Berlin Hamburg München Köln (LiZ). In Berlin, Hamburg, München und Köln demonstrierten insgesamt 250.000 Menschen für einen Atom-Ausstieg in Deutschland und gedachten der Opfer in Japan. Die Zahl der TeilnehmerInnen übertraf alle Erwartungen.
Besonders stark war der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in die Kundgebungen eingebunden, obwohl er sich bei der Mobilisierung für die gleichzeitig in vier Großstädten angekündigten Demonstrationen nicht sehr ins Zeug gelegt hatte. DGB-Chef Michael Sommer erwies denn auch seinem Parteibuch die Ehre und sprach einmal mehr von dem angeblich von "Rot-Grün" im Jahr 2000 beschlossenen Atom-Ausstieg. Unbeirrbar hält Sommer daran fest, bei der im Laufe der Jahre offenkundig gewordenen Mogelpackung habe es sich um einen "gesellschaftlichen Konsens" gehandelt. Immerhin traute er sich heute, die Forderung der Anti-AKW-Bewegung nach dem "sofortigen Atom-Ausstieg" in seine Rede einzubauen. Die Gewerkschaften wollten nun - so Sommer - auch "tatkräftig an der fälligen Energiewende mitwirken." Und: "Wir werden den sofortigen Ausstieg erkämpfen!“ Dem folgten dann wieder die üblichen Versatzstücke aus altbekannten Gewerkschaftsreden: "Gemeinsam haben wir die Kraft“ und "Nie und nimmer lassen wir uns noch mal einlullen.“ Sogleich verfiel Sommer wieder in den altbekannten Trott und redete von einem "geordneten Ausstieg." Ausgewiesene Partei-FunktionärInnen kamen bei den Kundgebungen zwar nicht zu Wort, sie liefen jedoch - nahezu permanent von Kameras begleitet - in dem kilometerlangen Zug mit. Hubert Weiger vom BUND bezeichnet ein Beharren auf der Atomkraft in seiner Rede als permanenten Verstoß gegen das Grundgesetz. "Mehr Hirn," fordert Weiger.
In Berlin haben sich rund 120.000 Menschen dichtgedrängt an der Siegessäule versammelt - bei einer 'Love Parade' hätte es zweifellos geheißen, es seien mehr als eine Million gewesen. In Hamburg nehmen 50.000, in Köln und München jeweils 40.000 Menschen teil. Bei einer Gesamtzahl von 250.000 Menschen ist es die größte Anti-AKW-Demo aller Zeiten in Deutschland. Häufig sind Transparente und Plakate mit individuellen Sprüchen versehen: "Atomkraft zerstört Leben,“ heißt es auf dem einen, "Unsere Kinder sollen lachen, nicht strahlen“, "Unser Krebs kommt von eurem AKW", "Deutschland sucht den Super-GAU" auf anderen. Das gemeinsame Symbol der DemonstrantInnen ist die orange Sonne auf gelben Hintergrund, eingerahmt von dem Schriftzug "Atomkraft? Nein Danke".
In Hamburg verriet der IG-Metall-Chef aus Niedersachsen, Hartmut Meine, was das wachsende Engagement der GewerkschafterInnen gegen Atomkraft - zumindest an der Basis - besonders motiviert: Mit 370.000 Beschäftigten bietet die Branche der erneuerbaren Energien weitaus mehr Menschen Arbeit und Brot als die Atom-Industrie. Weiter erklärte Meine: "Wir erleben einen Wendepunkt und eine historische Chance, endlich die Regierung und die Konzerne zum Atomausstieg zu bewegen.“ Auf die bei den Demonstrationen laut werdenden Bekundungen, Atomkraftwerke im Falle eines Weiterbetriebs auch zu blockieren, gingen die Gewerkschafts-Funktionäre allerdings nicht ein.
Neben den für so Manche ermüdenden Reden sorgte die Band 'Wir sind Helden' für ein musikalisches Gegengewicht. Vielen Menschen klang noch auf dem Nachhauseweg der Refrain im Ohr: "Wir sind gekommen um zu bleiben.“ Und oft sind Aussagen zu hören wie etwa: "Das war zwar meine erste Demo gegen AKW, aber sicher nicht meine letzte!"
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
60.000 bei Menschenkette für Atom-Ausstieg (12.03.11)