Stuttgart / München (LiZ).
In 34 Städten in Deutschland beteiligten sich Tausende am traditionellen Ostermarsch der Friedensbewegung. Die größten Demonstrationen gab es heute in Stuttgart mit 1.500, in München mit 1.200 TeilnehmerInnen. Seit nunmehr 50 Jahren protestiert die Friedensbewegung an Ostern gegen Atomwaffen. In diesem Jahr schlossen sich besonders viele junge Menschen der Forderung nach einem sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan an.
Zur großen Resonanz des diesjährigen Ostermarschs hatten die Meldungen der vergangenen Tage beigetragen, wonach die deutschen Rüstungsexporte weiter angestiegen sind. Am Vortag wurde aus Afghanistan gemeldet, daß drei deutsche Besatzungssoldaten bei einem Angriff von Aufständischen ums Leben kamen. Etliche weitere wurden schwer verletzt. Über die Zahl getöteter ZivilistInnen und Aufständischer wurde nichts bekannt. Kurze Zeit später erreichte eine Meldung Deutschland, daß bei einem Gegenangriff versehentlich fünf der eigenen Soldaten getötet wurden. In den Reihen der Friedensbewegung wurde der Tod der Unbeteiligten und der Bewaffneten beklagt. Die Verantwortung für all die Toten trage die "zynische und uneinsichtige Politik" der Bundesregierung, hieß es auf dem Ostermarsch.
Im Zentrum der Botschaft der Friedensbewegung im 50. Jahr der Ostermärsche steht neben der Forderung nach der Abschaffung der Atomwaffen und nach dem Abzug aus Afghanistan und dem Irak auch die Kritik an den deutschen Rüstungsexporten. Häufig kritisiert wurde zudem die verstärkte Werbung der Bundeswehr an Schulen und die zunehmende Militarisierung der Europäischen Union. Auf einem der Transparente beim Münchner Ostermarsch zu lesen: "Abrüstung statt Militarisierung der EU - für ein friedliches Europa." Die Beteiligung am Ostersamstag lag in 34 Städten zwischen 50 und 1.500 Menschen. Insgesamt beteiligen sich Menschen aus der Friedensbewegung in über 70 Städten, Auftakt war am Karfreitag, am Ostersonntag und am Ostermontag findet der Ostermarsch an rund 21 Orten statt.
Rund 1.500 Menschen beteiligten sich am baden-württembergischen Ostermarsch in Stuttgart. Aufgerufen hatten das Friedensnetz und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Bei der Auftakt-Kundgebung am Deserteurs-Denkmal sprach unter anderen der Ostermarsch-Veteran Ulli Thiel. Am Stuttgarter Kreiswehrersatzamt sprach bei einer Zwischenkundgebung Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI). Er berichtete von konkreten Beispielen, wie die Bundeswehr auch durch Computer-Spiele versucht, Jugendliche in ihren Bann zu ziehen. Zudem werde die anwachsende Arbeitslosigkeit schamlos ausgenutzt, um für das Mörder-Handwerk zu werben. Bernhard Löffler, Vorsitzender der DGB-Region Nord-Württemberg, wies in seinem Redebeitrag auf der Hauptkundgebung auf dem Stuttgarter Schloßplatz darauf hin, daß die Bundeswehr mittlerweile in aller Welt eingesetzt wird. Er erinnerte daran, daß nach wie vor Atomwaffen auf deutschen Boden gelagert werden. Löffler schlug auch einen Bogen zum Thema Sozialabbau. Er wies auf die schwindenden Rücklagen der Bundesanstalt für Arbeit hin, die von 17 Milliarden bis Ende 2009 bereits auf 2 Milliarden Euro dahin schwanden und die bis Ende 2010 nach allen Prognosen ein Minus aufweisen werden. "21 Milliarden Euro für Rüstung können wir uns nicht mehr leisten," erklärte Löffler mit Hinweis auf den aktuellen deutschen Rüstungsetat.
Der Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell hatte erstmals am Karfreitag 1958 in London zu einem Protest gegen Atomwaffen aufgerufen, an dem sich zehntausend Menschen beteiligten. 1960 begannen nach britischem Vorbild die Ostermärsche in der BRD. Wenige hundert DemonstrantInnen in kleinen Gruppen marschierten in einem mehrtägigen Sternmarsch nach Bergen-Hohne in der Lüneburger Heide, wo Atomwaffen stationiert waren. Die Ostermärsche richteten sich zu Beginn vor allem gegen die atomare Aufrüstung in West und Ost.
Aufwind bekam die internationale Friedensbewegung in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre mit dem wachsenden Widerstand gegen den Vietnam-Krieg. In Deutschland beteiligten sich mitunter rund 150.000 Menschen an Demos gegen den Vietnam-Krieg und am Osternmarsch beteiligten sich deutschlandweit bis zu 300.000 Menschen. 1968 kam es innerhalb der deutschen Friedensbewegung zu einem Zerwürfnis, nachdem "kommunistisch" orientierte Kader den Einmarsch der von der UdSSR angeführten Truppen in der Tschechoslowakei und die Niederschlagung der "Prager Frühlings" begrüßten.
Die Friedensbewegung erhielt durch die Debatte über den "Nachrüstung-Beschluß" der NATO Anfang der 1980er erneut großen Zulauf. Doch auch eine der größten Demos in der Geschichte der deutschen Friedensbewegung mit über 100.000 TeilnehmerInnen am 10. Oktober 1981 im Bonner Hofgarten konnte den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht beeindrucken und von seiner Zustimmung zu der "Nachrüstung" Deutschlands mit modernisierten Raketen abbringen. 1983 nahmen etwa 700.000 Menschen am Ostermarsch teil. Auch der weltweite Protest der Friedensbewegung mit Millionen von DemonstrantInnen konnte den Einmarsch der alliierten Truppen unter der Führung der USA am 20. März 2003 in den Irak nicht verhindern. Veteranen der Friedensbewegung wie Ulli Thiel erinnerten jedoch daran, daß der Kampf für Frieden einen langen Atem erfordert.
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
"Bewegung am Boden"?
Die Friedensbewegung nach dem NATO-Gipfel (5.04.09)
60.000 beim Ostermarsch
Protest gegen fortgesetzte Kriege
und gegen Unterdrückung in Tibet (24.03.08)
Baden-württembergischer Ostermarsch in Stuttgart
"Vernunft muß her statt Militär!" (23.03.08)
Demonstration gegen Bombodrom am Neujahrstag
Bundeswehr will Bombenabwurf üben (1.01.08)
Ostermärsche setzen Zeichen gegen Tornado-Einsatz
(8.04.07)
Zehnausende bei Ostermärschen der Friedensbewegung
(16.04.06)