16.10.2010

86 Prozent der Deutschen:
Erneuerbare Energien sind wichtig
Wieviel kostet Öko-Strom wirklich?

Erneuerbare Energien: Windkraft, Photovoltaik, Wasserkraft, Biogas,... Berlin (LiZ). Nach einer aktuellen Meinungsumfrage erachten 86 Prozent der Deutschen es für wichtig bis sehr wichtig, daß Deutschland seine Stromver- sorgung vollständig auf erneuerbare Energien umstellt. Die Hälfte der Haushalte ist bereit, dafür deutlich mehr Geld auszugeben als bisher. Nur 35 Prozent glauben, daß für eine vollständige Stromversorgung mit erneuerbaren Energien eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten notwendig sei. Die derzeitige Propaganda-Welle in den deutschen Mainstream-Medien, mit der den erneuerbaren Energien die Schuld für kommende Strompreiserhöhung zugeschoben werden soll, hat noch keine Wirkung gezeigt. Doch wie teuer ist Öko-Strom wirklich?

Die vom Meinungsforschungsinstituts TNS-Emnid im Auftrag von Greenpeace vor wenigen Tagen durchgeführte repräsentative Umfrage:

"Glauben Sie, daß eine vollständige Stromversorgung in Deutschland mit erneuerbaren Energien wichtig ist? Würden Sie sagen, diese ist...

Laut TNS-Emnid ist die deutliche Unterstützung für die erneuerbaren Energien unabhängig von Länder- und Parteigrenzen und zieht sich durch alle Altersschichten.

Ein durchschnittlicher Mehr-Personen-Haushalt fördert über seine Stromrechnung den Ausbau erneuerbarer Energien aktuell mit rund sechs Euro im Monat, ein Ein-Personen-Haushalt mit rund 2,50 Euro. 50 Prozent der Deutschen wären laut Umfrage bereit, für einige Jahre sogar monatliche Mehrkosten von 10 Euro pro Haushalt für den Ausbau der erneuerbaren Energien zu tragen. Die Bereitschaft für erneuerbare Energien auch Mehrkosten zu tragen, ist offensichtlich hoch.

Wenig bekannt ist allerdings, daß sowohl über die Stromrechnung als auch über die Steuern nach wie vor viel mehr für Kohle- und Atomstrom bezahlt werden muß als für den Strom aus erneuerbaren Energien. Die seit Jahrzehnten unverändert hohe Subventionierung der Atomenergie in Deutschland mit jährlich mehr als 17 Milliarden Euro und der Kohle mit jährlich rund 13 Milliarden Euro ist im Resultat eine politisch gewollte Wettbewerbsverzerrung, die das Wachstum der erneuerbaren Energien im Interesse der Großen Vier, der Strom-Konzerne RWE, E.on, Vattenfall und EnBW behindert. Dies ist damit vergleichbar, daß der Veranstalter eines Rennens den Favoriten mit einem Formel-1-Boliden ausstattet und zugleich dessen Konkurrenz - mit großzügiger Geste vor der Öffentlichkeit - ein Fahrrad schenkt.

Zur Zeit wird die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit 5,3 Milliarden Euro im Jahr gefördert. Hinzu kommen noch Ausgleichs- und Regelenergie-Kosten in Höhe von 0,36 Milliarden Euro im Jahr und anteilige Netzausbau-Kosten von 0,03 Milliarden Euro im Jahr. Einseitig und entsprechend böswillig könnte also allenfalls von einer Strom-Subventionierung der erneuerbaren Energien in Höhe von aktuell 5,7 Milliarden Euro im Jahr die Rede sein. Dem stehen jedoch positive Effekte von jährlich insgesamt 17 Milliarden Euro gegenüber. Diese setzen sich zusammen aus vermiedenen Umweltschäden, die sich allein bei der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien auf jährlich 5,7 Milliarden belaufen und damit für sich genommen bereits deren "Subventionierung" Wett machen. Weiter setzen sich die 17 Milliarden Euro zusammen aus 5,5 Milliarden Euro an Wertschöpfung, die in den Kommunen durch die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien anfällt, aus rund 4 Milliarden Euro Merit-Order-Effekt und 2,2 Milliarden Euro vermiedene Kosten für Strom-Importe, die ohne die Strom-Einspeisung aus erneuerbaren Energien angefallen wären.

Eine am Dienstag veröffentlichte Greenpeace-Studie zeigt, daß bei fairer Berechnung der Strompreise viele Anlagen der erneuerbaren Energien bereits heute ohne Förderung konkurrenzfähig wären. Denn anders als bei den erneuerbaren Energien, bei denen die Förderkosten transparent auf den Strompreis umgeschlagen werden, werden Atomenergie und Kohle über Steuergelder und Vergünstigungen subventioniert. (Zur verdeckten Subventionierung der Atomenergie siehe Folge 3 der Info-Serie Atomenergie)

Während jedoch die Subventionierung von Atomstrom und Kohle kaum je in den Mainstream-Medien zur Sprache kommt, ist gegenwärtig eine Propaganda-Welle zur Stigmatisierung der erneuerbaren Energien zu beobachten. Eine Auswahl der Schlagzeilen: "Ökologischer Stromschlag" (Financial Times Deutschland, 15.10.10), "Ökostrom lässt die Preise für alle steigen" (Süddeutsche, 14.10.10), "Explodierende Strompreise befeuern eine heftige Debatte über erneuerbare Energien" (Süddeutsche, 15.10.10), "Solar-Ausbau macht Strom drastisch teurer" (Die Welt, 14.10.10), "Preisschock" (focus, 15.10.10), "Öko-Abgabe macht Strom drastisch teurer" (Hamburger Abendblatt, 14.10.10), "Erneuerbare- Energien-Gesetz: Darum explodieren die Ökostrom-Kosten" (stern, 15.10.10), "Ökostromausbau lässt Preise steigen" (Stuttgarter Zeitung, 15.10.10), "70 Prozent mehr: Öko-Energie treibt Stromkosten" (www.n-tv.de, 15.10.10)

