Ja, ich gebe es zu: Ich bin empört und enttäuscht! Und zwar zutiefst (denn
unter dem geht es nicht in unserer superlativen Fast-Feeling-Gesellschaft).
Über bzw. von wem? Über bzw. von Guido selbstverständlich. Daß er mich,
seinen unerbittlichsten Fan und gnadenlosen PR-Agenten, so schnöde
übergangen hat, als er seine Lieben zum Ausflug nach Südamerika einlud, das
kränkt mich schon. Sind wir doch schon lange geschäftlich verpartnert. Habe
ich nicht alleweil seinen üblen Verruf, von dem er mittlerweile lebt, zu
mehren versucht?
Ja, ich lebe derzeit nicht schlecht von ihm. Er ist der
Dealer, der mich seit Wochen mit feinstem Stoff beliefert, den ich dann
einem süchtigen Publikum weiterverhökere. Im Gegengeschäft sorge ich auch
dafür, daß sein Name in aller Munde bleibt, was gar nicht so einfach ist,
wenn schon bei der Nennung den meisten inzwischen das Würgen kommt; und ich
glaube, selbst Angela würde am liebsten mit ihm brechen. Doch dann muß sie
sich aus Koalitions-Raison den Kotzbrocken immer wieder zurückstopfen in
den würgenden Schlund.
Bitte sehr, das ist jetzt allegorisch oder so ähnlich gemeint, also
jedenfalls nicht persönlich: Nicht daß Sie jetzt meinen, daß ich meinen
würde, daß der Westerwelle ein Kotzbrocken sei. So etwas kann ich gar nicht
gemeint haben, weil mein Rechtsanwalt meint, daß ich so etwas gar nicht
meinen darf. Also schon aus rein juristischen Erwägungen heraus bin ich in
diesem Fall überhaupt nicht meiner Meinung. (Übrigens, wegen solcher
Passagen in meinen unflätigen Reden werden Sie mich auch in nächster Zeit
wohl kaum auf dem Fernsehschirm sehen. Da sitzen in den Programmdirektionen
geschmackssichere Leute mit gestählten Mägen, die eben ohne weiteres einen
Westerwelle auf der Mattscheibe ertragen, aber ganz sicher keinen Buchholz.)
Andererseits sehe ich ja ein, daß ich die Zurückweisung durch Guido nicht
allzu tragisch nehmen sollte: Schließlich gehöre ich nicht zum inneren
Freundeskreis unseres äußeren Ministers, schon gar nicht zu seinem
familiären Umfeld, das er in brüderlicher Nächstenliebe hegt und pflegt.
Insofern ist er ein Vorbild auch für die CDU: Er lebt es allen
wertkonservativen Unionisten vor, daß die private Fürsorge für die Seinen
stets Vorrang hat. Wahrlich ein Familienminister, der auf dem falschen
Posten gelandet ist.
Daß Westerwelle sich und die Kompagnons seiner Partei-GmbH dadurch kurz vor
der Wahl in NRW in ziemliche Schwulitäten gebracht hat, darf man so wohl
auch nicht formulieren. Denn, so mutmaßt ein unterer Geschäftsführer der
Fraktion, die ganze "Hetzkampagne" sei davon geprägt, Vorurteile gegen die
"sexuelle Orientierung" des Ober-Geschäftsführers zu schüren. Latente
Schwulenfeindlichkeit sei also das Motiv dieser zu Ende gehenden
Medien-Woche der Anti-Brüderlichkeit. Klar: Ebenso wie jede Kritik an Schäuble
latent behindertenfeindlich ist und jede Maulerei über Angela Merkel
Ausdruck finstersten Weiberhasses. So habe ich auch stets die fiesen
Zerrisse meiner eigenen Programme in verschiedenen Gazetten verstanden -
als Pamphlete des schieren Anti-Heteroismus. Auch nach meiner letzten
Kolumne zum Frauentag mußte ich in meiner elektronischen Post gehässige
Anspielungen auf meine softie-gespülte Frauenversteherei und warmgeduschte
Weicheiigkeit über mich ergehen lassen. Und das alles nur wegen meiner, nun
ja, "sexuellen Orientierung"...
So gesehen, verbindet Westerwelle und mich ein ähnliches, wenn
unterschiedlich orientiertes Los. Ich hatte mich zunächst sogar
klammheimlich gefreut, als Westerwelle Außenminister wurde. Zumindest
gönnte ich es irgendwelchen Saudi-Ober-Scheichen, daß sie einem
homosexuellem Mann freundlich die Hand schütteln müssen, dem in ihrem
eigenen Lande allein wegen seines Schwulseins die Todesstrafe drohen würde.
Insofern hatte Westerwelles Ernennung durchaus einen emanzipatorischen
Nebenaspekt, allerdings einzig und allein wegen seiner "sexuellen
Orientierung". Übrigens: Wenn man die "Orientierung" mal geschlechtsneutral
untersucht (wiewohl sie als Substantiv eigentlich feminin ist), leitet sie
sich ja vom "Orient" ab (der wiederum männlich ist). Westerwelles
Orientierung wäre also auch im Wortsinne sowohl in Fernost als in Nahost
eine Wegweisung zur sexuellen He-Mann-Zipation.
Das aber ist das einzig Positive, was man ihm derzeit nachsagen kann. Und
bei aller latenten Homophilie, die da zwischen meinen Zeilen im letzten
Absatz durchschimmern mag, muß ich doch hinzufügen: Schwulsein allein ist
noch keine ausreichende Qualifikation - in keinem politischen Amt. Das
müssen gerade in Berlin wohl mehrere Herren langsam einsehen.
Programmhinweis / Vorstellungen:
Martin Buchholz spielt sein aktuelles Programm:
»Geh! Denken!«
noch bis 25. April 2010
immer So. um 16.30 Uhr
ORT: Die Wühlmäuse
Pommernallee 2-4,
direkt am Theodor-Heuss-Platz
14052 Berlin
Programm: »Geh! Denken!«
Gastbeitrag von
Martin Buchholz
für die
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