst nah die Leute und möglichst billig die Leute fliegen.
Man sagt ja immer Umweltschutz ist so eine teure Angelegenheit, Klima kostet. Doch: Der Staat investiert jährlich 56 Milliarden Euro für Dinge, die umweltschädlich sind wie z.B. diese Provinzflughäfen. Eine andere, schädliche Subvention, ist z.B. die Pendlerpauschale. Allein 6 Milliarden Euro spendet der Staat an Steuern, damit die Menschen mit dem Auto pendeln oder damit sie überhaupt pendeln. Wir subventionieren das Pendeln.
So, jetzt kommen wir zu uns als Person. Wir tun ja auch nicht das, was wir für richtig halten. Wer ist denn von Ihnen bei den 5 Tonnen? Probieren Sie das mal. Alles wird immer größer, luxuriöser, komfortabler! Und der Gipfel dieses Exzesses, sind die geländegängigen Fahrzeuge, SUV genannt. 2 ½ Tonnen Material! 2 ½ Tonnen Material, um in der Regel nur einen Menschen zu transportieren. Ich würde mal sagen, auf geteerter Straße handelt es sich hier um ein entbehrliches Produkt. Und neulich war ich in der Stadt und habe so einen fetten Wagen gesehen mit einem Aufkleber, da stand drauf ‚eine Penisverlängerung wäre klimafreundlicher als dieses Angeber-Auto‘. Ich muss sagen, ich habe erst gedacht ‚ja cool‘. Mir ist dann später aufgefallen, dieser Typ, der das auf das Auto geklebt habt, das ist Guerilla-Marketing. Der hat damit gesagt, das ist nicht o.k.
Alle reden von Carsharing und den jungen Leuten, die angeblich gar kein Auto mehr wollen. In den letzten 10 Jahren haben wir, zusätzlich zu den ganzen Autos, die wir jetzt schon haben, 7 Millionen Fahrzeuge extra. Es wird nix weniger, es wird alles immer mehr, auch die Schwergewichtsfahrzeuge werden immer mehr.
Weshalb tun wir nicht das, was wir für richtig halten? Weil wir perfekte Verdrängungskünstler sind und die Schizophrenie leben.
Jeder in der Familie, die einen Hund hat, wird sofort sagen ‚der guckt so süß, ja, der Hund hat eine Seele. Die gleichen Leute gehen in den Supermarkt und kaufen dort das billigste Fleisch ein und nehmen dort martialische Tierhaltung in Kauf. Das nenne ich gelebte Schizophrenie. ABER, wenn Sie heute Abend zum Grillen eingeladen sind, dann rate ich Ihnen ab, darauf aufmerksam zu machen. Das verdirbt garantiert die Stimmung und bringt am Ende gar nichts.
Ich will damit sagen, wir können super mit Widersprüchen leben und durch ein paar Kampagnen und Appellen werden wir die Leute nicht dazu bringen, dass sie diese Widersprüche auflösen oder dass sie weniger fliegen. Moralisch wollen alle das Richtige tun, aber tatsächlich schaffen wir es nicht!
Fragen Sie Ihren Nachbar nachher einmal, ob ihm der Klimaschutz egal ist. Er würde zu 90% sagen: ‚Der Klimaschutz ist eine ganz wichtige Sache‘. Und später sehen Sie, wie er ins Auto steigt und zum nächsten Flughafen fährt, weil jeder für sich alleine denkt: ‚Was bringt das schon, wenn ich alleine verzichte und alle anderen machen weiter wie bisher‘. Beim Fliegen denkt sich jeder das gleiche: ‚Warum soll ich jetzt verzichten‘. Deswegen schlage ich mit der „Ökoroutine“ ein Konzept vor, damit sich Rahmenbedingungen dermaßen verändern, dass wir nachhaltiger und verantwortungsvoller leben – ohne dass wir täglich darüber entscheiden müssen; damit sich die Dinge verselbstständigen.