Als positive Ausnahme fällt die 'Märkische Allgemeine' auf, die am 15.10. titelte: "Energie: Verdeckte Milliarden für Atommeiler"

Als Vorwand für die reißerischen Schlagzeilen der anderen diente die Nachricht, daß die EEG-Umlage zum Jahreswechsel von aktuell 2,047 Cent auf 3,53 Cent steigen wird. Das ist tatsächlich ein Plus von rund 70 Prozent - doch weil die Umlage nur einen kleinen Teil des Strompreises ausmacht, steigt dieser durch die höhere EEG-Umlage nur um wenige Prozent (je nach Anteil des Grundpreises in der Stromrechnung). Für einen durchschnittlichen Haushalt mit monatlich 300 kWh Verbrauch würde dies rund 4,50 Euro im Monat zur Folge haben.

Doch zu berücksichtigen ist gleichzeitig, daß Strom aus Wind- und Sonnenenrgie den Börsenpreis für Strom drückt. ExpertInnen nennen dies den "Merit-Order-Effekt": An der Börse wird nämlich der Strompreis durch das teuerste Kraftwerk bestimmt, das gerade noch zur Deckung der Gesamtnachfrage benötigt wird. An windreichen Tagen oder im Sommer zur Mittagszeit, wenn Windräder oder Solaranlagen viel Strom liefern, verdrängen sie auch viele teure Kraftwerke. Der Strom-Konzern Eon hat dazu schon vor Jahren Gutachten erstellen lassen, die dies bestätigen und der Vattenfall-Konzern räumte öffentlich vor wenigen Wochen verärgert ein, daß Windkraft die Profite schmälert. Laut einer Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München sorgten die erneuerbaren Energien im Jahr 2008 für eine Preisdämpfung im Volumen von rund 5,4 Milliarden Euro. StromkundInnen aber merken davon wenig, weil das Oligopol der großen vier Strom-Konzerne niedrigere Börsenpreise nur selten an private Endverbraucher weitergibt.

So dient die gegenwärtige Medien-Kampagne wohl nur dazu, der Öffentlichkeit für bereits seit langem geplante Stromerhöhungen zum Jahr 2011 einen Sündenbock zu präsentieren. In den vergangenen zehn Jahren konnten die Großen Vier in Deutschland den Strompreis um mehr als 50 Prozent in die Höhe treiben - weit mehr als in anderen vergleichbaren europäischen Staaten. Dabei stieg die durchschnittliche monatliche Stromrechnung um mehr als 30 Euro - der Anteil der EEG-Umlage daran betrug aber lediglich fünf Euro. Übrigens: Auch die Großen Vier profitieren von der EEG-Umlage. Wer sicher sein will, daß über die eigene Stromrechnung tatsächlich nur die erneuerbaren Energien gefördert werden, muß zu einem echten Ökostrom-Anbieter wie den Energiewerken Schönau, Greenpeace Energy oder Naturstrom wechseln.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel zum Thema:

      Photovoltaik statt Atomenergie
      Zwentendorf wird Forschungszentrum (11.10.10)

      Verbände fordern Energieeffizienz
      und zukunftsweisendes Energiekonzept (24.08.10)

      Frankreich: Schrägdach-Solaranlage
      mit über 5000 Modulen (23.07.10)

      Greenpeace deckt auf:
      Deutsche Kohle-Subvention
      mit jährlich 13 Milliarden Euro (4.06.10)

      Konkurrenz für die Großen Vier
      Kommunen drängen auf den Strom-Markt (14.04.10)

      Energie-Kommune Wildpoldsried im Allgäu
      Dreimal soviel Ökostrom wie Eigenverbrauch (8.04.10)

      Was ist eigentlich aus Mülheim
      als RWE-Vorzeigestadt geworden? (28.02.10)

      Der Kampf um das Strom-Netz hat begonnen
      EnBW lockt Bürgermeister mit Gänsebraten (23.10.09)

      Gerichtsentscheid gegen Strom-Konzerne
      BGH erzwingt Dezentralisierung
      und stärkt Erneuerbare Energien (29.09.09)

      Wachstum der Windenergie weiter behindert
      Halbierung des Zuwachses gegenüber 2002 (18.09.08)

      Globaler Energie-Vergleich:
      13 mal soviel Zubau an Windenergie
      wie an Atomenergie (20.07.08)

      EEG bremst erneuerbare Energien:
      Wachstum der Photovoltaik stagnierte 2007
      in Deutschland (6.05.08)

      100 Prozent Ökostrom in 8 Jahren
      Eine realistische Perspektive für die Energiewende?
      (15.03.08)

      Erneuerbare Energien bei 14 Prozent
      Schlechte Aussichten für weiteres Wachstum (9.01.08)

      E.on, RWE, EnBW und Vattenfall
      treiben die Strompreise hoch
      Kartellamt sitzt auf brisanten Ermittlungsdaten (5.11.07)

      Solarer Wasserstoff
      Seit über 20 Jahren eine praktikable Alternative (3.11.07)

      Für oder gegen die Stromkonzerne?
      Was treibt die Bundesregierung hinter den Kulissen?
      (7.01.07)

      Bundesregierung predigt Klimaschutz
      und bremst Ökostrom (24.10.07)

      Der Ausgangspunkt
      Folge 1 der Info-Serie Energiewende

      Die Subventionierung der Atomenergie
      Folge 3 der Info-Serie Info-Serie Atomenergie