7.05.2013

Fanatische Hetze gegen Holger Strohm
Qui bono?

Holger Strohm
Hannover (LiZ). Der niedersächsische Landesverband der Pseudo-Grünen hat einen Unvereinbarkeitsbeschluß gegen Holger Strohm, früheres Mitglied und Mitbegründer der Grünen, verabschiedet. Statt einer rationalen Begründung wird fanatische Hetze kolportiert. Losgetreten wurde die Kampagne durch einen verleumderischen Artikel in der 'taz' vom 2. Dezember 2012. Diese richtet sich offenbar gegen die Verbreitung des Films "Friedlich in die Katastrophe". Qui bono?

Holger Strohm ist einer der Altvorderen der Anti-Atom-Bewegung. Bereits 1971 erschien sein Bestseller "Friedlich in die Katastrophe" in der ersten Auflage. Nachdem er das Manuskript über 80 Verlagen vergeblich angeboten hatte, veröffentlichte Strohm das Buch zunächst im Privatdruck, dann im anarchistischen Kleinverlag 'Association' und ab 1981 beim Alternativ-Verlag 'Zweitausendeins'. Von dieser Ausgabe wurden schnell 130.000 Exemplare verkauft. Die Gesamtauflage der bei 'Zweitausendeins' verlegten Bücher von Strohm beläuft sich auf 640.000.

Auch beim erfolgreichen Widerstand gegen den Bau des am südbadischen Kaiserstuhl geplanten AKW Wyhl, half Strohm mit Vorträgen, die der Bevölkerung vor Ort die wissenschaftliche Basis für ihren zunächst rein emotional begründeten Widerstand lieferte. Der Historiker Joachim Radkau bescheinigt Strohm, er habe zu einem "erheblichen Niveausprung in der bundesdeutschen Kernkraft-Kritik" beigetragen.

Bereits 1978 engagierte sich Holger Strohm in einer Vorläufer-Organisation der Grünen und kandidierte als Spitzenkandidat der 'Bunten Liste - Wehrt Euch' bei den Wahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft. Nach der Gründung von Orts-, Kreis- und Landesverbänden im Jahr 1979 half er im Januar 1980 die Bundespartei 'Die Grünen' in Karlsruhe aus der Taufe zu heben. Um so bitterer ist es, daß heute Menschen, die jene Partei um 1990 an sich rissen und nur noch die Fassade stehen ließen, den mittlerweile 70-jährigen Holger Strohm mit fadenscheinigen Behauptungen bekämpfen.

Im September 2012 präsentierte Strohm gemeinsam mit dem polnischen Regisseur Marcin El eine filmische Umsetzung und Aktualisierung seines Bestsellers. Der Dokumentarfilm "Friedlich in die Katastrophe" wurde im Abaton-Kino Hamburg erstmals gezeigt und etwa vom Greenpeace-Aktivisten Heinz Smital als "Meisterwerk" gelobt. Dennoch fand sich kein Verleih und so ist die Verbreitung des Films auf Initiativen vor Ort und auf "Mundpropaganda" angewiesen. Die linksliberale Wochenzeitung 'Der Freitag' nannte dies einen "Skandal für eine demokratische, sich aufgeklärt gebende Gesellschaft." Auch wenn es über Details dieses Films innerhalb der Anti-Atom-Bewegung sachlich fundiert verschiedene Ansichten gibt, wäre das Werk im Kampf gegen die Atom-Industrie sicherlich äußerst wirkungsvoll.

Den Vorwand für die Verleumdungskampagne gegen Holger Strohm lieferte ein Vorfall im Herbst vergangenen Jahres. Bei einer Vorführung des Filmes im wendländischen Lüchow erschlich sich ein Neo-Nazi ein Interview. Er hatte sich gegenüber Strohm als Vertreter einer Anti-AKW-Initiative aus Gorleben ausgegeben. Obwohl Strohm mit dem Interviewer - wie üblich - vereinbart hatte, daß ihm der Text vor einer Veröffentlichung vorgelegt werden muß, erschien das "Interview" in dem in NPD- und Neonazi-Kreisen verbreiteten Magazin 'Umwelt & Aktiv' ohne Strohms Zustimmung. Das einzige, was Holger Strohm ernsthaft vorzuwerfen wäre, ist, daß er es versäumte, per Gericht eine "einstweilige Verfügung" gegen die Veröffentlichung zu erwirken - hierfür jedoch wird Strohm merkwürdiger Weise in der seit Monaten fanatisch geführten Kampagne gar nicht kritisiert.