Ein Beispiel dafür, dass das funktioniert, ist das Thema Rauchen. Als ich 14 Jahre alt war, war es noch etwas ganz normales, wenn Eltern im Auto gesessen und geraucht haben – oder die Kinder. Das war damals ganz normal und heute gilt das fast als Körperverletzung. Das kam nicht von alleine, sondern es kam, weil man Tabak teurer gemacht hat; das kam, weil man die Kampagnen immer aggressiver gestaltet hat – bis zu den Schockbildern, die jetzt auf den Verpackungen sind. Das kam auch, weil wir die Werbung immer weiter zurückgefahren haben. Ich kann den jungen Leuten nicht erzählen: ‚Hört auf zu rauchen‘, wenn überall Fernsehspots laufen, die zeigen, wie ‚cool‘ rauchen ist. Demgemäß dürfte man auch keine Werbung für Fliegerei mehr zulassen. Und: Früher, kaum vorstellbar, aber jetzt in München, in den Oktoberfestzelten, durfte nicht mehr geraucht werden.
All diese Veränderungen der Rahmenbedingungen, der Verhältnisse, haben dazu geführt, dass sich unsere Gewohnheiten und unsere Routine verändert haben – durch Politik.
Das Konzept lässt sich auch auf ganz viele Bereiche ausdehnen. Da gibt es bereits z.B. eine Vorgabe, wie viel Energie ein Neubau pro Quadratmeter Wohnfläche verbrauchen darf – seit 1978. Diese Vorgabe, diesen Standard hatte man immer weiter verschärft und seit 2008 gilt er in der gesamten europäischen Union – und ab dem Jahr 2021 wird das 0-Energie-Haus zum Standard.
Und warum ist das so wichtig? Meine Kollegin vom Wuppertal Institut aus der Abteilung Klimaschutz-Politik, hat sich vor 10 Jahren für 400.000 Euro ein Haus gebaut und als ich sie gefragt habe: ‚Hast du eine solare Warmwasser-Anlage auf dem Dach installiert?‘, sagte sie: ‚Dafür fehle am Ende das Geld‘. Auch meine Kollegen vom Wuppertal Institut tun nicht das, was sie für richtig halten. Es fällt den Kollegen bei uns auch unermesslich schwer, das richtige zu tun. Aber wenn meine Kollegin jetzt das Haus bauen würde, mit dem neuen Standard, dann würde sie automatisch eine Solaranlage installieren, weil sie sonst diesen Standard nicht einhalten würde. Das ist das interessante daran! Die Sache verselbstständigt sich und man braucht darüber gar nicht mehr nachdenken.
Das gleiche kann ich machen beim PKW. Wir haben eine Vorgabe von 130 Gramm. Diese Vorgabe für die Flotte eines Herstellers wird im Jahr 2021 auf 95 Gramm verringert und daraufhin noch weiter. Wenn ich schrittweise diesen Standard verschärfe, könnte z.B. ab 2033 das 0-Emissions-Auto Standard sein. Dann können die Leute ein großes Auto kaufen, ein kleines Auto, einen Familienwagen, ein Angeber-Auto – völlig egal. Wir erreichen zu 100% dieses Ziel: 0-Emission. Wie die Industrie das macht, kann uns völlig egal sein. Wir wissen aber, dass wir 100%ig dahin kommen.
Im Bereich Ernährung mache ich genau das gleiche. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie können sich das jetzt wahrscheinlich überhaupt nicht vorstellen. Aber ich behaupte, wenn wir den Standard in der Landwirtschaft schrittweise anheben, alle Ackergifte in der Zulassung nicht verlängern, dann könnten wir in der europäischen Union in 15 oder 20 Jahren 100% Biolandbau haben und Sie würden es gar nicht merken.
Ich habe natürlich erst gedacht: ‚Na ja, wenn’s so einfach wäre, mein Vorschlag, ja dann hätten wir das schon längst gemacht‘. Ich muss zugeben, BASF ist von meiner Idee nicht so begeistert. Das sind meine Gegner, und die Agrar-Industriellen sind meine Gegner. ABER, ich habe mittlerweile mit vielen konventionellen Landwirten darüber gesprochen und bei der Tierhaltung kann man das genauso machen. Die sagen: ‚Wenn der Konkurrent in Holland und Frankreich, wenn die die gleichen Bedingungen einhalten müssen, habe ich damit kein Problem‘, ja es geht immer um die Wettbewerbsdynamik, wo erst alle mitmachen müssen, ‚doch bei gleichen Bedingungen können wir damit leben‘. Das Konzept funktioniert.
