10.11.2011

Artenvernichtung
Rote Liste wird länger

Der Ast, auf dem wir sitzen Gland (LiZ). Auf der Roten Liste sind mittlerweile rund 4000 bekannte Arten verzeichnet. In diesem Jahr fiel das letzte Java-Nashorn in Vietnam der Wilderei zum Opfer. Natur- schützerInnen konnten zwar gelegentlich Erfolge verzeichnen, doch der negative Trend hat sich beschleunigt.

Die Zahl der vom Aussterben bedrohten Arten hat sich im Jahr 2010 um 300 auf 3.879 erhöht. Doch hierbei sind nur die bekannten Arten - rund 61.900 - erfaßt, während damit gerechnet werden muß, daß eine noch größere Anzahl von Arten vom Menschen ausgerottet wird, noch ehe wir von ihrer Existenz überhaupt Kenntnis nehmen konnten.

Die Weltnaturschutzunion (IUCN) hat bei ihrer heute veröffentlichten Neufassung der Roten Liste weit mehr Tier- und Pflanzenarten erfaßt als im vorangegangenen Jahr: rund 61.900 von insgesamt vermutlich rund 10 Millionen Arten. Doch auch prozentual stellt sich die Lage mit einem Verlust von rund 10 Prozent im Jahr 2010 als beängstigend dar. Die IUNC bezeichnet die Rote Liste als "Barometer der Lebens" auf diesem Planeten. Die Menschheit kann nicht nur das größte jemals auf diesem Planeten geschehene Artensterben verursachen, sondern zugleich mit der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts dem Überleben der eigenen Art den Boden entziehen. Es gelang in den vergangenen Jahrzehnten nicht einmal, den Artenschwund zu verlangsamen. Der Raubbau an der Natur nimmt immer dramatischere Formen an. Lebensraumzerstörung, Wilderei und Treibhauseffekt bewirken einen extrem zunehmenden Druck auf die Arten. Als "stark gefährdet" (oranger Bereich) gelten mittlerweile 5.689 Arten und als "gefährdet" (gelber Bereich) 10.002 Arten.

Bei den Säugetieren mußten rund 25 Prozent in diese drei Kategorien eingeordnet werden. Besonders traurig ist die Situation bei den Nashörnern. Das Westliche Spitzmaulnashorn mußte nun als ausgestorben verzeichnet werden, die Unterart Nördliches Breitmaulnashorn als "möglicherweise ausgestorben". Vom Java-Nashorn, das einst in vielen südostasiatischen Ländern heimisch war, leben nur noch einige wenige Exemplare auf der Insel Java. In Vietnam fiel das letzte Java-Nashorn in diesem Jahr der Wilderei zum Opfer. Nur das Horn war entfernt worden. Nach wie vor gilt das zermahlene Horn des Nashorns in der sogenannten Chinesischen Medizin als Heilmittel. Doch dieses Beispiel zeigt, daß es sich bei Esoterik nur um eine spezielle Form von Dummheit handelt - und daß Dummheit keineswegs ungefährlich ist. Doch weit mehr noch gefährdet das kapitalistische Profit-Prinzip das Leben auf diesem Planeten, denn diesem müssen sich viele Menschen unterordnen, ob sie wollen oder nicht.

Bei den Reptilien bezeichnet die IUCN die Situation als alarmierend. So seien etwa auf Madagaskar mittlerweile 40 Prozent der landlebenden Reptilien-Arten gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.

Fünf von acht Thunfisch-Arten müssen als gefährdet eingestuft werden. Die Meere werden rücksichtslos überfischt. Schon jetzt sind die Bestände einiger kommerziell wichtiger Fischarten um mehr als 90 Prozent zurückgegangen. Überfischung, Klimaveränderung und Verschmutzung haben den negativen Trend in den Weltmeere weiter beschleunigt, so daß das größte Artensterben seit 55 Millionen Jahren immer näher rückt. Doch die regelmäßig stattfindenden internationalen Artenschutzkonferenzen dienen nur der Bemäntelung einer Politik des "Weiter wie bisher" (siehe hierzu unseren Artikel v. 18.03.10).

Bei den Pflanzen-Arten ist der Wissensstand noch lange nicht so weit wie bei den Tier-Arten. Hier stehen die ForscherInnen noch vor vielen Aufgaben. In der aktualisierten Liste gibt es eine Bestandsaufnahme der Nadelbäume. Sie zeige einige beunruhigende Entwicklungen, so die IUCN. Beispielsweise wächst die chinesische Wasserfichte, früher weit verbreitet in China und Vietnam, kaum noch in der Wildnis. Die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftliche Flächen hat die Baumart an den Rand des Aussterbens gebracht, bald könnte sie nur noch in Parks vorkommen. Von den 79 Arten blühender Pflanzen, die nur auf den Seychellen vorkommen, seien 77 Prozent vom Aussterben bedroht.

Die IUCN kann auch über Erfolge berichten. Der Bestand des Südlichen Breitmaulnashorns wuchs von rund 100 Exemplaren zum Ende des 19. Jahrhunderts auf mittlerweile mehr als 20.000. Im Juni vermeldte die IUCN, daß die in der Wildnis ausgerottete Arabische Oryx nach erfolgreichen Zuchtprogrammen wieder auf der Arabischen Halbinsel angesiedelt werden konnte. Dies zeigt, daß der Trend bei vermehrtem Einsatz umgekehrt werden könnte. Voraussetzung ist allerdings, daß nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursachen angegangen werden.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      Dohle: Von der Roten Liste
      zum Vogel des Jahres 2012 (15.10.11)

      Merkel degradiert Wald zum Rohstofflieferanten
      Wald-AIDS in den Medien nahezu vergessen (21.09.11)

      Gartenrotschwanz bald ausgerottet
      Vogel des Jahres 2011 (9.10.11)

      Schockierende wissenschaftliche Studie:
      Das Meer stirbt (21.06.11)

      Erfolg der Bio-Landwirtschaft
      mit Artenvielfalt statt Pestiziden (5.07.10)

      Artenschutzkonferenz zündet nächste Stufe
      zur Zerstörung der Lebensgrundlagen (18.03.10)