16.06.2011

Vorlage für Terrorismus

US-Atombehörden verschlampen 2,7 Tonnen Bomben-Uran

Bomben-Stoff Uran New York (LiZ). Laut einem Artikel des US-Magazins 'Wired' vermißt die US-Atombehörde 2.700 Kilogramm hochangereichertes Uran, das zum Bau von Atombomben geeignet ist. 'Wired' bezieht sich auf einen geheimen Bericht des Government Accountability Office (GAO), in welchem exakt aufgelistet ist, welche Mengen an hochangereichertem Uran aus den USA bisher exportiert wurden, und wie viel davon vermißt wird.

Gerade zum zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001 ist es für die US-Behörden besonders peinlich, daß nun zu Tage kommt, wie schlampig mit dem hochgefährlichen Atombomben-Stoff umgegangen wurde. Erst vor einem halben Jahr wurde bekannt, daß auch die staatliche Aufsicht über die Betreiber-Konzerne von US-Atomkraftwerken extrem lax gehandhabt wird (siehe unseren Artikel vom 1. April 2011). Mit der aktuellen Enthüllung wird wieder einmal deutlich, daß der Umgang mit der Atomenergie - gleich ob im Bereich der Stromerzeugung oder im militärischen Bereich - stetig die Gefahr erhöht, daß extrem gefährliche Waffen in die Hände von TerroristInnen gelangen können. Ebenso wächst die Gefahr, daß infolge der gezielten Zerstörung eines Atomkraftwerks ganze Landstriche unbewohnbar gemacht werden können.

Der geheime GAO-Bericht zeichnet ein erschreckendes Bild der teilweise extremen Schludrigkeit der zuständigen US-Behörden. Laut diesem Bericht wurden seit der 1950-er Jahren aus den USA 17,5 Tonnen hochangereichertes Uran exportiert. Davon gelangten demnach 12,4 Tonnen nach Japan, Deutschland, Frankreich und einige weitere Länder der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM). Der Verbleib jedoch von 11,6 Tonnen sei erst 1993 bei Nachforschungen von US-Behörden geortet worden. Im Jahr zuvor hatten das US-Energieministerium und die US-Atomaufsicht (NRC) bei einem Bericht an den US-Kongress eingestehen müssen, daß sie keine lückenlose Information über den Verbleib des exportierten hochangereicherten Urans bieten können. Für 2,7 Tonnen des gefährlichen Materials konnten keine ausreichenden Belege vorgelegt werden. Über geheimdienstliche Vermutungen, wo sich das Bomben-Uran heute befindet, gibt der GAO-Bericht keine Auskunft.

Das US-Magazin 'Wired' schreibt, daß eine Auskunft über diese Vermutungen über den Verbleib der vermißten 2,7 Tonnen selbst für einen vertraulichen Bericht an den US-Kongress als zu brisant eingestuft wurde. KäuferInnen von hochangereichertem Uran aus den USA sind zwar vertraglich verpflichtet, den zuständigen US-Behörden auf Anfrage Informationen über die Lagerung des Urans zukommen zu lassen. "Aber das Energieministerium und die NRC haben solche Daten nicht systematisch angefordert," heißt es in dem GAO-Bericht. Die US-Behörden "haben keine umfassende, detaillierte und aktuelle Bestandsliste des amerikanischen Nuklearmaterials." Dies gelte nicht nur für waffenfähige Stoffe wie hochangereichertes Uran, sondern auch für Plutonium.

Laut Geheim-Bericht verliefen auch Anläufe des US-Energieministeriums und der NRC, den Verbleib und die Sicherheitskontrollen im Ausland zu überprüfen, geradezu lax. In manchen Fällen waren vertraglich keine Pflichten der Käuferseite vereinbart worden, die den USA ein Recht auf Überwachung oder Kontrollen zugestanden hätten. Doch selbst wo diese vorlagen, wurde nur lückenhaft kontrolliert. Selbst in Staaten, die laut GAO-Bericht mit dem größten Verbreitungs-Risiko bewertet wurden, wurde vom US-Energieministerium und der NRC "nicht systematisch" kontrolliert. Auch an Orten, von denen bekannt war, daß dort die internationalen Sicherheitsbestimmungen unterlaufen wurden, sei nicht systematisch geprüft worden. Dabei wäre dies dem GAO-Bericht zufolge dringend nötig gewesen. Denn bei 55 Besuchen im Ausland, die zwischen 1994 und 2010 stattgefunden haben, seien die Sicherheitsrichtlinien der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) in mehr als jedem dritten Fall mißachtet worden.

Der Atomwaffen-Experte Jeffrey Lewis vom Monterey Institute of International Studies kommentierte gegenüber 'Wired': "Es ist erstaunlich, wie locker das Energieministerium die Verfolgung des Materials handhabt. Es gibt dort niemanden, der dafür zuständig ist." Das US-Energieministerium dagegen berief sich in einer Stellungnahme auf internationale Verpflichtungen und die Inspektionen der IAEA. Ein Sprecher des US-Energieministeriums erklärte: "Wir sind sicher, daß effektive Sicherheitsmaßnahmen eingehalten und durch IAEA-Inspektionen und Meldepflichten durchgesetzt werden."

Bereits im Jahr 2003 war bekannt geworden, daß die US-Behörden beim Schutz der Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen keinen sonderlichen Eifer zeigten (siehe unseren Artikel v. 13. September 2003). Im Gegensatz hierzu wurde 9/11 jedoch dazu benutzt, die bürgerlichen Freiheitsrechte drastisch einzuschränken und die Überwachung der Bevölkerung zu intensivieren.

 

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Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      USA: Die Atom-Mafia steht über dem Gesetz
      Meldepflicht häufig ignoriert (1.04.11)

      Abrüsten durch Aufrüsten?
      Obama gibt 80 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen
      (15.05.10)

      Obama verspricht
      Bau neuer Atomkraftwerke in den USA (30.01.10)

      Ein Leuchtturm mit waffenfähigem Uran
      Garching II (9.09.08)

      18 Tonnen radioaktives Material im Mura-Fluß abgekippt
      Uran aus der Atombomben-Mine Shinkolobwe (7.11.07)

      land of the free uranium
      Sieben Länder, 25 Tage, 15 Pfund Uran (13.09.03)