So und jetzt kommen wir noch mal zum Thema Flughafen. Das sage ich jetzt nicht, weil ich hier auf dieser Demo bin. Vielleicht bin ich hier deswegen, weil ich fordere nicht nur Standards, sondern ich fordere auch Limits. Ich habe es schon angerissen: alles wird größer, luxuriöser, komfortabler. Wir haben immer mehr, mehr, mehr. Früher haben die Leute gesagt: ‚Handy – brauche ich nicht‘! Gucken wir uns an! Wir machen alle mit! Das ist normal! Ich sage, wir brauchen Limits z.B. für die Starts- und Landebahnen an Flughäfen. Wenn man sich und das ist kein Populismus, und das ist keine Sache für die es sich nur einzustehen lohnt, weil Sie hier stehen und gegen Lärm demonstrieren, sondern das ist, ich sag mal: Alle Klimaschutzziele können wir knicken, wenn sich der Flugverkehr ständig ausweitet.
Was müsste die Bundesregierung tun, damit mein Vorschlag, der momentan noch utopisch ist, was müsste sie dafür tun, damit er realisiert würde? Ich kann’s Ihnen sagen: NICHTS! Wenn die Flugsicherungsbehörde keine weiteren Slots für Starts und Landungen vergibt, wenn München keine weitere Start- und Landebahn baut, wenn hier kein Terminal 3 gebaut wird, dann ist mein Vorschlag automatisch realisiert. Ist das nicht faszinierend?
Meine Damen und Herren, es geht ganz oft darum, etwas besser zu lassen, als es besser zu machen. Wir brauchen keine tolle Technik. Wir müssen einfach bloß mal stillhalten.
Neulich hatte ich in Berlin ein Geschäftsessen mit lauter wichtigen Geschäftsleuten. Einer davon war auch von Caritas und der hat dann erklärt, warum er von Köln nach Berlin fliegen musste. Er hatte 1000 Gründe dafür. Ich kann euch sagen, die Diskussion war mühsam, machte einen müde. Sie führte zu nichts. Ich sagte dann ‚o.k. reden wir nicht darüber. Aber wofür ich von euch die Zustimmung brauche ist für die Limits“. Und da haben die gesagt: ‚Damit habe ich kein Problem“. Genau! Die müssen sich ja nicht selbst ändern. Das System, die Verhältnisse ändern sich. Da muss ich nicht selber und alleine verzichten.
Das ist die Logik, das Konzept der Ökoroutine und der Limits. Und was man noch müsste, schlichtweg: Die Lizenzen für Inlandsflüge abschaffen.
Zum Thema Mehrwertsteuer. Neulich hat jemand berichtet, er habe ein Paar getroffen, das von Düsseldorf nach Malaga geflogen ist. Jeweils für 40 Euro Hin- und Rückflug. Jetzt passt mal auf! 40 Euro Hin- und Rückflug hat jeder bezahlt. Die beiden haben für die Parkgebühren in dieser Zeit 140 Euro bezahlt. Das ist ein Skandal!
Durch das Preisdumping haben wir die Fliegerei erst möglich gemacht. Holland besteuert Flugbenzin – die machen das einfach. In Deutschland heißt es, es geht angeblich nicht. Aber die Holländer können das kurioserweise.
Anderes Beispiel. Eine spanische Familie zahlte für ihren Flug von Hamburg nach Malaga jetzt 400 oder 500 Euro – eine Klein-Familie. Mit Mehrwertsteuer und Kerosinsteuer würden sie 800 Euro zahlen. Die Familie fliegt jetzt alle 2 Monate in die Heimat. Ja, sie tun es, weil sie’s können. Wenn es etwas teurer würde, fallen ein oder zwei Flüge weg. Das ist kein großes Drama.
Das andere ist, als ich 14 Jahre alt war, war Fliegen eine teure Angelegenheit. Und da hat niemand geschrien: ‚Das ist ungerecht, dass nicht jeder Sozialhilfe-Empfänger fliegen kann‘. Heute würde diese Diskussion geführt werden. Das ist irre! Zumindest kann man sagen, dass die weitere Expansion hier und heute begrenzt werden muss.
