Berlin (LiZ). Nach heftigen Show- Kämpfen um die "Kopfpauschale" hat sich die "schwarz-gelbe" Koalition nun offenbar auf "Einsparungen" in Höhe von 4 Milliarden Euro geeinigt. Im Jahr 2011 drohe ansonsten ein Defizit von elf Milliarden Euro. Die steigenden Kosten des deutschen Gesundheitssystems werden jedoch nahezu ausschließlich durch ausufernde Arzneimittelpreise verursacht. Die von den Beitrags- zahlerInnen geforderten Mehrkosten fließen daher weiterhin in die Kassen der Pharma-Konzerne.
Die "Gesundheits"-ExpertInnen der "schwarz-gelben" Bundesregierung sprachen nach einer Klausurtagung übereinstimmend von Fortschritten bei der Bekämpfung drohende Defizit von elf Milliarden Euro in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). "Wir sind optimistisch, daß wir das Einsparziel von vier Milliarden Euro erreichen werden," sagte Bundes-"Gesundheits"-Minister Philipp Rösler am frühen Samstagmorgen nach dem fast zwölfstündigen Treffen in Berlin. Ein abschließendes Konzept für eine "Reform" stehe aber noch aus. Details der Planungen nannte er nicht.
Die "CS"U gibt sich mit ihrem Vorsitzenden und früheren Bundes-"Gesundheits"-Minister Horst Seehofer sozial und lehnt weiterhin Beitragserhöhungen der Kassen ab. "Wir sind auf der Ausgabenseite auf einem guten Weg," sagte Seehofer. Die "CS"U vermeidet es jedoch, klar zu benennen, daß bei den Arzneimittelkosten angesetzt werden müßte, um die Ausgabenseite in den Griff zu bekommen. Es wäre auch völlig überraschend, würde die "CS"U plötzlich auf Konflikt-Kurs mit der Pharma-Industrie gehen.
Statt im Arzneimittelbereich eine ernsthafte Preiskontrolle einzuführen, plädiert der GKV-Spitzenverband dafür, vier Milliarden Euro bei den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern einsparen. Der Sprecher der GKV-Spitzenverbandes Florian Lanz behauptete, dies sei möglich, ohne daß die Versorgung der Patienten darunter leiden würde.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der "Grünen"-Fraktion im Bundestag, Birgitt Bender, kritisierte: "Einig sind sie nämlich nur darin, daß sie die Versicherten mit mindestens sieben Milliarden Euro mehr belasten wollen, während die Arbeitgeber außen vor bleiben." Dies sei ungerecht und sichere keine Finanzierung für die Zukunft, erklärte sie in Berlin.
Auch der Vorsitzende der Linkspartei, Klaus Ernst, nannte in einer Stellungnahme vom heutigen Sonntag den Kostentreiber Pharma-Industrie nicht beim Namen. Er kritisierte: "Das ist eine Einigung auf dem Rücken der Versicherten. Schwarz-Gelb ist unfähig zu echten Reformen und bittet deshalb wieder die kleinen Leute zur Kasse. Eine willkürliche Einsparung von vier Milliarden Euro läuft darauf hinaus, daß noch mehr Leistungen und Medikamente rationiert werden."
Der Sozialverband VdK befürchtet, daß die Koalition pauschale Zusatzbeiträge vor allem zulasten der sozial Schwächeren und Rentner einführt, statt die strukturellen Probleme anzupacken. "Das wäre höchst unsolidarisch und nicht hinnehmbar," warnte VdK-Vize Roland Sing. Er empfahl "Schwarz-Gelb", die Kostentreiber im Gesundheitswesen zu bremsen. Da jedoch in der Öffentlichkeit wenig bekannt ist, welche Bereiche im Gesundheitssystem bereits seit Jahren sinkende Kosten verzeichnen und in welchem Bereich die Kosten hingegen rasant steigen, bleibt auch diese Aussage nebulös.
Die Lage des deutschen Gesundheitssystems spitzt sich derweil weiter zu. Unter den deutschen Betriebskrankenkassen grassiert die Angst vor der Pleite. Die Kosten für die Abwicklung der kollabierten City BKK überfordern viele Krankenkassen. Die Verbände warnen bereits vor einem Dominoeffekt. Sie fürchten, daß nun eine Krankenkasse nach der anderen Insolvenz anmelden muß. Der Kollaps der City BKK wird den Verbund der 128 deutschen Betriebskrankenkassen allein in diesem Jahr mindestens 100 Millionen Euro kosten. Interne Schätzungen belaufen sich sogar auf 150 Millionen Euro.
Bislang haben nach Angaben des Bundesversicherungsamtes (BVA) drei Kassen eine drohende Insolvenz angezeigt. Dazu sind sie seit Einführung des Gesundheitsfonds 2009 verpflichtet. Neben der City BKK sind dies die BKK Heilberufe sowie die GBK Köln. Die Finanznot unter den knapp 160 gesetzlichen Krankenkassen ist offenbar größer als bislang in der Öffentlichkeit bekannt. Der GKV stufte in einem internen Rating insgesamt 23 Kassen als "gefährdet" ein, darunter allein 20 Betriebskrankenkassen (BKK), wie das Münchner Magazin 'focus' berichtete. Für 46 Versicherer gilt demnach die Warn-Bewertung "zu beobachten". Bei weiteren 54 Krankenkassen gilt die Lage dem Bericht zufolge derzeit als "unbedenklich". 34 erreichten die Best-Wertung "leistungsfähig". Der GKV-Spitzenverband dementierte den 'focus'-Bericht allerdings. Nach Angaben der GKV befinde sich das Bewertungsmodell noch "im Aufbau".
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Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
Kosten des Gesundheitssystems wachsen
Nur Pharma-Konzerne profitieren (7.04.10)
Gesundheitswesen: Pharma-Konzerne kassieren ab
Bundesregierung verhindert Beschränkungen
wie in den USA (11.06.09)