3.03.2013

"Homo-Ehe"
Aufstand der Konservativen
gegen das Bundesverfassungsgericht

Homo-Ehe
Berlin (Liz). Konservative in der Union greifen das Bundesverfassungs­gericht offen an. Auf ihr Unverständnis stößt das jüngste Urteil des Bundesverfassungs­gerichts, mit dem die Rechte homosexueller Paare zur Adoption von Kindern ausgeweitet werden. CSU-Chef Horst Seehofer rügt, nur das Parlament dürfe solche gesellschaftspolitischen Grundsatzentscheidungen treffen. Wie Seehofers uneheliches Kind zu seinem Beharren auf der eigenwilligen Interpretation des Grundgesetzes paßt, bleibt dabei im Dunkeln.

Die Konservativen in der Union halten an ihrer eigenwilligen Interpretation des Grundgesetz-Artikels 6 fest, in dem "Ehe und Familie" unter den "besonderen Schutz der staatlichen Ordnung" gestellt werden. Daß ausschließlich ein heterosexuelles Paar als Eltern bezeichnet werden könne, erscheint ihnen natur- oder gottgegeben. Im Grundgesetz steht hiervon jedoch nichts. Doch in verfassungsrechtlichen Fragen war gerade die Rechte schon immer recht freizügig. Daß es die Parteien im Deutschen Bundestag noch nie sonderlich genau mit dem Grundgesetz nahmen, zeigt die lange Liste der Streichungen und Änderungen: Von der Schaffung der Bundeswehr (eingefügter Artikel 12 a) über die Notstandsgesetze (eingefügte Artikel 53a, 87a und 115a) und die faktische Abschaffung des Asylrechts von Artikel 16 unter Beihilfe der SPD im Jahr 1993 bis zur Mißachtung des Grundgesetzes durch die Auslandseinsätze des deutschen Militärs.

Nun üben einige Konservative - oder Unions-PolitikerInnen, die sich als solche darstellen - offene und scharfe Kritik am Karlsruher Urteil. So meinte etwa der Ehebrecher Horst Seehofer, das Urteil gebe "die gesellschaftliche Notwendigkeit und Realität nicht richtig wieder". "Wer schützt eigentlich unsere Verfassung vor den Verfassungsrichtern?", ereiferte sich Erika Steinbach, reaktionäre "C"DU-Bundestagsabgeordnete und Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV). Der Sprecher des konservativen Berliner Kreises der "C"DU, Hessens Fraktionschef Christean Wagner, sagte, der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie dürfe "nicht zugunsten der Homo-Ehe nivelliert werden". Und Unions-Fraktions-Chef Volker Kauder verstieg sich gar zu einer forschen Kritik an der Aussage des Verfassungsgerichts, wonach das Kindeswohl in homosexuellen Beziehungen nicht negativ betroffen sei. Diese Aussage sei nicht nur "ziemlich gewagt", im Gegenteil seien "viele Therapeuten sogar ausdrücklich anderer Meinung", so Kauder.

Da mußte ihm sogar die frühere "Familienministerin" Ursula von der Leyen in die Parade fahren: "Ich kenne keine Forschung, die belegt, daß Kinder aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nicht ebenso behütet ins Leben gehen wie Kinder von Eltern im traditionellen Sinn." Und obwohl dies Löcher in den Bundesetat reißen wird, plädiert sogar Finanzminister Wolfgang Schäuble dafür, schwule und lesbische Partnerschaften steuerlich mit Ehepartnern gleichzustellen. Offenbar denken Bundeskanzlerin Angela Merkel, Schäuble und von der Leyen an die kommende Bundestagswahl im Herbst dieses Jahres. Sie kalkulieren, daß ein Festhalten an einer anachronistischen Morallehre, die längst von einer Mehrheit der Deutschen als inhuman durchschaut wird, ihnen den Verlust der Regierungsmehrheit bescheren könnte. Durch die Union geht ein tiefer Riß und der Streit unter den "Schwarzen" um eine Richtungskorrektur wird spätestens im kommenden Sommer erneut hochkochen, wenn das Bundesverfassungsgericht dann - wie leicht vorherzusehen ist - auch die steuerliche Ungleichbehandlung homosexueller Paare beim Ehegattensplitting beanstanden wird.

Schwule und Lesben bilden eine Minderheit quer zu allen gesellschaftlichen Schichten. Schwulenfeindlichkeit hat in den vergangenen Jahren eher in ungebildeten Kreisen um sich gegriffen. Gerade Schwule und Lesben in den oberen gesellschaftlichen Schichten, die ihre Rechte zu artikulieren vermögen, sind eine nicht zu vernachlässigende Klientel der "Schwarzen". Das gemeinsame Interesse besteht vor allem darin, die Kosten der wirtschaftlichen Krise den unteren Schichten aufzubürden.

 

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Anmerkungen

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