So und jetzt wird es unangenehm! Es geht nicht nur um den Flugverkehr. Es gibt für viele Sachen Limits. Wir fahren alle Autos – machen wir uns nichts vor. Was ich fordere ist ein Limit für Straßenbau. Der LKW-Verkehr auf den Straßen ist um 30% gewachsen in den letzten 15 Jahren. Er soll nochmal um 40% in den nächsten 15 Jahren wachsen. 40% Wachstum! Die Antwort: STAUS! Die Staulänge hat sich in den letzten Jahren verdreifacht. Wir haben durch den ganzen Ausbau der Autobahnen und der Bundesstraßen nicht bewirkt, dass sich irgendwie der Stau verringert hat. Deswegen sage ich: keine weiteren Straßen bauen! Jede weitere Straße bringt noch mehr Verkehr. Wenn wir nicht mehr in den Straßenbau investieren, dann haben wir sehr viel Geld über – für den Ausbau des Schienenverkehrs, denn hier fehlt das Geld. Ich sage Ihnen nur eine Zahl: Allein für Stuttgart 21, die 12 Milliarden, die wir da verbuddeln, damit hätten wir die Gütertransport-Kapazität der Bahn verdoppeln können. Da wird das Geld dringend gebraucht.
Ich sage euch noch ein anderes Beispiel, wie das Konzept „Ökoroutine“ funktioniert. Mein Onkel ist immer mit seinem Auto in die Stadt gefahren. Jeden Tag zur Arbeit. Und er hatte zig Gründe, wie ihr euch vorstellen könnt, warum er nicht mit dem Bus fahren konnte. Dann hat man die Busspur eingeführt und eine Autospur abgebaut. Dann stand er im Stau. Er war sauer, als der Bus an ihm vorbeigerauscht ist. Ich kann Ihnen sagen, 3 Wochen hat er sich das angeguckt und dann ist er in den Bus umgestiegen. Ja, wir müssen die Strukturen verändern, dann verändern wir auch die Routine.
Wir brauchen mehr Radwege, sichere Radwege. Das kostet Geld. Berlin gibt momentan 4 Euro pro Bürger aus für Radverkehr. In Kopenhagen sind es 21 Euro. Da müssen wir hin.
Mein persönliches Motto beim Fahrradfahren lautet: ‚Burn fat, not oil‘. Ich habe euch hier Aufkleber mitgebracht, die gebe ich gleich raus. Da steht darauf: ‚Das Auto verbrennt Geld und macht fett, das Fahrradfahren verbrennt Fett und spart Geld.
Jetzt kommen wir zum Schlussakkord. Manche sagen, ‚Ja, Herr Kopatz, mit Ihren Limits, sie wollen uns ja Vorschriften machen, das engt meine Freiheitsrechte ein‘. Ich bin gut vorbereitet auf dieses Argument. Denn ich sage dann: ‚Nehmen wir doch mal die Freiheitsrechte der zukünftigen Generationen ernst, laut Artikel 2 des Grundgesetzes. Das ist wahrer Liberalismus. Wenn wir die Flughäfen weiter so ausbauen, wenn wir die Straßen ausbauen, wenn alles immer größer und schwerer wird, unsere Häuser und Wohnungen, dann missachten wir die Interessen unserer Enkel geradezu in extrem unverantwortlichem Ausmaß. Und das zu unterbinden, das ist die Aufgabe im Hier und Jetzt’.
Ich bin manchmal verwundert, mit welcher Gelassenheit Politiker auf die Entwicklungen schauen, beim Flugverkehr, Straßenverkehr und dann sagen: ‚Wieso, ist doch alles o.k. so‘!
Wir haben jetzt schon 1° globale Temperaturerwärmung. Damit kann die Luft jetzt 7% mehr Wasser aufnehmen. Dieses Wasser kommt wieder runter. Es gibt immer häufiger Starkregen, Stürme, Dürren etc. Und wir können nicht verhindern, dass die Erwärmung auf 2° ansteigt. Um dieses Ziel zu erreichen, dafür müssen wir uns schon extrem anstrengen. Da darf der Flugverkehr nicht zunehmen.
Was ist mit, ich sag es jetzt mal, es ist keine Plattitüde: ‚Was ist mit Ihren Freiheitsrechten?‘ ‚Was ist mit den Freiheitsrechten die unter einer Flugschneise leben?‘ ‚Was ist mit den Freiheitsrechten, die an einer stark befahrenen Straße leben?‘ Als wahrer Liberaler, muss ich auch diese Freiheitsrechte beachten.
