EU-Richtlinien genial ausgetrickst
Sofia (LiZ). Das bulgarische Parlament hat ein neues Gentechnik-Gesetz verabschiedet, das den Anbau genmanipulierter Pflanzen de facto unmöglich macht. Die auf die Durchsetzung von Gentechnik angelegte EU-Vor- gabe wird dabei ausgetrickst, indem Sicherheitsabstände zu jedem einzelnen Bienenstock, zu Naturschutzgebieten sowie zu konventionellen oder ökologisch bewirtschafteten Feldern so festgelegt wurden, daß für den Anbau genmanipulierter Pflanzen de facto keine Fläche übrig bleibt. Ein klarer Erfolg für die Gentechnik-GegnerInnen.
Rund um jeden einzelnen Bienenstock in Bulgarien muß in Zukunft ein Sicherheitsabstand von zehn Kilometern ohne Gentechnikanbau eingehalten werden - und dies vor dem Hintergrund, daß Bulgarien offenbar flächendeckend von ImkerInnen mit Bienenstöcken versorgt ist. Das neue Gesetz schreibt außerdem vor, daß zu den Feldern von konventionell und biologisch arbeitenden LandwirtInnen Sicherheitsabstände von sieben Kilometern und rund um Naturschutzgebiete sogar 30 Kilometer Abstand eingehalten werden müssen.
Die bulgarische Bevölkerung hatte im Vorfeld der Parlamentsentscheidung heftig gegen den Anbau von genmanipulierten Pflanzen protestiert. "Saubere Erde, gesunde Kinder" - mit dieser Forderung gingen Tausende von Gentechnik-GegnerInnen in ganz Bulgarien in den vergangenen Wochen auf die Straße. Im Internet und mit Kinderpostkarten machten sie mobil und begründeten ihren Protest. "Wer hat etwas von der Gentechnik", fragte ein Demonstrant. "Der Nutzen ist fast gleich Null: In den ersten vier Jahren steigen die Erträge, aber danach sinken sie dramatisch. Die Landwirtschaft wird versklavt, und die Chemiekonzerne verdienen jedes Jahr mehr an den Patenten."
"Wir wollen keinen Gentechnik-Anbau. Der Schaden für die Menschen ist zu groß", erklärte eine Frau. "Und wenn Babys Gentechnik-Kulturen in der Nahrung haben, wissen wir nichts über die Spätfolgen." Der Erfolg der Gentechnik-GegnerInnen stellt die ursprünglichen Pläne des Gesetzesvorhabens auf den Kopf. Bulgarien galt lange Zeit neben Rumänien als mögliches Einfallstor für die Gentech-Konzerne in die Europäische Union.
In Bulgarien hatte es zunächst starke Auseinandersetzungen unter den Regierungsparteien um die Ausrichtung des Gentechnikgesetzes gegeben. Doch entgegen der Intention der Brüsseler EU-Bürokraten und ihrer Einflüsterer in den Konzern-Zentralen wird Bulgarien als jüngstes EU-Mitgliedsland nun gentechnikfrei bleiben. Der Erfindungsreichtum der bulgarischen Abgeordneten machte es möglich. Weil ein generelles Verbot des Anbaus genmanipulierter Pflanzen nach EU-Recht nicht zulässig ist, nutzten die Abgeordneten auf geradezu geniale Weise die Gesetzeslücken aus.
Auch der bulgarische Staatspräsident Georgi Parwanow will jetzt die Bio-Landwirtschaft ausbauen. "Ich empfinde Genugtuung darüber, daß letztendlich unter dem Druck der Bürger eine vernünftige Entscheidung getroffen wurde. Damit gelingt es uns, Bulgarien sauber von Gentechnik-Einflüssen zu halten und die Voraussetzungen zur Entwicklung einer biologischen Landwirtschaft zu schaffen." Monsanto & Co. sehen bereits die Gefahr, daß nun Gentechnik-GegnerInnen in ganz Europa auf das bulgarische Beispiel aufmerksam werden könnten.
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Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
EU-Zulassung für Gen-Kartoffel Amflora
Resistenz-Gen: nicht berücksichtigt
Alternativen aus konventioneller Züchtung:
nicht berücksichtigt (2.03.10)
Konkurrenz für Gen-Kartoffel Amflora
aus konventioneller Züchtung (25.11.09)
Gentechnik erhöht Pestizidverbrauch in den USA
US-Landwirtschaft benötigte 145.000 Tonnen mehr
(18.11.09)
Verfilzung von EU und Gentech-Industrie
Führende EFSA-Mitarbeiterin wechselt zu Syngenta
(10.11.09)