Am 2. Dezember 2012 veröffentlichte Andreas Speit in der 'taz' einen Artikel. Darin versucht er den Eindruck zu erwecken, er habe selbst mit Holger Strohm gesprochen. Tatsächlich setzte sich Speit über die journalistische Grundregel hinweg, der angegriffenen Person Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Weiter suggeriert dieser Artikel, Holger Strohm habe gewußt, daß es sich bei dem Interviewer um einen Neo-Nazi gehandelt habe. Im Kern erhebt Speit zwei Vorwürfe: Strohm habe einem Neo-Nazi ein Interview gegeben und mit dem Interview helfe Strohm "dem Magazin bei der Etablierung über die Szenegrenze hinweg". Offenbar fallen beide Vorwürfe in sich zusammen, wenn Strohms Beteuerung zutrifft, daß er nicht wußte, daß er es mit einem Neo-Nazi zu tun hatte. Dennoch werden die Vorwürfe unbeirrt weiterverbreitet - ohne Rücksicht darauf, wer bei Vorwürfen in der Beweispflicht ist.

Obwohl das Folgende nichts mit der Sache zu tun hat und das Verständnis des Ganzen erschwert, da das Publikum dieser Kampagne meist nur Bruchstücke der Einzelheiten erfährt, sei hier der Vollständigkeit halber Folgendes ausführlich dargestellt: Holger Strohm wird in dem recht umfangreichen Gespräch, das auf Band aufgenommen wurde und in 'Umwelt & Aktiv' veröffentlicht ist, die Frage gestellt, wo er sich selbst politisch verortet und Strohm antwortet: "Ich selber bin ein linker Anarchist." Erst in diesem Kontext, Strohms Kritik an großen Organisationen und an der aktuellen Situation der Anti-AKW-Bewegung, redet Strohm von seinen sozialen Überzeugungen und davon, daß er immer schon dagegen war, Menschen auszugrenzen: "Aber ich habe mich immer dagegen gewehrt, daß man sagt: »Mit den Schmuddelkindern, mit den Kommunisten, den Nazis oder den den, darfst Du nicht spielen!« Ich habe vor Maoisten, vor Stalinisten Vorträge gehalten, aber auch vorm Kreis für Konservative Politik oder an der Marine Unteroffiziersschule und das werde ich auch weitermachen. Ich grenze nicht aus und ich will auch nicht ausgegrenzt werden. Jeder Mensch hat ein Recht auf einer Meinung und wenn er dazulernen will, bin ich gerne bereit, ihm dabei zu helfen. Ich sehe es so: Es gibt selbst unter Nazis gute gute Menschen und es gibt selbst unter Linken sehr böse Menschen. In jeder Gruppierung gibt es gute und böse Menschen. Für mich ist die politische Überzeugung kein Maßstab. Aber für mich es ein Maßstab, ob man gegen Atomenergie ist, ob man für die Menschheit ist, ob man ein guter Mensch ist. Das Tun ist wichtig und nicht, was man sagt."

Aus diesem Zusammenhang hatte bereits Andreas Speit in seinem 'taz'-Artikel Folgendes gemacht: "In dem langen Gespräch wird die Anti-Atom-Ikone Holger Strohm sehr deutlich. »Ich habe mich immer dagegen gewehrt, dass man sagt: ’Mit den Schmuddelkindern, mit den Kommunisten, den Nazis oder den den, darfst du nicht spielen!'«, sagt er. Er selbst hat jetzt auch gespielt. Mit »den Nazis«."

Speit will mit einem aus dem Zusammenhang gerissenen Satz anscheinend belegen, daß Holger Strohm wußte, mit wem er es zu tun hatte...

Nun hat Holger Strohm, wohl mit dem Instinkt eines alten Provokateurs, dagegen gepoltert, er lasse sich nicht vorschreiben, mit wem er reden dürfe. Und unter vernünftigen Menschen darf wohl vorausgesetzt werden, daß es einen gewaltigen Unterschied macht, ob Holger Strohm etwa mit einem 14-Jährigen redet, der in eine Neo-Nazi-Gruppe geraten ist und sich zugleich für die AKW-Problematik interessiert - oder ob Holger Strohm wissentlich einem Neo-Nazi ein Interview gibt...

Damit hat Strohm aber - vermutlich unbewußt - den Nerv mancher FanatikerInnen getroffen, die sich selbst als "antifaschistisch" bezeichnen und allen Ernstes die Einhaltung des Gebotes einfordern: "Mit Nazis wird nicht geredet!" Diese engstirnige Haltung ist offenbar auch in der deutschen Anti-Atom-Bewegung gar nicht so selten, denn in einer bundesweiten Mailingliste der Anti-Atom-Bewegung fand eine entsprechende Äußerung und ein vor Haß sprühender Angriff auf Holger Strohm zahlreiche zustimmende Kommentare.