In meiner Heimatstadt sterben jedes Jahr 2 Radfahrer im Straßenverkehr. Wir haben ungefähr 7000 schwerverletzte Radfahrer in Deutschland – jedes Jahr. Was ist mit deren Freiheitsrechten? Was ist mit den verfassungsmäßigen Rechten auf körperliche Unversehrtheit – das sind meine Fragen.
Und wenn jemand sagt: ‚Herr Kopatz, Ihre Vorschläge sind ja stark autoritär, ist ja top down‘. Ich erinnere dann z.B. daran, dass die ganzen Straßen, die gebaut werden, auch der Flughafen, gegen den Willen der Bürger gebaut wurde – hat man aber trotzdem gemacht.
Und jeder von Ihnen muss einen Parkplatz vor seinem Haus bereitstellen. Seit der Reichs-Garagenverordnung von 1939 wird jeder dazu genötigt. Auch wer in Frankfurt in eine Mietwohnung zieht und gar kein Auto hat, zahlt indirekt einen Parkplatz mit. Das ist staatsautoritär!
Ich sage: ‚Ja, wir brauchen politische Rahmenbedingungen‘. Doch damit diese sich ändern, brauchen wir Bürger, die sich engagieren. Und ich zeige bei meinen Vorträgen oft ein Foto von meiner Tochter, die vor einer Windkraftanlage steht. Bei der einen ist der Ständer rund, 1,5 dick. Die andere Windmühle ist 16 Jahre später aufgebaut worden. Da ist der Ständer 15 Meter breit. Das zeigt sehr anschaulich, was für einen enormen Fortschritt wir bei den erneuerbaren Energien erzielt haben. Das ist nicht aus Altruismus geschehen. Das ist geschehen, weil man politische Rahmenbedingungen gemacht hat, damit es sich lohnt zu investieren. Die Politik hat die Energiewende auf den Weg gebracht. Aber, und jetzt kommt das ABER – seinen Anfang genommen hat es in den Anti-AKW-Bewegungen, im Widerstand der Leute gegen Atemkraft. Und dann haben die Aachener eine Sache ausprobiert – nämlich diese Einspeisungsvergütung für Solarstrom. Da hat man gemerkt, das ist eine Superidee und hat letztlich daraus ein Bundesgesetz gemacht. Damit will ich sagen, dass das Engagement der Leute vor Ort, durch das Ausprobieren bei sich selber, gezeigt hat, wie das geht. Das hat Einfluss auf die große Politik, auf die da oben. Deswegen ist es so wichtig, dass wir im Widerstand sind. Man kann auf das Argument kommen, Ihr seid Egoisten. Not in my backyard; Heiliger Sankt Florian verschon mein Haus, zünd andere an. Ja, das kann man euch unterstellen. ABER! Ihr wollt das Richtige! Es geht nicht nur um Lärm! Es geht um unsere Kinder und Enkel. Die Kämpfer von Wackersdorf haben anfangs auch nur an ihr Dorf gedacht. Im Hambacher Forst war es ähnlich. Aber dadurch, dass so viele Menschen dort hingekommen sind, sich solidarisch erklärt haben, hat man gemerkt, hier geht es um das große Ganze. Hier geht es nicht nur um das eine Dorf, was weggebaggert werden soll.
Und was ich Ihnen hier wünsche ist, dass hierher noch viel mehr kommen und sich solidarisch erklären – mit Ihnen und all jenen, die gegen den Flughafenausbau kämpfen.
Und was wir noch brauchen ist Widerstand gegen die Agrarindustrie. Im Januar war ich auf der Demonstration „Wir haben es satt“. Ich gebe offen zu, bis vor ein paar Jahren habe ich gedacht: ‚Ach, kommt nicht auf einen mehr an; ist doch egal‘. Ich weiß inzwischen: NEIN, es ist nicht egal, es kommt auf jeden an. Und wenn in Berlin 33.000 Menschen demonstrieren gegen die Agrarindustrie, dann haben es die Reformer in der Politik schon etwas leichter. Genauso war es jetzt beim Hambacher Forst.
Bleibt im Widerstand!
Denkt nicht: ‚Ach, ist doch egal, es kommt doch auf mich nicht an‘. NICHTS ist egal. Auf euch kommt es an!
Vielen DANK fürs Zuhören.