12.07.2011

Atommüll-Endlager in der Schweiz?
Unmögliches soll realistisch erscheinen

Atommüll - wohin damit? Bern (LiZ). Die Schweizer Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) veröffentlichte heute eine Stellungnahme zu einem offiziellen Bericht über den Stand der Endlager-Suche. Darin kritisiert die KNS fehlende Grundlagen. Aus den Reihen der Schweizer Anti-Atom-Bewegung wird diese Kritik aufgegriffen und gefordert, den "Entsorgungsnachweis" aufzuheben, solange grundlegende Fragen der Atommüllentsorgung nicht gelöst sind.

Bislang gibt es auch in der Schweiz - ebenso wie weltweit - kein Endlager für hochradioaktiven Müll. Nachdem viele Jahre lang Granit als Medium für die Aufnahme eines Atommüll-Endlagers präferiert wurde, konzentriert sich die Suche mittlerweile auf Opalinuston-Schichten. Diese weisen jedoch ausnahmslos in der Schweiz eine zu geringe Dicke auf und liegen zudem durchweg in erdbebengefährdeten Gebieten. Hinzu kommt, daß wissenschaftliche Untersuchungen vorliegen, wonach Opalinuston bei Hitze zu Rißbildungen neigt und daher ebenso wenig wie Granit zur Einlagerung von Atommüll geeignet ist. Dennoch läuft in der Schweiz trotz vermeintlich breit gestreuter Suche und sogenannter Bürgerbeteiligung seit Jahren alles auf ein Atommüll-Endlager im Opalinuston unter dem Ort Benken hinaus.

Die KNS kritisiert an dem aktuell von der NaGRA (Nationale Genossenschaft zur Lagerung radioaktiver Abfälle) vorgelegten "Endlager-Bericht", daß die Lagerungs-Konzepte einer grundsätzlichen Prüfung unterzogen werden müßten. In die Überprüfung müsse das gesamte Spektrum von machbaren Lagerkonzepten (zum Beispiel die Auslegung der Stollen und der Zugang zum Lager mittels Schacht ohne Rampe) einbezogen werden. Die Schweizerische Energie-Stiftung (SES) als Teil der Anti-Atom-Bewegung greift diese Kritik auf und fordert eine grundsätzliche Überprüfung des "Entsorgungs"-Konzeptes. Die SES werde ein "Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Konzept" nicht akzeptieren.

Nach wie vor völlig ungeklärt erscheint es aus Sicht der SES, welcher der drei offiziell in die Auswahl einbezogenen potentiellen Standorte für ein Atommüll-Endlager der am wenigsten unsichere ist: Die beiden "Kandidaten" Bözberg und Nördlich Lägern - beide im Ost-Jura - sind geologisch komplizierter als der dritte, Benken im Zürcher Weinland. Benken liegt in der Nähe des Rheinfalls an der deutschen Grenze. Nach Einschätzung der SES sind die geologischen Gegebenheiten der beiden "Kandidaten" im Ost-Jura weniger gut abgeklärt.

Die SES fordert daher, das 2D-Seismikmeßnetz müsse auch in den Regionen der Standortgebiete Jura-Südfuß und Südranden verdichtet werden. Auch die KNS empfiehlt für alle drei in Frage kommenden Regionen zusätzliche Untersuchungen. Nach diesen Untersuchungen fordert die KNS zudem einen "Marschhalt", um eine Lagebeurteilung vorzunehmen.

Darüber hinaus sieht die SES es als unabdingbar an, daß ein "Gleichstand des Wissens" zwischen den Regionen hergestellt werden muß. Dies sei "so schnell wie möglich", auf jeden Fall aber vor dem offiziellen Ausschluß eines der "Kandidaten" aus dem Rennen zu gewährleisten.

Auf dem jetzigen Stand der Untersuchungen zieht die SES den Schluß, daß auch in der Schweiz das Problem eines Atommüll-Endlagers ist nicht gelöst ist: "Es gibt zu viele offene Fragen, es fehlen ein eigentliches Lager-Konzept und die nötigen geologischen Untersuchungen." Die SES fordert daher, den "Entsorgungsnachweis" aufzuheben. Die Sicherheit der Entsorgung sei erst nachgewiesen, wenn alle grundlegenden Fragen geklärt sind und ein sicheres Konzept vorliegt.

 

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Anmerkungen

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