Solchen FanatikerInnen sei - auch wenn dies vermutlich nichts nützt - das Beispiel Rudi Dutschkes zur Kenntnis gebracht. Dutschke hatte mit dem 23-jährigen Attentäter und Neo-Nazi Josef Bachmann, der ihn am 11. April 1968 niederschoß und lebensgefährlich verletzte, brieflich Kontakt aufgenommen. "Du wolltest mich fertigmachen", schrieb er Bachmann. "Ich mache Dir einen Vorschlag: greife die herrschenden Cliquen an. Warum haben Sie Dich zu einem bisher so beschissenen Leben verdammt? Also schieß nicht auf uns, kämpfe für Dich und Deine Klasse." Als Dutschke von den Selbstmordversuchen Bachmanns erfuhr schrieb er ihm: "Höre auf mit den Selbstmordversuchen, der antiautoritäre Sozialismus steht auch noch für Dich da."

Von einem ganz anderen, einem autoritären Denken sprechen die Kontaktverbote in gewissen "antifaschistischen" Kreisen. Wie eine Karikatur dieses Denkens kommen nun Beschlüsse der Pseudo-Grünen daher, in denen die Vorwürfe Speits kolportiert werden. Darin heißt es etwa:

"Der Landesverband von Bündnis‘90/Die Grünen wird nicht mit Holger Strohm zusammen arbeiten. Im Dezember 2012 erschien ein Interview in der rechtsextremen Zeitschrift Umwelt & Aktiv, in der Holger Strohm (Urgestein in der Anti-Atombewegung) mit dem Satz zitiert wird, »selbst unter Nazis gibt es gute Menschen«. Als einzigen Maßstab in der Bewertung eines Menschen zähle für ihn, ob man gegen Atomkraft sei.
Dieses Interview hat zu weitreichender Kritik an Strohm geführt, auch die taz griff das Thema in einem Artikel auf. Holger Strohm wehrte sich gegen diese von ihm so empfundene »Verleumdungskampagne«, in dem er einen weiteren Artikel auf der Internetseite von Umwelt&Aktiv veröffentlichte. Er tut damit wiederholt das, was ihm auch zuvor schon vorgeworfen wurde: Er verharmlost Menschen mit faschistischem Gedankengut und hilft ihnen, sich als »Umweltaktivisten« gesellschaftsfähig zu machen.
Eine Zusammenarbeit mit Rechtsaußen beziehungsweise eine Zusammenarbeit mit Menschen, die Nazis als salonfähig betrachten, wird es mit uns nicht geben."

Dieser Sermon spricht wohl für sich selbst.

Nebenbei sei noch angemerkt, daß auch die Beschuldigung, Strohm habe "einen weiteren Artikel auf der Internetseite von Umwelt&Aktiv" veröffentlicht, ebenso wenig wahr ist wie die übrigen Behauptungen. Hintergrund dieser Behauptung ist, daß Holger Strohm - nachdem er vergeblich versucht hatte, die 'taz' zu einer Veröffentlichung seiner Stellungnahme zu bewegen - seine Widerlegung der Anschuldigungen Speits auf der Internetseite www.holger-strohm.npage.de veröffentlichte. Von dort übernahmen - erneut ohne bei Strohm anzufragen - die Neo-Nazis von 'Umwelt&Aktiv' diesen Text.

Zu dem Zeitpunkt, als die Oberen der Pseudo-Grünen auf einem Parteitag den zitierten Text zur Abstimmung stellten, war längst bekannt, daß die Behauptung, Strohm habe einen zweiten Artikel auf 'Umwelt&Aktiv' veröffentlicht, nicht den Tatsachen entspricht. Nur einige wenige aus der Anfangszeit verbliebene Mitglieder wehrten sich - vergeblich - gegen diese Manipulationen durch die Partei-Oberen.

Wie schon die Redaktion des 'Freitag' zu recht feststellte, ist der Versuch, die Verbreitung des Films "Friedlich in die Katastrophe" zu verhindern ein Skandal. Offenbar dient die von den Pseudo-Grünen unterstützte Verleumdungskampagne gegen Holger Strohm demselben Zweck. Vor Ort soll den Menschen Angst eingejagt werden, sie ließen sich mit einem Neo-Nazi ein, wenn sie die Vorführung des Films in Eigeninitiative organisieren. Dies hat bereits vielfach seine Wirkung getan.

Qui bono? - Wem zum Vorteil? - fragten schon in der Antike die Römer, wenn es galt, den Zweck eines Manövers aufzudecken. Die Atom-Industrie hat ein ureigenes Interesse, die Verbreitung des aufklärerischen Films Marcin Els und Holger Strohms zu unterbinden.

 

LINKSZEITUNG

 

Anmerkungen

Siehe auch unseren Artikel:

      Der Film "Friedlich in die Katastrophe"
      läuft bundesweit an (30.09.12)

      Rezension zum Buch von H. Strohm:
      "Die stille Katastrophe" (5.12.2000)